
Auch in seinen Regionalfenstern transportiert das Erste die gewünschten politischen Botschaften. Bei „Hallo Niedersachsen“ schafft man es sogar spielend, „Klimaschutz, Queerfeindlichkeit und Hasskriminalität“ in einem einzigen, unfreiwillig komischen Beitrag unterzubringen. Das hat mit Berichten aus der niedersächsischen Provinz wenig, mit Haltungsjournalismus jedoch sehr viel zu tun.
Hallo, Lena-Sophie, willkommen zum Girl’s Day! Schön, dass du uns in der Redaktion besuchen kommst! Von deiner Mutter weiß ich, dass du später gern mal irgendwas mit Medien machen möchtest, und dann wird das bestimmt interessant für dich. Ja, hier bei uns, bei „Hallo Niedersachsen“, machen wir so regionale Geschichten für den NDR, die machen wir dann gern an konkreten Menschen fest, aber wir wollen natürlich auch die eine oder andere Botschaft transportieren, um die Welt ein bisschen besser zu machen, ne, also wir sind für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Flüchtlingshilfe, Tierwohl und so weiter, und gegen Hass und Hetze, Queerfeindlichkeit, Atomkraftwerke, AfD. Versteht sich ja von selbst.
Einige Mitarbeitende sitzen hier als Drehstuhlpiloten in der Redaktion, und die Wühler suchen in der Provinz Geschichten, also wenn in Vechta ‘ne Kuh kalbt, irgendwo ein AKW-Lobby-Sticker am Windrad klebt oder Wut-Bauern unseren Wirtschaftsminister am Fähranleger in Schlüttsiel lynchen wollen. So, jetzt zeig‘ ich dir mal, was wir so in eine Sendung packen. Hier haben wir zum Beispiel die Sendung vom 13. Januar.
Da fangen wir an mit dem sächsischen Landtagsabgeordneten Nam Duy Nguyen. Den soll ein niedersächsischer Polizist bei den Protesten gegen den AfD-Parteitag in Riesa bewusstlos geschlagen haben. Also der Politiker von der Partei Die Linke hat da mitten im Antifa-Pulk gesteckt und versucht, diesen Parteitag zu verhindern. Die Parteien müssen zwar Parteitage veranstalten, streng genommen ist das also ungesetzlich, was er da macht, aber das können wir ja nicht alles erzählen, dann würde der Beitrag viel zu lang, und außerdem will der junge Mann ja auch was Gutes, schreibt er ja auch selbst: „Wir haben sie AfD 2 Stunden lang in Riesa nicht reingelassen. Gemeinsam können wir den drohenden Faschismus in unserem Land verhindern“ et cetera.
Mit der Antifa unterwegs, um einen gesetzlich vorgesehenen Parteitag verhindern – aber Opfer.
Jetzt sagt er aber, dass er Opfer von Polizeigewalt geworden ist. Er ist als Parlamentarischer Beobachter dagewesen, was es, streng genommen, auch nicht gibt, aber, na ja, die knappe Zeit, wir können über alles reden, aber nicht über 1:30 Minuten. Wichtig ist, dass bei den Leuten der Zweifel gesät ist an den Methoden der Polizei, von wegen Verhältnismäßigkeit und Professionalität. Jemand, der gegen den Faschismus kämpft, der ist einem doch im Zweifel sympathischer als Bullen, die den AfD-Parteitag schützen, oder?
So, jetzt Beitrag Nr. 2, nochmal Thema Rechtspopulisten, das kann man gar nicht oft genug bringen. Höcke muss auch noch rein mit seinem „Denkmal der Schande“, weil die Weidel von „Windmühlen der Schande“ gesprochen hat. Wir sagen „lauthals gewettert“, das macht sie noch unsympathischer. Dann noch ein Sprecher vom Energieversorgungsunternehmen EWE, der erklärt, dass die nur populistische Sprüche raushaut, typisch für Leute, die menschengemachten Klimawandel abstreiten. Ganz zum Schluss noch der Satz, dass die AfD Niedersachsen erklärt hat, die Partei plane keinen Abriss bereits gebauter Räder. Wir sind ja neutral und berichten ausgewogen, lassen alle irgendwie zu Wort kommen.
Noch stehen die „Windmühlen der Schande“...
Im nächsten Beitrag geht es um Ermittlungen gegen einen Staatsanwalt, der sollte gegen Drogendealer ermitteln, hat aber wohl mit denen gemeinsame Sache gemacht. Jetzt gab’s ‘ne Razzia in einer IT-Firma, über die wohl Informationen an eine Kokainschmugglerbande geflossen sein sollen. Die CDU-Opposition spricht von einem „Justizskandal“.
Jetzt wird’s wieder Zeit, für die richtige Sache zu werben. Wahrscheinlich weiß kein Mensch, was der „Niedersächsische Weg“ sein soll, aber das war ein Bündnis aus Landwirtschaft, Umweltverbänden und Politik, bis 2025 sollten 10 Prozent der Flächen ökologisch bewirtschaftet werden, aber daraus wurde bisher nichts, das prangern wir an. Dazu haben wir den Bio-Milchbauern André Mahlstedt mit glücklichen Kühen aufgetrieben. Und eine Dame vom BUND, die auch sagt, dass da jetzt endlich was passieren muss und dass man mehr Bio-Fleisch und -Gemüse in Kantinen, Schulen und Kitas anbieten muss. Öko-Anbau ist gut, wird auch vom Land und der EU bezuschusst, also von Steuergeld, aber das lassen wir mal weg. Zum Schluss der Appell, mehr Bio-Waren zu kaufen, die Moderatorin sagt: „Wir alle sind also gefragt!“ Unterhaken und für die gute Sache kämpfen!
Frisst Öko-Futter, hat mehr Platz im Stall und mehr Zeit auf der Weide: die Bio-Kuh.Nach dem Nachrichtenüberblick kommen wir zum dicksten Brett. Das ist der längste Beitrag, und gleich danach schieben wir noch einen zum Thema hinterher. Also, das ist ein Meisterstück, weil da alles drin ist, alle Themen, die die Menschen oder jedenfalls uns in der Redaktion bewegen: Klima, Queerfeindlichkeit, Hass & Hetze im Netz. Wir haben auch noch einen Migranten gesucht, der ein Portemonnaie mit 1000 Euro gefunden und brav bei der Polizei abgegeben hat, aber das ist schon so oft vorgekommen, da fangen wir uns wieder Lügenpresse-Vorwürfe ein. Hass & Hetze!
„Die 19-jährige Studentin Jana“ berichtet von Hass & Hetze.
Hier haben wir einen jungen Mann aus Oldenburg mit großen Ohrringen, die Jana Pasewalck aus Oldenburg. Jana kämpft fürs Klima und hat „so viel Hass bekommen für gute Absichten und die Welt zu einem besseren Ort machen zu wollen“. Das macht ihn traurig und auch ein bisschen wütend. Weil er sich in einem Video, einen Rock tragend, aus dem Klimacamp meldete, um aufzuklären und zum friedlichen Protest aufzurufen. Unter den Kommentaren standen dann ganz schlimme Sachen wie „Baaah was is das den“ und „Ab in die Anstalt mit dem Vieh. Da hat ja jedes Rind mehr Verstand“, also Hass & Hetze übelster Sorte. Sogar „Tötet es“, das ist ganz klar eine Morddrohung, das Arschgeweih des Aktivisten, ohne kriegst du heute ja auch gar keine Aufmerksamkeit.
„Baaah was is das den“: Schockierendes Beispiel für Hasskriminalität.
„Die 19-jährige Studentin“ hat also Angst bekommen. „Alleine draußen unterwegs zu sein war auch Monate später noch schwierig für Jana“, lassen wir die Sprecherin aus dem Off sagen. So, und jetzt kommt die Expertin, es gibt da wie Sand am Meer so NGOs, kennst du sicher, die hier kommt von HateAid. Die kämpfen gegen Hass und „digitale Gewalt“, also da kannst du jemanden verpetzen, der irgendwas sagt, was dir nicht passt, vorausgesetzt es passt ins Muster, HateAid wird nämlich von der Regierung bezahlt. Wir stellen sie als „gemeinnützige Organisation“ vor, die „sich für Menschenrechte im Netz einsetzt“. Die Judith Strieder von HateAid lassen wir sagen, dass es gefährlich wird, wenn „die digitale Gewalt ins Analoge umschlägt“.
Dann haben wir auch noch einen Staatsanwalt von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet, die haben zuletzt 5300 Fälle gesammelt und davon jeden fünften zur Anzeige gebracht. Das sind dann so drei pro Tag, also mehr oder weniger hässliche Äußerungen im Internet, und wir wissen auch nicht oder sagen nicht, wie viele davon tatsächlich strafbar waren, aber 5300 hört sich doch schon mal ganz beeindruckend an, findest du nicht? Wichtig ist, dass der Staatsanwalt schon mal die Folterwerkzeuge zeigt: Es spreche sich herum, „dass Hass und Hetze verfolgt werden“, und dann müsste man generalpräventiv denken: „Oh, ich denke lieber dreimal darüber nach, bevor ich so etwas schreibe, sonst steht die Polizei vor der Tür und durchsucht und nimmt meine Geräte weg und ich werde auch noch eine Strafe zahlen müssen.“
Jana hat auch schon Anzeigen erstattet, und fürs Klima kämpft sie auch weiter, und vielleicht bleibt daneben noch ein bisschen Zeit fürs Studium, aber das ist ja nicht so wichtig wie die Weltrettung. Jana kann immer noch für die Grünen in den Bundestag.
Das Studium kann warten – Jana muss schlimme Kommentare zu seinem Video lesen.
So, und was ist das Thema neben Hass & Hetze? Bingo: Fakenews! Wie man die erkennt, das kriegen Schüler ja von „logo“ und „klicksafe“ erklärt, aber unsere Sendung richtet sich ja nun mal an ältere Herrschaften, solche, die eher selten im Internet unterwegs sind und „Hallo Niedersachsen“ vielleicht nur gucken, weil die Batterie in der Fernbedienung leer ist und sie es nicht zum Fernseher schaffen, um am Gerät umzuschalten. Die können jetzt lernen, wie man Lügen im Internet erkennt. Und zwar in der Gemeindebücherei in Seevetal.
Da steht jetzt für einige Wochen ein mobiles Aktionszentrum, an vier Stationen können Boomer und ihre Eltern ihre Medienkompetenz testen und ihr eigenes Nutzungsverhalten hinterfragen. Jetzt, wo Meta die Faktenchecker abschafft, ist es umso wichtiger, dass man sich digitale Nachrichtenkompetenz aneignet. Man gibt aber bewusst keine Anleitung mit auf den Weg, welche Medien konsumiert werden sollten. Die mobile Lernstation ist von der Zeit Stiftung Bucerius, aber das nur nebenbei. Am sichersten ist natürlich, ausschließlich „Hallo Niedersachsen“ und Tagesschau zu gucken, hehe. Musst du deinen Großaltern unbedingt sagen.
Zum Schluss lassen wir es noch ein bisschen menscheln, wir stellen ja immer gern Menschen aus der Region vor, die sich für das Allgemeinwohl engagieren. In der Rubrik „Neu. Anders. Machen.“ berichten wir über Ehrenamtliche, die in Wallenhorst eine Nachbarschaftshilfe ins Leben gerufen haben. „Glücksbringer“ aus der Nachbarschaft helfen Familien in Not, mit Geld oder Sachspenden, wenn sie Hinweise auf Armutsbetroffene erhalten. „Ca. jeder fünfte Deutsche ist von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht, besonders häufig betroffen: Kinder von Alleinerziehenden“. Hier hätten wir eigentlich zwingend Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband zu Wort kommen lassen müssen, aber der war wohl krank oder hat seine Koteletten richten lassen, keine Ahnung.
Ganz zum Schluss noch das „Thema der Woche“. Annemarie und Walter (94 bzw. 93 Jahre alt) leben in einem Dorf in Friesland, sind schon 74 Jahre zusammen und haben „gemeinsame Rituale wie den täglichen Abwasch“, na ja. Muss auch sein, so was, Hauptsache die eigentliche Arbeit ist erledigt, Klima ist abgehakt, Kampf gegen rechts, Öko-Fraß, Queerfeindlichkeit, Hass & Hetze im Internet. Geht nix über die Haltung!
Morgen machen wir übrigens einen spektakulären Beitrag über den Meeresspiegelanstieg: drei Meter an der deutschen Nordseeküste! Und gleich danach noch einen kritischen Bericht über Gezeitenleugner.
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