
Die Analyse von Kommunalwahlen bedarf Vorsicht. Schon bei Landtagswahlen muss der Analytiker aufpassen, lokale Besonderheiten nicht zu übersehen. Eine Kommunalwahl ist die Summe vieler Wahlen. In der einen spielt der Bau eines Vereinsheims eine Rolle, in der anderen der Alkoholismus des Bürgermeisters oder der Streit zweier großen Familien.
Dennoch zeigt eine Kommunalwahl Tendenzen auf. Zumal dann, wenn wie in Nordrhein-Westfalen eben diese Tendenzen schon länger zu erkennen sind: Die CDU feiert sich als Wahlgewinner, weil sie die stärkste Partei ist, erreicht aber laut Hochrechnungen ihr historisch schlechtestes Ergebnis. Die SPD verliert in einer ehemaligen Hochburg weiter an Boden, jazzt aber Teilerfolge nach oben. Die Linken legen zu, weil sie all die Wähler ansprechen, die linke Maximalforderungen nicht an der Realität messen. Und die FDP ist tot, befindet sich aber noch auf einer Begräbnis-Tournee – nächste Station Baden-Württemberg.
Zwei Ergebnisse stechen hervor. Zum einen das Abschmieren der Grünen. Die verlieren laut Hochrechnungen etwa acht Prozent, fallen wohl hinter die AfD zurück. Ihr Landesvorsitzender Tim Achtermeyer sagt in der “Düsseldorfer Runde” des WDR, dass bei der letzten Kommunalwahl “Fridays for Future” halt noch im Trend lag und jetzt eben nicht mehr. Eine Analyse, die TE auch schon geschrieben hat. Dass die Grünen die ebenso schnöseligen wie aggressive “letzte Generation” unterstützt haben, erwähnen die Grünen lieber nicht mehr – wir schon.
Es ist erstaunlich, wie deutlich die Grünen in Nordrhein-Westfalen hinten liegen. Zumal es ebenfalls einen Trend bestätigt, der schon vorher erkennbar war: Die schwarz-rote Koalition im Bund agiert unglücklich, hat schlechte Zustimmungswerte.
Trotzdem können die Grünen, die noch vor vier Jahren so kurz vor dem Kanzleramt standen, von diesem schlechten Auftritt der Bundesregierung nicht profitieren. Sie sind als linke Partei nicht mehr erkennbar, seitdem sie den Hardliner in Sachen Aufrüstung geben. Sie sind als Opposition nicht mehr erkennbar, seit sie die Reserve-Regierungspartei sind. Die Grünen erkennt der Wähler nicht mehr als Alternative zu CDU und SPD an. Das hat nicht erst Nordrhein-Westfalen gezeigt – aber eindrucksvoll bestätigt.
Bleibt der Siegeszug der AfD. Der geht weiter. Nur: Wie schon bei vielen Wahlen zuvor führen diese Siege zu (fast) nichts. Vorerst. Die AfD kann nicht regieren, da die “Brandmauer” aller gegen “Rechts” hält. Wenn es zu Stichwahlen unter Beteiligung der AfD komme, wüssten alle CDU-Wähler, was sie zu tun hätten, sagt Ministerpräsident Hendrik Wüst in der Düsseldorfer Runde. Der Merkelianer ist einer der größten Grenzschützer an der “Brandmauer”.
Nur unterliegen Wahlen einer klaren Arithmetik: Am Ende sind es immer 100 Prozent. Viele “Siege” können sich CDU, SPD, Grüne und Linke nicht mehr leisten, wenn sie dabei weiter so an Boden verlieren. Es gibt zwei Möglichkeiten, mit denen sie daher auf die Siege der AfD reagieren können: mit besserer Politik oder mit Repressionen gegen das, was sie “Rechts” nennen und was für viele Vertreterinnen der regierenden Parteien schon in der gesellschaftlichen Mitte anfängt.
Bessere Politik ist nicht in Sicht. Handeln kann ein Bündnis nicht, das sich über den Kampf gegen eine andere Partei definiert. Das Geseier am Wahlabend von „Wir haben verstanden“, über „Wir müssen jetzt Dinge angehen“ bis hin zu „Wir müssen dem Wähler unsere Politik besser erklären“ – das lässt so wenig auf bessere Zeiten hoffen wie ein Übergewichtiger, der zwischen dem zweiten und dritten Brathähnchen verspricht, die nächste Diät echt ernst zu nehmen.
Also bleiben die Repressionen gegen Rechts. Die AfD zu verbieten ist der einzige Weg, den CDU, SPD, Grüne und Linke gehen können, um die Siegesserie der AfD zu beenden. Das klingt lapidar, ist es aber nicht. Das ist ein Satz voller Zynismus. Denn das Ausmaß des Schadens, den die regierenden Parteien mit einem AfD-Verbot verursachen, lässt sich mit Worten nur unzulänglich beschreiben: Es ist das Ende von Rechtsstaat und Demokratie, mit dem SPD, Grüne, Linke und CDU da spielen. Ironischerweise ist selbst das keine neue Tendenz – der Justizskandal in der Causa Michael Ballweg oder der Wahlausschluss von Joachim Paul zeigen die Richtung schon auf, in die CDU, SPD, Grüne und Linke bereits jetzt als Bündnis gemeinsam gehen.