„Querdenken“-Chef Ballweg von Betrugsvorwurf freigesprochen

vor etwa 21 Stunden

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Bildquelle: NiUS

Der Prozess gegen „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg ist mit einem teilweisen Freispruch zu Ende gegangen. Das Landgericht Stuttgart sprach ihn vom Vorwurf des Betrugs frei und sprach ihn zugleich wegen Steuerhinterziehung schuldig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Ballweg musste sich seit Herbst 2024 vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, über öffentliche Spendenaufrufe mehr als eine Million Euro für „Querdenken“ eingeworben und dabei die Unterstützer über die tatsächliche Verwendung der Gelder in die Irre geführt zu haben.

Bei seiner Ankunft vor dem Prozess begrüßte Ballweg seine engen Weggefährten Kayvan Soufi-Siavash und Anselm Lenz.

Mehr als eine halbe Million Euro soll er demnach für private Zwecke verwendet haben. Belegt sind laut Akten Ausgaben für „Querdenken“ in Höhe von 843.111,68 Euro für die Bewegung.

Ballwegs Verteidiger wiesen die Anschuldigungen von Beginn an entschieden zurück. Der Unternehmer selbst erklärte, er habe mit seiner Initiative sogar rund 80.000 Euro Verlust gemacht. Bereits im Frühjahr hatte das Gericht eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit vorgeschlagen. Die Richter verwiesen darauf, dass man Ballweg keinen Vorsatz nachweisen könne. Die Staatsanwaltschaft lehnte den Vorschlag jedoch ab. In ihrem Plädoyer in der vergangenen Woche forderte die Anklage eine dreijährige Freiheitsstrafe sowie die Einziehung von über einer halben Million Euro – jenem Betrag, den Ballweg laut Anklage zweckwidrig verwendet haben soll. Die Verteidiger plädierten hingegen auf Freispruch und beantragten zudem eine Entschädigung für Ballwegs Zeit im Gefängnis.

Vor dem Prozess am Donnerstag zeigte sich Ballweg im Gespräch mit NIUS entspannt, sagte: „Ich bin sehr in meiner Mitte, ich freue mich auf das, was passiert, egal wie es ausgeht, es wird so oder so gut sein.“ Insbesondere was die Corona-Aufarbeitung betreffe, sei der Tag wichtig: „Es ist ein großer Tag, ich glaube, es ist ein Signal, das durch die ganze Republik gehen wird“, so Ballweg.

Hier sehen Sie das ganze NIUS-Interview vor der Urteilsverkündung:

Auch auf X postete Ballweg vor der Urteilsverkündung ein fröhliches Bild von sich mit den Worten: „Einmal Rebell, immer Rebell“.

Michael Ballweg saß 280 Tage in Untersuchungshaft in Stuttgart-Stammheim, kam im April 2023 frei. Dem Querdenken-Gründer, der in der Pandemie Tausende Menschen gegen die Corona-Maßnahmen mobilisierte, wurden Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung im großen Stil vorgeworfen. Ende März 2023 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Landgericht Stuttgart, die Ende 2023 in großen Teilen abgewiesen wurde. In Stammheim saß Ballweg in einer Einzelzelle ohne Handy und Internet. Zum zweiten Haftverkündungstermin wurde er dem Richter in Handschellen vorgeführt und am Tisch festgebunden wie ein Mordverdächtiger.

Der renommierte Hamburger Rechtsanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel sagte zu NIUS: „Nichts spricht dafür, dass in Sachen Ballweg rechtsstaatliche Grundsätze eine Rolle gespielt haben. Es war ein politisches Verfahren, eine unbequeme Stimme wurde für neun Monate einfach weggeschlossen. Die Frage nach der strafrechtlichen Aufarbeitung mit Blick auf die Ermittler stellt sich jetzt mit großer Dringlichkeit. Die mit bis zu zehn Jahren Haft bedrohte strafbare Verfolgung Unschuldiger ist geradezu greifbar.“

Wegen der laufenden Ermittlungen saß Ballweg ab Juni 2022 mehrere Monate in Untersuchungshaft. Die Justiz hatte dies mit Fluchtgefahr begründet. Unterstützer versammelten sich regelmäßig vor der Haftanstalt, um seine Freilassung zu fordern. Im April 2023 kam Ballweg auf freien Fuß.

Ballweg war während der Corona-Pandemie zu einer zentralen Figur der regierungskritischen Proteste geworden. Die von ihm gegründete „Querdenken“-Bewegung formierte sich 2020 in Stuttgart als Reaktion auf die staatlichen Schutzmaßnahmen.

Ballweg während des Prozesses im Februar 2025

Ballwegs Anwälte weisen alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seit Beginn des Verfahrens scharf zurück. Sie plädieren auf Freispruch und Haftentschädigung für den 50-jährigen Unternehmer. Der Angeklagte selbst betont, dass er in den Jahren 2020 und 2021 in Verbindung mit Querdenken 80.000 Euro Verlust gemacht habe.

Die Vorsitzende Richterin ließ seit Monaten durchblicken, dass sie die Sache ganz anders einschätzt als die Staatsanwaltschaft. Bereits im Frühjahr hatte das Landgericht eine Einstellung des Verfahrens vorgeschlagen – wegen Geringfügigkeit. Ungereimtheiten, die die Staatsanwaltschaft anprangerte, hatten sich während der Beweisaufnahme immer wieder als plausibel herausgestellt, sodass die Anklage schon früh in sich zusammen fiel. Die Richter argumentierten, dass man Ballweg schlicht keinen Vorsatz nachweisen könne.

Der Angeklagte mit seinen Anwälten

Auf den Querdenken-Demonstrationen, wie hier im November 2020, kam es auch zu Polizeigewalt.

In die Aufarbeitung der Steuer- und Betrugsvorwürfe mischt sich der politische Hintergrund. Es geht in dem Verfahren immer wieder auch um die schwierigen Jahre der Corona-Pandemie und die Frage, wie weit der Staat in Krisenzeiten in Bürgerrechte eingreifen darf. Ballweg sieht sich als politisch Verfolgter mit einer unbequemen Meinung, als Opfer der Justiz. Die Staatsanwaltschaft wirft seinen Verteidigern vor, Verschwörungstheorien zu verbreiten und Zweifel zu säen an der Legitimität des Verfahrens. Die Fronten in dem Verfahren sind nach 43 Verhandlungstagen verhärtet.

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