Putins leerer Sieg

vor 3 Tagen

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Bildquelle: Apollo News

US-Präsident Donald Trump behauptet, einen Friedensdeal mit Russland ausgehandelt zu haben – Details nannte er keine; entsprechende Stellungnahmen über einen möglichen Deal bleiben bislang vonseiten Russlands und der Ukraine aus. Offenbar, so berichten US-Medien übereinstimmend, sollen klare US-Sicherheitsgarantien für die Ukraine zunächst nicht benannt werden. Angesichts dessen zeichnet sich mindestens eine baldige Unterbrechung und, wenn es nach Trump geht, ein baldiges Ende des Ukraine-Kriegs ab.

Russland soll US-Medienberichten zufolge für diesen Frieden einiges bekommen: Die Krim soll durch die USA als russisches Territorium anerkannt werden – eine Anerkennung durch die Ukraine wird ausbleiben. Die weiteren besetzten ukrainischen Gebiete sollen auch zukünftig in der Hand Russlands bleiben.

Aus heutiger Sicht könnte das wie ein Triumph Putins erscheinen – in der Welt spricht man etwa von einem „Kapitulationsplan für die Ukraine“. Mathias Döpfner kommentiert unterdessen in der Bild: „Wenn Putin damit durchkommt und zusätzlich noch ein paar andere Gebiete der Ukraine kontrolliert und die Ukraine nicht in die Nato kommt, hat er alles und mehr erreicht, als er je erträumte.“

Das ist allerdings die kurzfristige Perspektive. Betrachtet man die mittlerweile drei Jahre, die dieser Krieg geht, kann man so ein Ergebnis nicht wirklich als einen Triumph für Russland deuten. Als russische Truppen in den Morgenstunden des 24. Februar 2022 in die Ukraine einfielen, stießen sie nicht in erster Linie im heutigen Gebiet der größten Kriegsanstrengungen, dem Donbass, vor, sondern direkt in Richtung Kiew. Das klar ersichtliche Ziel war es, die ukrainische Hauptstadt einzunehmen und dort mindestens eine Marionettenregierung zu installieren – in einem schnellen Schlag die ukrainische Armee insgesamt außer Gefecht zu setzen und den Krieg in kürzester Zeit zu beenden.

Ein solcher Ausgang schien auch insbesondere westlichen Beobachtern, sogar westlichen Geheimdiensten, als sehr wahrscheinlich. Die ukrainische Armee galt als schwach, die Kampfmoral unklar, das Staatswesen von Korruption unterminiert, die Bevölkerung seit 2014 desillusioniert und abgekämpft. Russland war der Ukraine in jeder Frage bei weitem überlegen: Die russische Armee besaß 2024 1,3 Millionen aktive Soldaten und zwei Millionen Reservisten. Das BIP pro Kopf von Russland war mehr als doppelt so hoch wie das der Ukraine – bei einer fast viermal so hohen Bevölkerung. Die ukrainische Armee war in ihrer Breite wenig kampferfahren, während Russland über die Arsenale der Sowjetunion verfügte, mit neuester Militärtechnik prahlte und das größte Atomwaffenarsenal der Welt unterhielt. Das Ganze schien mehr als ein ungleicher Kampf.

Doch nach drei Jahren Krieg hat Russland wenig erreicht: Außer den unmittelbar in den Kriegswirren zu Anfang eroberten Gebieten gelang der russischen Armee kein erheblicher Geländegewinn. Im gesamten Jahr 2024 eroberte Russland nur rund 4.000 Quadratkilometer Fläche in der Ukraine – rund 0,66 Prozent des Gesamtterritoriums der Ukraine.

Die eroberten Gebiete bestehen zum großen Teil aus Feldern und kleinsten Dörfern. Die letzte Stadt mit einer Vorkriegs-Einwohnerzahl von über 100.000 Menschen war das eingekreiste Mariupol – das nach fast dreimonatiger Belagerung und ukrainischen Angaben zufolge rund 6.000 toten russischen Soldaten im Mai 2022 in die Hände Russlands fiel. Die Front steht seit zweieinhalb Jahren an vielen Stellen größtenteils still.

Dabei kann in keiner Weise von einer Zurückhaltung russischer Ressourcen gesprochen werden – im Gegenteil: Russland warf in hohem Maße alle verfügbaren personellen und industriellen Kapazitäten in die Waagschale. Hunderttausende Reservisten wurden innerhalb der letzten Jahre aktiviert. Derzeit kämpfen allein in der Ostukraine ca. 600.000 russische Soldaten gleichzeitig. Bis heute verschießt die russische Armee zwischen 5.000 und 10.000 Stück Artilleriemunition pro Tag – zu Spitzenzeiten im Jahr 2023 waren es sogar 60.000 Stück pro Tag. Das sind Zahlen, die in ihrer Dimension teils das Niveau des Zweiten Weltkriegs erreicht haben.

Seit 2023 hat Russland 1.600 Panzer verloren, mehr als das Fünffache der Menge aller Kampfpanzer im derzeitigen Bestand der Bundeswehr. Um diese Mengen an Ressourcen aufzubringen, musste Russland sie auch an anderen Flanken abziehen – u.a. in Kasachstan. Der Sturz von Assads Regime in Syrien ist auch darauf zurückzuführen, dass Russland neben der Ukraine nicht mehr in der Lage war, wie in der Vergangenheit zugunsten von Damaskus zu intervenieren. Hier verlor Putin einen seiner entscheidendsten geopolitischen Einflussfaktoren.

Russland hat es innerhalb der vergangenen drei Jahre nicht geschafft, überhaupt irgendwelche nennenswerten Geländegewinne gegen einen schwächeren Gegner zu erzielen – und das unter einer erheblichen Zahl an Opfern: Internationalen Schätzungen zufolge wurden allein im vergangenen Jahr rund 420.000 russische Soldaten getötet oder verwundet. Der Überfall auf die Ukraine ist in einen blutigen Stellungskrieg mit sinnlosen Toten auf beiden Seiten ausgeartet. Nach drei Jahren Krieg kann niemand glauben, dieses Ergebnis wäre im Sinne russischer militärischer Zielsetzungen zufriedenstellend.

Auch wirtschaftlich zahlte die russische Gesellschaft dafür einen enormen Preis: 2014, also erst vor rund zehn Jahren, lagen Polen und Russland im BIP pro Kopf noch fast gleichauf. Mittlerweile hat Polen Russland in dieser Metrik deklassiert: Polen besaß 2024 mit 24.810 US-Dollar ein fast doppelt so hohes BIP pro Kopf wie Russland (14.795 US-Dollar).

Unterdessen ist der Export von Öl und Gas nach Europa als wichtige Einnahmequelle weggefallen. Russland hat infolge der Invasion auf eine rigorose und insofern durchaus erfolgreiche Kriegswirtschaft umgestellt: Große Teile der russischen Industrie sind auf Rüstungsproduktion konzentriert – finanziert wird das durch ausufernde Staatsausgaben. Das hat jedoch auch zu einer hohen Inflation geführt – nach einer ersten Teuerungswelle infolge des Überfalls Anfang 2022 wurde die Inflation in diesem Februar erneut zweistellig und hat mittlerweile 10,3 Prozent erreicht.

Angesichts dessen stellt sich ernsthaft die Frage: Was passiert, wenn der Krieg plötzlich beendet ist und die russische Wirtschaft sich wieder umstellen muss? Hunderttausende junge Menschen haben, oft aus Angst, in die Armee eingezogen zu werden, das Land Richtung Georgien oder EU verlassen. Zusätzlich wird der Wiederaufbau der besetzten Gebiete Unsummen an Geld kosten.

Eine wesentliche geopolitische Konsequenz dieses Krieges ist Russlands erheblich gestiegene Abhängigkeit gegenüber China. Dass das Land bislang fast das Vorkriegsniveau an Energieexporten halten konnte, lag auch daran, dass man vergünstigt in die Volksrepublik exportieren durfte. Peking versorgt Moskau im Gegenzug mit High-Tech-Gütern, für die das Know-how in Russland nicht vorhanden ist. Russlands Status als eine globale Supermacht geht insbesondere hier verloren – immer stärker steht man im Schatten und unter dem faktischen Einfluss von China.

Russland hat der Welt die Grenzen seiner Stärke sehr klar bewiesen – und gezeigt, dass es auf globaler Ebene nicht mehr in einer Liga mit China und den USA spielt; den Status und den Mythos einer Supermacht hat man nur noch in einer einzigen Kategorie: der der Nukleararsenale.

All das muss man bedenken, wenn man über Trumps Friedensplan spricht. Die Chance für Frieden ist angesichts der Kräfteverhältnisse durchaus da. Die Sorge, dass Russland weitere Teile Europas angreifen könnte, erscheint zumindest für stärkere Länder wie etwa Polen nicht realistisch. Putin hat derweil in der Ukraine nur die Perspektive, sich in einen weiteren unfassbar kostspieligen Stellungskrieg zu verwickeln, ohne ernsthafte strategische Siege. Das gefährlichste Terrain wäre dann allein das Baltikum, das im Wesentlichen durch Beistandsgarantien gesichert wird, aber selbst gegen Russland keine ernstzunehmenden Bodentruppen stellen kann.

Insgesamt wäre mit einem Waffenstillstand entlang der Frontlinie das Ergebnis dieses Krieges ein Patt und eine eindeutige Begrenzung russischer Aggressionsmöglichkeiten – und insofern durchaus die Basis für Frieden. Entscheidend dafür dürfte die bislang von Trump offengelassene Frage der Sicherheitsgarantien sein.

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