Polizeiruf aus Frankfurt/Oder: Foul! Foul!

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Im polnischen Kostrzyn siedeln die Autoren Michael Fetter Nathansky, Daniel Bickermann und Christian Werner ihre angebliche Kriminalgeschichte an, womit sich die Bezüge zur Realität dann aber auch schon auflösen: Eine erfundene deutsch-polnische Gerüstbaufirma, geleitet von der unwahrscheinlichen deutschen Chefin Olivia Briegel, die auch noch Sponsorin und Präsidentin eines fiktiven deutsch-polnischen Fußballvereins ist, dessen Mitglieder sich einträchtig unter polnischen und deutschen Wimpeln das Viertelfinalspiel der Deutschen Mannschaft gegen Spanien (2024) ansehen? Den wenig plausibel in der Halbzeitpause dieses Spiels geschehenen Mord an der Unternehmerin untersucht dann konsequent das von der ARD erdichtete deutsch-polnische Kommissariat Swiecko, mit seinen oft konstruiert wirkenden KriminalhauptkommissarInnen Vincent Ross (André Kaczmarczyk) und Alexandra Luschke (Gisa Flake).

Eine Stichelei löst die nächste ab, und man wird den Eindruck nicht los, dass der Film keine Gelegenheit auslassen möchte, dem Nachbarn im Osten ein wenig „ans Bein zu pieseln“ – eine deutsche Redensart, die in Kostrzyn offenbar physisch angewandt wird: der betrunkene Vereinskneipenwirt Pawel Nasiadka (Ivan Shvedoff) macht seinem Intimfeind und Nachfolger als Jugendtrainer, Hannes Kirchner (Hanno Koffler) während des Deutschlandspiels tatsächlich ans Bein.

Das Opfer wurde mit 20-30 Schlägen „übertötet“ was „auf männliche Täter mit Minderwertigkeitskomplex“ hinweise (Vincent Ross).

Gerüstbau-Fahrer Patryk Dobosz (Albert Tallski) findet die erschlagene Chefin auf der Ladefläche seines Lkws, ruft erschreckt „Jesus!“ aus. Da er mit ihr ein Verhältnis hatte, gerät er gleich in den Kreis der Verdächtigen. Unübersehbar prangt auf seinem schwarzen T-shirt das Kettchen mit dem Kreuz, gläubig schockiert gibt sich Disponentin Sylwie Borko (Irina Platon), die sich beim Vernehmen der schlimmen Nachricht gleich bekreuzigt.

Da dieser Polizeiruf 110 neben der Spitze gegen den polnischen Katholizismus thematisch auch sonst noch einiges vorhat, lässt man Ross und Luschke zunächst betont behutsam vorgehen. Sie holen den Sohn der Toten, Marco Briegel (13 Jahre, gespielt von Len Blankenberg), vom Fußballplatz und es bleibt der Kommissarin überlassen (Ross fühle sich dieser Aufgabe mental nicht gewachsen) dem Jungen die Todesnachricht schonend beizubringen. Eine Sozialbetreuerin (Annemarie Schuster, gespielt von Kotbong Yang) wird, da er alleine bei seiner Mutter lebte, schnell aus Frankfurt herbeigeholt. Seinen Papa hat er schon lange nicht mehr gesehen, der „wollte keine Kinder“ und sitzt in der Entziehungsklinik, blickt mit tonlosem Zorn auf seine Zeit als Berufssoldat zurück (zu den Gründen lässt man ihn vielsagend stumm bleiben).

Interessant, wie die tote Olivia Briegel charakterisiert wird: Sportlich, sei jeden Abend 50 Minuten joggen gegangen, und habe auch „ihren Sohn ganz schön hart rangenommen“. Die ehemalige Berufssoldatin (5 Jahre Bundeswehr), sei eine „Streberin“ gewesen, von ihren polnischen Angestellten mit dem Spitznamen „Eiskönigin“ dekoriert, habe aber laut ihrem Vize Jakub Sobinski (Adrian Topol) „von nichts eine Ahnung gehabt“. Andauernd sei sie in „diesem deutschen Größenwahn“ nur „am Arbeiten, im Stress, unter Strom“ gewesen. Ihr Büro hat die Präsidentin des Fußballvereins mit Trophäen und Urkunden dekoriert. Ein Schelm, wer Buch und Regie angesichts dieser doch sehr tendenziösen Darstellung unterstellten würde, ein Problem mit starken, erfolgreichen Frauen zu haben…

Regisseur Christian Werner erzählt im Pressedossier des RBB aus seiner Jugend von einem „Kinderheim mit sogenannten schwer erziehbaren Jugendlichen aus Berlin“ aus denen gemeinsames Fußballspiel mit Dörflern „…Monate später aus einer sehr inhomogenen Truppe eine der besten Jugendmannschaften der Liga“ gemacht habe. „…das finde ich ein gelungenes Beispiel für Integration.“

Auch der Sohn der Ermordeten spielt in der deutsch-polnischen Jugendmannschaft mit „Jungs aus einfachen Verhältnissen“, Robert Sobinski (Lauri Kröck) und Kevin Jankowski (Franz Ferdinand Krause) die alle im Profi-Fußball groß rauskommen, „aus diesem Loch raus“ wollen. Aber die Jungs haben noch eine andere Seite, zocken online Killerspiele und lassen dort in Chats ihren Frust raus, bis zu Mordphantasien an Olivia Briegel, auf die besonders Robert einen ganz speziellen Hass hat.

Sie hat ihn offenbar, weil sie das naiv als „ganz normal“ erachtete, vor dem gesamten Verein ungewollt als schwul geoutet. Im Polen von heute, wie es die Polizeiruf-Redaktion sieht, ein sportliches Todesurteil – denn man wisse ja, dass so ein Coming-out schon in der Bundesliga unmöglich sei. Nun habe der FC Kostrzyn das Etikett „inny“ aufgeklebt bekommen, was, wie Kommissar Ross erläutert, ein polnisches Codewort für „homosexuell, seltsam, anders“ sei.

Außerdem hat Olivia als maßgebliche Firmensponsorin (Ihr Firmenlogo ziert die Hemden) das von den Kickern so herbeigesehnte Fußballturnier gestrichen und vor Monaten Marcos geliebten Hund Leroy einschläfern lassen. Zum Beweis, wie schlimm das unerwünschte Outing für die Jungsportler gewesen ist, werden sie von Fußballern eines Konkurrenzvereins angegriffen und als „Schwuchteln“ tituliert. Außerdem hat Vincent Ross, diesmal weniger feinfühlend, den jungen Robert Sobinski im Beisein seines Vaters mit dem Vorwurf konfrontiert, schwul zu sein, was, obwohl der das entrüstet leugnet, (Ross: „Wenn Sie das sagen“) dazu führt, dass Jakub Sobinski ungläubig aus der Haut fährt und schon zu einem Schlag ausholt.

Die drei Kumpane haben, wie Marco schließlich gesteht, seiner Mutter in der Umkleide aufgelauert und der besonders zornige Kevin hat sie mit einer Rohrzange erschlagen. Gemeinsam haben sie die Leiche eingewickelt und auf der Lkw-Ladefläche entsorgt. Ihr „Plan B“ bei Entdeckung war es, dass der 13-jährige Marco die Tat gestehen solle, weil er noch nicht straffähig sei.

Alles schon mal irgendwo gesehen…

Es mag dem ständigen zweifelhaften Genuß solcher gefärbter Krimis geschuldet sein, aber es drängt sich unwiderstehlich der Eindruck auf, dass das Polizeiruf-Team unter anderen (die Offensichtlichen, s.o.) wieder einmal erfolgreich folgende Themen „untergebracht“ hat: Fußball und angeblicher Männlichkeitskult, Integrationswunder durch Sport, Internetkillerspiele, Strafmündigkeit Minderjähriger, Bundeswehrveteranen, Alkoholsucht, Gewalt unter Jugendlichen, Patchwork (Flickenteppich) -Beziehungen, Online-Fahndungen und last, but not least: Morde an Joggerinnen.

Nur emsig drehende Windräder gab es nicht zu bestaunen.

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