
„Stop imigracji“ steht auf dem Banner, der das Geländer der Brücke über der Oder schmückt; daneben eine Polenflagge und ein einsamer Campingstuhl. So sieht die improvisierte stationäre Patrouille des „Ruch Obronny Granic“ aus, also der polnischen „Grenzschutzbewegung“. Seitdem CSU-Innenminister Alexander Dobrindt Grenzkontrollen und Zurückweisungen an der deutsch-polnischen Grenze durchsetzt, will die polnische Bürgerwehr genau wissen, wer die Grenze zurück nach Polen überquert.
Dass diese ihre Bemühungen in diesen Tagen intensiviert, liegt womöglich an Vorgängen, die sich vor wenigen Wochen einige hundert Meter weiter auf der polnischen Seite abgespielt haben. Im Zentrum der polnischen Grenzstadt Słubice mit ihren 15.000 Einwohnern erhebt sich ein vierstöckiges Gebäude in einer Straßenkurve. „Hotel Kaliski“ prangt in roten Lettern auf der salbeigrünen Fassade. Eine Nacht kostet dort etwas mehr als 300 Złoty, umgerechnet entspricht das etwa 80 Euro. Das Hotel könnte ein stinknormales Etablissement sein, wären da nicht die Vorgänge von Mai, die nun die bundesdeutsche Öffentlichkeit beschäftigen.
Es geht um drei Migranten aus Somalia, die über Weißrussland nach Litauen eingereist waren, anschließend Polen durchquerten und die Bundesrepublik betreten wollten. Die Brüder Sakeria und Ibrahim A. M. sowie die angeblich 16-jährige Sabirin M. H. sollen am 2. und 3. Mai versucht haben, die deutsch-polnische Grenze zu überqueren – ohne ein Asylgesuch zu stellen und ohne eine Minderjährigkeit von Sabirin zu erwähnen. Als die Einreise misslang und die Polizei sie zurückwies, checkten sie im „Hotel Kaliski“ ein, von wo aus sie wiederum Unterstützung von Flüchtlingsorganisationen erhielten, die ihnen bei einem späteren dritten Einreiseversuch helfen sollten.
Das vierstöckige Gebäude des Hotels in der polnischen Grenzstadt Słubice.
Am 9. Mai werden die drei Ostafrikaner um 14:34 Uhr schließlich von der Bundespolizei am Bahnhof in Frankfurt/Oder aufgegriffen und stellen erstmals einen verbalen Asylantrag. Zeitgleich wird eine Anwältin telefonisch bei der Polizei vorstellig und überliefert eine Geburtsurkunde, die die Minderjährigkeit der Frau nachweisen soll. Zudem stellt die Juristin auch schriftlich einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Gegen die Zurückweisung reichen die drei Somalis über ihre Anwältin einen Eilantrag ein. Sie selbst sprechen kein Wort Deutsch.
Der Fall landet schließlich am Berliner Verwaltungsgericht in der 6. Kammer unter Vorsitz von Richter Florian von Alemann, der in der Vergangenheit im Namen eines linksextremen Vereins publizierte und als Redner bei Veranstaltungen der Grünen auftrat. Von Alemann und seine zwei Co-Richter beschließen, dass die Abweisung der drei Somalis rechtswidrig gewesen sei. Wie NIUS berichtete, setzte sich für die Migranten auch die Organisation „Pro Asyl“ ein. Womöglich wurde das „Hotel Kaliski“ in Słubice also zum Schauplatz, an dem Migrationsaktivisten dabei halfen, Migranten auf ihr späteres Asylgesuch in der Bundesrepublik vorzubereiten.
Aus Hotelkreisen erfuhr NIUS, dass die Somalis während ihres Aufenthalts mehrfach besucht und engmaschig betreut worden sein sollen. Dabei ist sowohl von polnischsprachigen Personen als auch von Aktivisten die Rede, die extra aus Berlin angereist waren, um den Migranten zu helfen. Die Asylhelfer sollen die Somalis nach Informationen von NIUS nicht nur mit neuer Kleidung und Handys ausgestattet haben, sondern auch die Hotelzimmer mitsamt Frühstück bezahlt haben. Wie Bild am Dienstag berichtete, checkte eine polnischsprachige Frau als „Maria“ in der Unterkunft ein, um den Migranten zu helfen. Wer aber ist die Frau?
Die deutsche NGO „Pro Asyl“ pflegt internationale Kontakte, unter anderem zu der polnischen NGO „Helsinki Foundation for Human Rights“ in Warschau, die sich immer wieder für Migranten auf polnischem Staatsgebiet einsetzt. Die polnische NGO verfügt dabei über ausreichend Geldmittel: So finanzierte unter anderem die „Open Society Foundations“ des US-Milliardärs George Soros die Arbeit der „Open Borders“-Aktivisten, allein von 2016 bis 2023 fließen fast sieben Millionen Euro.
Das internationale Netzwerk von „Pro Asyl“.
Bei der „Helsinki Foundation for Human Rights“ arbeitet auch Maria Poszytek, eine Rechtsanwältin, die laut LinkedIn-Profil in Warschau, aber zeitweise auch in Deutschland studiert hat. Mehrfach wird Poszytek auf der Website von „Pro Asyl“ genannt. Im August 2022 interviewte die deutsche Pro-Migrations-NGO die Aktivistin, die Pushbacks an der polnischen Grenze beklagte und sich für die Asylrechte von Migranten einsetzt. Das Gespräch ist übertitelt mit: „Wer ein Asylgesuch stellt, wird eingesperrt“.
Aus Deutschland hingegen wurde den Somalis ein Rechtsbeistand vermittelt, der, wie „Pro Asyl“ selbst schreibt, aus dem Rechtshilfefonds der Organisation finanziert wurde.
Nach NIUS-Informationen handelt es bei ihr um Berenice Böhlo. Die Anwältin, deren Kanzlei sich in Berlin-Mitte befindet und die sich auf Asyl- und Aufenthaltsrecht spezialisiert hat, soll dabei bei der Bundespolizei telefonisch vorstellig geworden sein, als diese die drei Asylbewerber noch erkennungsdienstlich behandelte. Bei der Kontaktaufnahme war sie bereits mit einer Vollmacht mandatiert. Böhlo war es auch, die die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und gegen die zugehörige Bundespolizei erhoben hat.
Rotes Leder im hinteren Teil des „Hotel Kaliski“. Hier sollen die Somalier auch jeden Tag Frühstück gegessen haben.
Die Wahl der Anwältin, die die Somalis Ibrahim, Sakeria und Sabirin schließlich vertritt, wirft Fragen auf, denn Böhlo ist in der Szene keine Unbekannte, immer wieder hat sie sich in der Vergangenheit politisch einschlägig geäußert. Mitunter tritt die Migrationsrechtlerin selbst als radikale Aktivistin auf: In einem Gespräch des Fritz-Bauer-Forums im vergangenen Jahr träumte Böhlo von einer Welt, „in der Menschen zirkulieren und reisen können“. Dies bedeute auch, dass Menschen aus Gambia oder Guinea ein Visum für Europa bekommen sollten, um hier einzureisen. In demselben Gespräch erklärte sie, dass Somalis „ohne Zweifel berechtigte Schutzansprüche“ in Deutschland hätten. Eine absolute Sicherheit vor „islamistischen Anschlägen“ gibt es Böhlo zufolge hingegen nicht. Auch „Pullfaktoren“ existierten nicht; die These, dass es Anreize für Einwanderung nach Deutschland gebe, sei wissenschaftlich widerlegt, so Böhlo, die sich für den Republikanischen Anwaltsverein (RAV) engagiert. „Wir haben keine moralisch legitimierbare Position, die Bewegungsfreiheit einzuschränken.“
Bei einem Panel der linken Rosa-Luxemburg-Stiftung, das mit „Solidarität in Zeiten des Grenzregimes“ überschrieben war, gab Böhlo auch offen zu, oft in Cottbus, Eisenhüttenstadt und Frankfurt/Oder unterwegs zu sein und dort Mandanten zu vertreten. Im Verb „integrieren“ sah die Anwältin ein „hochproblematisches und abzulehnendes Wort“. Die Debatte um die „sogenannte Grenzöffnung von Angela Merkel“ sei eine „Debatte von rechts“ – und gehe nicht nur auf einen vollkommen falschen Begriff zurück, sondern werde auch im Glauben geführt, der Nationalstaat stünde über individuellem, internationalem und europäischem Recht. Nach „rassistischen Anfeindungen von der AfD“ möchte sie gerne, dass eine „Frau, die ein Kopftuch trägt, so platziert wird, dass das in der Tagesschau gesendet wird“ – im Sinne der Sichtbarkeit von Migranten und subversiver Strategie.
Die Bundespolizei kontrolliert am Grenzübergang.
Böhlo, die sich einst auch bei der Initiative #unteilbar beteiligte und zu Flüchtlingsräten in der Bundesrepublik bestens vernetzt gilt, argumentiert also bei Debatten, Podiumsdiskussionen oder Redeauftritten immer wieder mit Thesen, die sich zwischen internationalistischer „No Borders No Nations“-Weltanschauung und „Alle Menschen sind gleich“-Utopien bewegen.
Eine Anfrage von NIUS, die Böhlo mit ihrem Engagement für die Somalis konfrontierte und weitere Hintergründe zum Vorgehen erfragen wollte, ließ die Anwältin durch ihren Rechtsbeistand beantworten. Die Anfrage von NIUS zeige, so der Anwalt, dass man „nicht sauber recherchiert habe“. Sie sei Beleg für die „gezielte Einschüchterung von Rechtsanwält_innen und Unterstützer_innen von Asylbewerber_innen“. Laut dem Webauftritt der Kanzlei von Böhlos Anwalt ist dieser „seit vielen Jahren aktiv in der außerparlamentarischen Linken, insbesondere in antifaschistischen Initiativen“.
Der juristische Einsatz von Böhlo für die Ostafrikaner ist brisant, vor allem deshalb, weil hier eine Anwältin tätig wird, die gleichzeitig als Aktivistin auftritt. Zudem steht unabhängig von der Rechtsvertretung der Verdacht im Raum, dass die angeblich 16-jährige Somalierin gefälschte Dokumente vorgelegt haben könnte, um als minderjährig zu gelten – und somit eine Asylantragsprüfung erfolgreich durchzusetzen.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat bereits Anzeige erstellt. „Hier könnte der Straftatbestand der Urkundenfälschung erfüllt sein, da dieses Dokument zur Täuschung im Rechtsverkehr benutzt wurde. Fraglich ist, wie die Person an dieses Dokument gelangt ist und wer dieses Dokument hergestellt hat“, heißt es in der Strafanzeige, die NIUS vorliegt. Diese ist zwar gegen „Unbekannt“ gestellt, nennt aber „Pro Asyl“ mehrmals im Zusammenhang mit der Einreise der Somalis.
Zwischen dem Asylbegehren am 9. Mai und der Einreise nach Deutschland vergeht schließlich fast ein Monat. Wie die Welt berichtet, stellt der polnische Grenzschutz erst am 5. Juni fest, dass die drei Personen nicht mehr im „Hotel Kaliski“ in Polen aufzufinden seien. Eine Abfrage im deutschen Ausländerzentralregister soll außerdem ergeben haben, dass die Somalis am gleichen Tag beim Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten ein Asylgesuch geäußert hätten. Unklar ist, warum die drei Somalis nicht etwa in der Brandenburger Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt vorstellig wurden, die eigentlich für sie zuständig gewesen wäre.
An der Brücke über die Oder prangt ein Banner, dass Migration stoppen möchte.
„Pro Asyl“ ließ eine Anfrage von NIUS zu den Vorgängen im „Hotel Kaliski“ und dem Einsatz für die Somalis unbeantwortet. Böhlos Anwalt zögerte hingegen nicht, NIUS zu drohen: „Sollten Sie in Ihrer Berichterstattung [...] strafbare Handlungen durch unsere Mandantin wiedergeben, werden wir alle verfügbaren rechtlichen Schritte gegen Sie und Ihr Medium ergreifen“, heißt es von Seiten ihres Rechtsbeistands. Frau Böhlo vertrete als Rechtsanwältin in Asylverfahren Schutzsuchende. „Selbstverständlich hält sie sich dabei an geltendes Recht. Jeder öffentlich geäußerte Zweifel daran stellt eine strafbare Handlung dar.“Nach Informationen von NIUS gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass die Geburtsurkunde der angeblich 16-jährigen Somalierin gefälscht sein könnte. Interessant ist dabei: Jene Geburtsurkunde soll sich erstmals im Schriftsatz befunden haben, der von Böhlo an die Bundespolizei und im Anschluss ans Gericht nach Berlin übermittelt wurde.
„Ihr Geburtsdatum sei falsch erfasst und auch auf ihren Hinweis nicht korrigiert worden“, heißt es schließlich in den Gerichtsakten. „Ihr tatsächliches Geburtsdatum sei der 25. Juli 2008; sie sei damit noch minderjährig.“ Die Echtheit und Genese der Geburtsurkunde dürfte nun Gegenstand von Ermittlungen werden. Im „Hotel Kaliski“ erfuhr NIUS von Zeugen, dass die Aktivisten vor Ort mitunter damit beschäftigt gewesen seien, Kopien und Scans der somalischen Ausweisdokumente anzufertigen. Sie hätten dafür immer wieder einen eigenen Scanner genutzt.
Durch den Beschluss des Verwaltgunsgerichts in Berlin ist die juristische Auseinandersetzung jedenfalls nicht beendet. Ende der vergangenen Woche erhielt das „Hotel Kaliski“ in Słubice Besuch: Nach Informationen von NIUS rückten deutsche Polizisten an, um das Personal zu befragen und Dokumente einzusehen.
Auch bei NIUS: Ein grüner Richter, zwei NGOs und drei Somalis: So lief der Geheimplan der Asyllobby gegen Dobrindts Zurückweisungen