
Mit Verschwörungstheorien ist das so eine Sache: An sie gläubig sind stets die anderen, und der Begriff eignet sich hervorragend, um alternative Meinungen und Gegenerzählungen zu diskreditieren. Besonders beliebt ist die Nutzung des Begriffs unter linken Kräften, die ihn ins Feld führen, um rechtskonservative Menschen als verschwörungsgläubig zu denunzieren. Dazu gibt es einen inzwischen ganzen zivilgesellschaftlichen Apparat, der linken Demokratieverteidigern Jobs zuschustert, damit diese Aufklärung gegenüber angeblichen Verschwörungstheorien leisten. Darum soll es aber nur am Rande gehen. Viel spannender ist der Befund, dass linke Kräfte selbst verschwörungsgläubig werden, wenn es darum geht, sich richtig zu positionieren – wie vergangenes Wochenende sichtbar wurde.
Die Personalie Frauke Brosius-Gersdorf hält das politische Berlin in Aufruhr und ist zu einem realen Spaltpilz geworden, an dem sich die Koalition von Friedrich Merz (CDU) zu entzweien droht. Wie die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch am vergangenen Wochenende schrieb, sei Brosius-Gersdorf, ohne es zu wollen, zum „Gesicht des Kulturkampfs“ geworden. Ihre geplante Wahl zur Verfassungsrichterin am zweiten Senat war am vergangenen Freitag abgesagt worden, weil dutzende Unionsabgeordnete drohten, sich bei der Abstimmung zu enthalten oder gleich mit „Nein“ zu stimmen. Brosius-Gersdorf markiert dabei einen ersten großen Streit in der schwarz-roten Koalition von Merz, die es versäumte, die Kandidatin auf ihre linksaktivistischen Aussagen zu prüfen – und die unterschätzte, wie sehr die Unionsfraktion Widerstand leisten würde.
Seitdem aber CDU und CSU wagten, eigenen konservativen Überzeugungen nachzukommen, ihre Wählerschaft nicht zu verraten und die von der SPD vorgeschlagene Rechtsprofessorin nicht zu wählen, organisiert sich eine Gegenbewegung, die mit Verzerrungen, Kampfbegriffen und Diskreditierung versucht, Kritiker Brosius-Gersdorfs wiederum in Zweifel zu ziehen.
Im Zentrum: der Begriff der „Kampagne“.
Auf diesen Begriff konnten sich so gut wie alle Medien einigen: der Spiegel, die taz – und auch der Deutschlandfunk. Die Erzählung geht wie folgt: Es gibt eine ganze Reihe von Kampagnentreibern – Influencer, neue Medien, Abtreibungsgegner und die Pro-Life-Szene, rechtskonservative Politiker – die unter einer Decke stecken und sich verabredet haben, die 54-Jährige in einer konzertierten Aktion zu verhindern. Diese Aktion geschehe gemeinschaftlich mit einem politischen Ziel, mitunter gleiche sie einem Feldzug. Ausgehend von der Berichterstattung von Apollo News sei eine Bewegung entstanden, die sich gegenseitig verstärkt hätte – und am Ende so wirkmächtig geworden war, dass sie der angesehenen Juristin keine Chance ließ, die wiederum Opfer von Misogynie und Missgunst geworden war, so das Narrativ.
Eine Kachel des Deutschlandfunk.
Dabei gibt es aber für den Charakter einer abgesprochenen oder geplanten Aktion genau null Belege. Was stimmt: Im Zusammenhang mit der Personalie formierte sich eine Bewegung, die auf sozialen Medien Aussagen zusammentrug, diese bewertete, diskutierte und kritisch einordnete. Bei dieser Schwarmrecherche handelt es sich um ein urjournalistisches Vorgehen, das einerseits kritische Äußerungen an die Oberfläche trug und diese andererseits zum Gegenstand öffentlicher Debatte werden ließ. Dies geschah gewiss in einer zeitgemäßen Form (weil: digitalen Sphäre), wo sich zahlreiche User emotionalisiert zeigten und die kritische Debatte ein, wie man heute sagt, Momentum erlangte.
Doch schon ein Blick auf die Treiber der Debatte belegt, dass dahinter keine Hinterzimmer-Absprache stand, um eine Juristin zu demontieren. Darunter fanden sich nämlich abtreibungskritische katholische Plattformen wie 1000plus und Corrigenda, junge (und ältere) im weitesten Sinne zeitgeistkritische und rechtskonservative Medien wie Junge Freiheit, Apollo und NIUS, reichweitenstarke Influencer, christliche Abgeordnete aus Bayern, offizielle Vertreter der katholischen Kirche, liberal bis libertäre Verteidiger der Meinungsfreiheit, Kritiker der Coronapolitik, aber auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder Welt. Sie alle trugen Äußerungen zusammen und ließen Zweifel laut werden. Die Zweifel an einem möglichen Plagiat von Brosius-Gersdorf – ein Grund, welchen der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn vor versammelter Mannschaft am Freitag ins Feld geführt haben soll, um die Wahl abzusagen –, wurde im Übrigen sowohl vom Plagiatsjäger Weber selbst als auch von NIUS am gleichen Freitag kritisch, nämlich: im Sinne der Verfassungsrichterin, intoniert.
Deshalb bleibt feszustellen: Nur weil etwas diskutiert wird und zu einem Debattenthema wird, ist dies noch lange keine Kampagne. Vielmehr war das Anliegen demokratisch; und die Empörung zeugt mitunter davon, dass der politmediale Komplex sich abgewöhnt hat, Personalvorschläge zu durchleuchten und kritisch zu hinterfragen.
Die Dynamik der Kritik an der designierten Verfassungsrichterin entsponn sich aber vielmehr entlang einer ganzen Fülle (!) von zweifelhaften Aussagen, die von coronakritischen und lebensschützenden Strömungen bis hin zu „Free Speech“-Verteidigern und Gegnern eines totalitären AfD-Verbots zu einer Koalition werden ließ, die nie beabsichtigte, eine Koalition zu sein.
ARD und ZDF: keine Gatekeeper mehr.
Dass solche Koalitionen plötzliche Diskurse treiben, ist eine positive Entwicklung, sie ist, gerade auf X, eine Graswurzelbewegung und zerstört auf disruptive Art und Weise die „Gatekeeping“-Funktion traditioneller Medien, die sehr lange die Kontrolle darüber hatten, was debattiert und skandalisiert werden durfte – und was nicht.
Und auch politisch war die Debatte eher verheißungsvoll: Viel zu lange verhinderte nämlich gerade das Konzept der Brandmauer, dass es Allianzen entlang von Ablehnung oder Zustimmung zu tatsächlichen Inhalten geben konnte – und stattdessen Kontaktschuld zum Kriterium für politische Auseinandersetzung wurde. Die Brandmauer ist in Zeiten des Internets aber ein überholtes Konzept. Weil diese aber Usus der hiesigen demokratischen Kultur geworden ist, und auch in Köpfe von Entscheidern eingesickert ist, dauerte es nicht allzu lange, bis die Gegenmobilisierung pro Brosius-Gersdorf am Wochenende präsent wurde.
Angetrieben wurde sie von einem Thinktank: „Polisphere“, nach eigenen Angaben Beratungsnetzwerk und Ideenlabor, das als Seismograph für politische Trends auftreten will. Der Geschäftsführer von „Polisphere“, Philipp Sälhoff, bezeichnete die Debatte um Brosius-Gersdorf als orchestrierte „Kampagne“. Basierend auf über 40.000 X-Posts zeichnete sein Bericht einen Anstieg der Personalie ab dem 2. Juli 2025 auf, mit dominierenden Themen wie Abtreibung, Impfpflicht und AfD-Verbot.
Die Grafik von „Polisphere“ verbreitete sich schnell, gerade in der linken Gegenöffentlichkeit rund um das Netzwerk BlueSky. Sie zeigte Spitzen in „rechten“ Narrativen auf. Dabei ist auch die hier implizierte Argumentation von „Polisphere“ fadenscheinig: Die Grafik zeichnet nämlich nur nach, wie die Personalie Brosius-Gersdorff immer reichweitenstärker diskutiert wurde, mitnichten dient sie als Beleg für eine „Kampagne“, die eine „Koordination“ nahelegte. Legitime Bedenken wurden in diesem Sinne zu Hetze umgedeutet, was ein antidemokratisches Verständnis von Wählerunmut offenbart: Proteste wie E-Mails an Abgeordnete gelten für „Polisphere“ als manipulativ und eine Petition, die mehr als 130.000 Menschen unterschrieben, als Beleg für eine angebliche Treibjagd.
Die Analyse von Polisphere:
Sälhoff ist dabei kein unparteiischer Analyst. Vor seiner Rolle als Geschäftsführer von „Polisphere“ arbeitete er beim „Progressiven Zentrum“, wo er Kampagnen wie #bewegungjetzt leitete. Die Kampagne #bewegungjetzt war dabei eine überparteiliche Online-Mobilisierungskampagne, die vom Zentrum initiiert und von Januar bis September 2013 durchgeführt wurde, um im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 „eine progressive Mehrheit“ in Deutschland zu aktivieren und zu motivieren. „Progressive Mehrheit“ ist dabei gleichbedeutend mit linker und grüner Politik links der Mitte – und Sälhoff ist alles andere als unvoreingenommen. Vielmehr entsteht hier der Eindruck, er wolle selbst jedwede Mitte-Rechts-Mehrheiten verunmöglichen und desavouieren.
Neben Spenden und Aufträgen finanzierte sich das „Progressive Zentrum“ nach eigenen Angaben auch aus institutionellen Zuschüssen der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Heinrich-Böll-Stiftung. Und: „Polisphere“, Sälhoffs Nachfolgerorganisation, die nun eine Kampagne wittert, arbeitet für das Projekt „europX“ (zur Stärkung der Demokratie durch digitale Technologien) mit der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) zusammen, die vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) beaufsichtigt und mit Bundesmitteln finanziert wird. Die EVZ wurde 2000 per Bundesgesetz eingerichtet und dient der Erinnerungskultur sowie der Förderung von Demokratieprojekten; ihre Mittel stammen aus Steuergeldern und Stiftungskapital. Eine weitere Partnerschaft von „Polisphere“ besteht mit der Heinrich-Böll-Stiftung, also der parteinahen Stiftung der Grünen, die „Polisphere“ nach eigener Aussage bei der Professionalisierung der Auslandskommunikation unterstützt. Es dürfte kein Zufall sein, dass Mareile Ihde, eine Ex-FDP- und inzwischen grünennahe Influencerin, die unter dem Alias „Hoellenaufsicht“ firmiert und sich wiederholt für ein AfD-Verbot aussprach, nach Informationen von NIUS zwischenzeitlich für „Polisphere“ die digitale Kommunikation mitverantwortete.
All diese Verwicklungen zeugen davon, dass die digitalen Analysten von „Polisphere“ alles andere als neutral, sondern Teil des weitgefassteren zivilgesellschaftlicheren Komplex sind.
Schauen Sie hier: Der NGO-Komplex
Man mag das zivilgesellschaftliche Parteiergreifen für Brosius-Gersdorf für eine verspätete Reaktion halten, die nicht mehr aufhalten konnte, was nicht aufzuhalten war. Dennoch scheint es bemerkenswert, dass die beiden Frauen, die den NGO-Komplex und das Förderprogramm „Demokratie Leben!“ finanzierten oder finanzieren, keine kritische Silbe zu Brosius-Gersdorf verloren. Lisa Paus, die Familienministerin der Ampel-Koalition, sprach von einem „Playbook der Rechten“. CDU-Ministerin Katrin Prien hingegen erteilte eine Absage an jeglichen Kulturkampf – und somit die lauter werdende Kritik an der Rechtsprofessorin, auch von ihrer Partei. Wer sich so äußert, zumal als Unionpolitiker, wird den Kulturkampf verlieren.
Eine der ersten, die die „Polisphere“-Analyse verbreitete, war dann hingegen Astrid Deilmann, nach eigenen Angaben geschäftsführende Vorständin von „Campact“, Gesellschafterin von „HateAid“ und Aufsichtsrätin der taz. Sie schrieb auf der Plattform BlueSky, es handele sich um die „erschütternde Innenansicht einer rechtsextremen Kamapgne“. Der Post verbreitete sich schnell, wurde von der staatlich finanzierten Gruppe Campact geteilt, die gleichzeitig immer wieder „gegen Rechts“ kämpft und etwa auch für ein AfD-Verbot trommelt.
Auch das linke Portal Volksverpetzer wurde aktiv. Zwar finanziert sich Volksverpetzer nicht aus Bundesmitteln, sondern vorwiegend aus Spenden, doch das Portal gilt als einer der wichtigsten linken Debattentreiber in sozialen Medien. Das Portal verfasste über das Wochenende hinweg eine ganze Reihe von Beiträgen auf BlueSky, manche geradezu komisch. „NIUS, Cicero, NZZ und Welt machen das mit unseren Unions-Abgeordneten, was sie sagen, was Tiktok mit der Jugend macht“, war dort etwa zu lesen.
Deilmanns Selbstbeschreibung auf der Plattform BlueSky.
Das Medium Volksverpetzer: Ein ganzes Wochenende Meltdown.
Und noch mehr Meltdown.
Und von dort aus wiederum hielt die Erzählung einer orchestrierten Kampagne wiederum Einzug in den Mainstream-Medien-Echo. Nicole Diekmann vom ZDF kritisierte die „Kampagne“ – und sprach von einem „Einfluss von Portalen, die sich fälschlicherweise Journalismus ans Revers heften und dafür sorgen, dass Teile von CDU/CSU dem Lockruf der faktenfreien Affektpolitik nachgeben“. Mark Schieritz von der Zeit sah zahlreiche rechtsextreme Kräfte hinter der Anti-Brosius-Gersdorf-Mobilisierung. Der Spiegel berichtet auffällig einseitig, etwa am 11. Juli, in einem Artikel, in dem Brosius-Gersdorf als Opfer und Kritiker als „extrem“ geframt wurden. ZDF und ARD thematisierten ebenfalls eine „Hetzkampagne“, die taz nannte die Vorgänge der letzten Woche es „rechte Mobilisierung“. Kurz: Medien ergriffen, verängstigt von ihrer schwindenden Deutungshoheit bei der Personalie und in Einklang mit einem zivilgesellschaftlichen Vorbau, einhellig Partei für eine völlig zurecht kritisch diskutierte Verfassungsrichterin.
Die kollektive Medienthese: Brosius-Gersdorf und ihre Verteidiger seien Hüter der Demokratie, ihre Forderungen – Impfpflicht als Mehrheitsschutz, AfD-Verbot, Quotierung und Liberalisierung von Abtreibungsrecht – seien weitgehend einleuchtend und würden lediglich verzerrt dargestellt.
Die Verteidigung Brosius-Gersdorfs scheint dabei selbst eine mediale Wertschöpfungskette darzustellen: Von teils staatlich mitfinanzierten Think Tanks und Plattformen zu Medien, die vorgeben, „Hass und Hetze“ zu bekämpfen, aber eigentlich nur die Meinungsfreiheit einschränken wollen, reicht ein Kontinuum. Bezeichnend auch, wie zahlreiche Kommentatoren ein AfD-Schaubild zur „Spaltung der Mitte“ teilten und Union-Abgeordnete als manipulierbar framten – so, als seien Parlamentarier unmündige Sprechpuppen, gelenkt von „rechten Portalen“ und in der ganzen Personalie gehe es, wie immer, nur um die AfD.
Doch gerade diese Deutung ist antidemokratisch – und widersprüchlich: Bürgerproteste und die Artikulierung von Bedenken werden hier als sinistre Kräfte geframt, während Plattform wie Campact in der Vergangenheit selbst zu E-Mail-Protesten aufriefen, etwa, als es darum ging, CDU-Politikern zu schreiben, nachdem diese Anfang des Jahres gemeinsam mit der AfD im Bundestag abgestimmt hatten. Willensbildung verkommt hier zu eigener Agenda, bei der mit zweierlei Maß gemessen wird. Und man will diesen Medienmachern zuschreien: „Der Kulturkampf, den ihr AfD und einer restkonservativen Union anhängen wollt, tobt schon seit Jahrzehnten um euch – und um uns! Wacht auf!“
Die Verteidiger aus linken Leitmedien und ARD/ZDF wirken selbst mitunter wie digitale Einschüchterungstruppen, die sie zu kritisieren versuchen, was sie und ihre Funktion als kritische Beobachter anzweifelt. Sie framen neue Medien wie NIUS als „rechtsextrem“, unterdrücken Kritik und Diskurs und legen jedwede kritische Haltung ab. Ironischerweise teilte der Zeit-Journalist Mark Schieritz dann am Montag genau dies in einem Clip bei Phoenix mit: Darin sagte Schieritz, dass das Verfassungsgericht mit Brosius-Gersdorf eigentlich im Sinne der Union besetzt werden könnte, die damit ihre Projekte auf judikativer Ebene durchbekäme. Abgesehen davon, dass die 54-jährige Juristin völlig zurecht bei vielen CDU- und CSU-Politikern Sorgenfalten fördert, zeigen diese Aussagen eine bemerkenswerte Haltung gegenüber Gewaltenteilung – und seinem Selbstverständnis als vierte Gewalt. Nie hat ein Journalist schöner zugebenen, dass es einen Konsens quer durch politische Gewalten geben kann, der alles andere als gedankenoffen und unkritisch ist.
Die manipulative Rhetorik wird auch von prominenten Abgeordneten der Grünen und SPD übernommen, die mit einheitlichen Kampfbegriffen wie „Hetzkampagne“, „rechtsextremes Portal“ und „Lügen“ operieren, um legitime Kritik zu diskreditieren. Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang etwa warf auf X Unionsabgeordneten vor, sich von „Nius und Co am Nasenring durch die Manege ziehen“ zu lassen und „vollkommen erfundene Plagiatsvorwürfe weiter zu verbreiten“, was den Bundestag schädige – eine Formulierung, die den Fokus auf angebliche Manipulation lenkt, während sie die Substanz der Vorwürfe ignoriert. Britta Haßelmann, Fraktionschefin der Grünen, empörte sich in Interviews, dass Brosius-Gersdorf sich „als Frau nicht bieten lassen“ – und nannte ebenfalls NIUS. Katharina Dröge, Grünen-Fraktionsvorsitzende, nannte das Vorgehen ein „gigantisches Versagen“ und implizierte eine Kampagne, die die Koalition spalte, während Erik Marquardt in Kontexten von „Lügenkampagne“ sprach, die eine „hoch angesehene Juristin“ verhinderte – und war sich nicht zu schade war, geschmacklose Parallen zum Dritten Reich aufzustellen.
Dirk Wiese und Matthias Miersch: SPD-Vorkämpfer gegen den bösen rechten Mob.
Ähnlich unlauter agierte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch, der in der Süddeutschen Zeitung warnte, „wenn der rechte Mob damit durchkommt, machen wir einen Riesenfehler“, und der Union vorwarf, einer „Schmutzkampagne“ nachgegeben zu haben. Dirk Wiese, SPD-Parlamentsgeschäftsführer, verwies ebenfalls auf Hetzportale. Politiker von SPD, Grünen (und Linkspartei) stimmten dabei mit selbsternannt bürgerlichen Journalisten zu einem Chor an. Die Krone setzte dem Ganzen der im Alter grüngewordene Ruprecht Polenz aus der CDU auf, der seit Sonntag wie ein Besessener NIUS in den Zusammenhang mit einem Hundeanus und Güllemaschinen bringt.
Niveau als Auslegungssache: Der im Alter grüngewordene CDU-Politiker Ruprecht Polenz.
All diese Versuche wirken geradezu, das ist das Ironische des „Kampagnen“-Vorwurfs, selbst synchronisiert. Sie werfen Widersachern einen „Kulturkampf“ vor, der längst tobt und über Jahrzehnte im eigenen Sinne interpretiert wurde – wenn er aber den „guten“ (sprich: linksprogressiven) Kräften dient, ist er ein Beitrag zur Demokratie; wenn er von „bösen“ (also rechtskonservativen) Kräften betrieben wird, ist er eine Gefahr für eben jene. In diesem Sinne ist der „Kulturkampf“, ein oft bemühter Begriff dieser Tage, in der Tat existent, allerdings als etwas, das angenommen werden muss, weil die Absage an ihn darin mündet, dass linke Kandidaten abgenickt würden und ohne kritische Debatte in Schlüsselpositionen katapuliert werden.
Anders gesagt: Der linke Gegenschlag von zivilgesellschaftlichem Vorfeld und Medien ist deutlich verschwörungstheoretischer, als er sich selbst eingestehen würde. Vor allem offenbart er aber ein asymmetrisches Demokratieverständnis: legitime Kritik wird patholigisiert, wenn sie von rechts kommt; linke Allmachtsfantasien sollen aber ungestört florieren. Dass dem ein Riegel vorgesetzt wurde, sollte jeden Verteidiger der Demokratie freuen.
Auch bei NIUS: Der kollektive Brosius-Gersdorf-Meltdown offenbart die existenzielle Krise von etablierten Parteien und alten Medien