Putsch gegen Scholz: G20 war sein Schicksal

vor 5 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Olaf Scholz (SPD) hat kein Glück mit den Gipfeln. Der chaotische G20-Gipfel in Hamburg 2017, den er als Erster Bürgermeister zu verantworten hatte, hat ihn fast seinen Job gekostet, der G20-Gipfel im brasilianischen Rio de Janeiro dürfte das politische Schicksal des Kanzlers besiegeln.

Während daheim die Debatte um seine Spitzenkandidatur längst kein Zündeln einzelner Rebellen mehr ist, sondern zu einem Flächenbrand des Misstrauens geworden ist, muss Scholz knapp 10.000 Kilometer und vier Zeitzonen entfernt um seine Zukunft ringen. Ein nahezu aussichtsloser Kampf gegen die Zeit und seine Parteifreunde in Berlin. Nichts motiviert Putschisten so sehr, wie die Abwesenheit des Chefs. G20 wird zum Schicksal für Scholz!

Am Rande des G20-Gipfels: Scholz wirkt angespannt – liegt es an den Nachrichten aus Deutschland?

Während sich in Hamburg im Sommer 2017 die Polizei aus allen Teilen Deutschlands und einigen Nachbarländern brutale Schlachten mit militanten Gewalttätern lieferte, sprach ein sichtlich ermatteter Scholz in der Elbphilharmonie ein Dokument seiner Hilflosigkeit in eine Videokamera. „Ich bin bedrückt über die Zerstörungen, die stattgefunden haben“, sagt er schwitzend in einem Gang, der wirkt wie ein Bunker des Rückzugs. Die Polizei sei in einem „heldenhaften Einsatz unterwegs“, so Scholz. Er richte einen „Appell an die Gewalttäter“, das weltoffene Hamburg nicht zu beschädigen, während draußen die Einsatzkräfte wie nach einem Kriegseinsatz völlig erledigt in den Straßen lagen und versorgt werden mussten. Wer dabei war, wird diese Szenen nie vergessen.

Jetzt also Rio: Scholz kämpft an mehreren Fronten, bleibt bei seinem Nein zur Lieferung des Marschflugkörpers „Taurus“ an die Ukraine, trifft Chinas mächtigen Präsidenten Xi Jinping, der mit einem Kanzler auf Abruf eher aus Höflichkeit spricht, denn aus ehrlichem Interesse. Auf dieser Ebene zählt ausschließlich Macht als Gesprächsbasis. Regierungschefs sind detailliert informiert über die innenpolitischen Probleme ihres Gegenübers. Schon kleine gesundheitliche Probleme, die zu Hause vermeldet werden, können zum protokollarischen Machtfaktor werden, wenn sich ein Gesprächspartner bei der Begrüßung nach dem Befinden erkundigt. Du bist angeschlagen, soll das heißen.

Scholz mit Ehefrau Britta Ernst am Sonntag bei der Ankunft in Brasilien

Doch zwischen den großen Sitzungen mit den Regierungschefs und bilateralen Treffen muss Scholz das parteiinterne Feuer daheim austreten, hat wenig Zeit zum Telefonieren und weiß, dass er sich auf seine Parteispitze nur bedingt verlassen kann. Ex-SPD-Chef Franz Müntefering hatte am Wochenende angefangen, die Kanzlerkandidatur von Scholz diplomatisch, aber doch deutlich infrage zu stellen (NIUS berichtete), mehrere Bundestagsabgeordnete legten am Montag nach. Jetzt wagt sich auch die einflussreiche Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, Verena Hubertz, aus dem mitgliederstarken Landesverband Nordrhein-Westfalen in der Rheinischen Post zu Wort und ruft ihre Partei auf, mit dem stärksten Kanzlerkandidaten in die nächste Bundestagswahl zu gehen. Ein Spruch, der nur Sinn ergibt, wenn man den stärksten Bewerber mit dem designierten Kandidaten Scholz nicht hat.

Hubertz: „Eine Mannschaft muss sich am Kapitän nach oben ziehen können. Deswegen finde ich es wichtig, dass der stärkste Spieler die Binde trägt.“ Hubertz ergänzte: „Olaf Scholz hat uns als Kanzler besonnen geführt. In der letzten Wahl hat er gezeigt, dass er auch in schwierigen Situationen gewinnen kann.“ Für die kommende Wahl liege die Entscheidung „bei den Parteigremien und ich wünsche mir eine zügige und geschlossene Klarheit und warne vor einer öffentlichen Personaldiskussion.“ Gewählte Worte, die Scholz in Rio sofort zugereicht bekommt und die er als das versteht, was sie sind: keine Rückendeckung für ihn.

Während Scholz beim G20-Gipfel Staatschefs – hier Xi Jinping, Staatspräsident der Volksrepublik China – begrüßt, braut sich zuhause in Deutschland ein Sturm gegen ihn zusammen.

Doch der heikelste Teil seiner Reise um die halbe Welt kommt erst noch: der Rückflug. Die eigentlich geplante Reise nach Mexiko hat Scholz schon absagen lassen, will am Mittwochmorgen wieder die Kabinettsitzung seiner Rest-Koalition leiten. Doch zwölf Stunden in der Luft sind zwölf Stunden freie Hand für die Gegenspieler in den eigenen Reihen. Die mitreisenden Journalisten werden ihn im Flieger löchern, wie er mit den Putschisten in den eigenen Reihen umgeht. Das ist mehr als unangenehm. Wenn er den traditionellen Hintergrund mit der Presse nicht absagt, muss er Durchhalteparolen verbreiten, sich kämpferisch geben und den Medien eine Fassade seiner Entschlossenheit präsentieren, die schon bei der Landung am Mittwochmorgen längst zusammengebrochen sein kann, wenn sich die SPD-Spitze inzwischen gegen ihn entschieden hat. Jede Andeutung gegenüber den Journalisten im Flieger von Bereitschaft, sich dem Votum der Partei zu beugen, wäre eine klare Botschaft der Schwäche, des Aufgebens. In solchen Situationen gilt in der Politik eine Art Lüge-Pflicht bis zum Schluss. Erst, wenn das Spiel aus ist, ist es wirklich aus.

Die Kommunikation in der Kanzlermaschine ist eingeschränkt, einfache Meldungen und Mails können empfangen werden, Telefonate sind möglich, aber die aufwändige Verschlüsselung macht die Verbindungen zum Lagezentrum im Berliner Kanzleramt langsam. Zudem fliegt Scholz durch die Nacht zurück nach Berlin, was die Erreichbarkeit vieler Parteifreunde einschränkt. Die Nacht ist ein guter Vorwand für Nicht-Erreichbarkeit. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die vermeintlichen Verbündeten sich abzusetzen beginnen.

Bis zum kommenden Montag, heißt es nach NIUS-Informationen in der SPD-Bundestagsfraktion, müsse eine Entscheidung über die Spitzenkandidatur getroffen werden. Die das sagen, meinen in der Regel nicht die bereits bestehende Entscheidungslage. Scholz einziger Rivale, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, kann derweil gelassen und in aller (gespielter) Unschuld abwarten und muss sich am Putsch nicht beteiligen. Das erledigen andere.

Der Countdown läuft. Für Pistorius, gegen Scholz. Olaf Scholz hat einfach kein Glück mit G20-Gipfeln.

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