
Portugal will sich in eine Niedrigsteueroase für junge Leute verwandeln. Mit einem ehrgeizigen, auf zehn Jahre angelegten Steuersenkungsprogramm will die Mitte-Rechts-Regierung die Abwanderung hochqualifizierter junger Menschen stoppen.
In den letzten 15 Jahren haben 361.000 Portugiesen im Alter von 15 bis 35 Jahren das Land verlassen, das sind zwei Drittel aller Auswanderer in diesem Zeitraum. Ein alarmierender Trend, dem die Regierung nun entschieden entgegenwirken will.
So wunderschön kann Portugal (hier: Porto) sein – und doch wanderten in junger Vergangenheit viele junge Menschen aus.
Der neue Plan sieht vor, junge Berufseinsteiger im ersten Jahr ihres Berufslebens komplett von der Einkommensteuer zu befreien. In den Folgejahren sinkt die Steuerlast schrittweise: In den Jahren zwei bis vier werden 75 Prozent der Steuerschuld erlassen, in den Jahren fünf bis sieben 50 Prozent und in den Jahren acht bis zehn noch 25 Prozent. Diese Steuererleichterungen sollen nicht nur für portugiesische Staatsbürger gelten, sondern auch für ausländische Arbeitnehmer, die nach Portugal ziehen.
Der portugiesische Premierminister, Luís Montenegro, hier vor der UN, will junge Leute von der Steuerlast befreien.
Premierminister Luís Montenegro betont, dass diese Maßnahme entscheidend sei, um junge Talente im Land zu halten. „Unser Ziel ist es, die Abwanderung zu stoppen und dafür zu sorgen, dass nicht nur junge Portugiesen in Portugal bleiben, sondern auch diejenigen, die bereits ausgewandert sind, zurückkehren“, betonte Montenegro. Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – hohe Steuern, niedrige Löhne und überhöhte Wohnkosten – erhoffen sich viele von dem Steueranreiz eine Trendwende.
Portugal ist eines der ärmsten Länder Westeuropas und die Abgabenlast für Arbeitnehmer ist vergleichsweise hoch. Die Einkommensteuersätze liegen auf dem portugiesischen Festland je nach zu versteuerndem Einkommen zwischen 11,5 Prozent und 46,5 Prozent.
Auf Einkommen über 153.300 Euro wird zusätzlich eine Steuer von 2,5 Prozent erhoben. Besonders belastend ist die Steuerlast für junge Berufseinsteiger, die oft mit relativ niedrigen Löhnen und hohen Lebenshaltungskosten konfrontiert sind.
Ein portugiesischer Durchschnittsverdiener mit einem Jahreseinkommen von 20.000 Euro zahlt 26 Prozent Steuern. Wer zwischen 21.321 und 27.146 Euro verdient, kommt auf einen Steuersatz von 32,75 Prozent.
Trotz der Dringlichkeit gibt es Zweifel, ob die Steuersenkungen den gewünschten Effekt haben werden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) äußerte sich skeptisch und warnte, dass die Auswirkungen von altersbedingten Steuererleichterungen auf die Auswanderung „unsicher“ seien. Zudem belasten die geplanten Steuersenkungen den portugiesischen Haushalt erheblich – die Regierung schätzt, dass die Maßnahmen den Staat rund 650 Millionen Euro pro Jahr kosten werden.
Auch die politische Unterstützung für das Vorhaben ist ungewiss. Premierminister Luís Montenegro führt eine fragile Minderheitsregierung, und es ist unklar, ob er genügend Stimmen im Parlament zusammenbekommt, um den Haushalt für 2025 durchzubringen, in dem der Plan enthalten ist. Sollte dies nicht gelingen, könnte die Regierung ins Wanken geraten.
Mit der Unterstützung der rechtsgerichteten Chega-Partei, deren Vorsitzender André Ventura Steuersenkungen für junge Menschen befürwortet, könnte Montenegro seinen Plan jedoch durchsetzen.
Ein Café in Lissabon. Hohe Steuern, niedrige Löhne und teure Mieten gehören zu den Hauptgründen, warum so viele junge Portugiesen ins Ausland gehen.
Portugal hat in den letzten Jahren massiv in die Ausbildung junger Menschen investiert, doch die Früchte dieser Investitionen werden oft von anderen Ländern geerntet. Zwischen 2008 und 2023 verließen 361.000 junge Menschen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren das Land – ein massiver Verlust an Talenten und Potenzial.
Hohe Steuern, niedrige Löhne und teure Mieten gehören zu den Hauptgründen, warum so viele junge Portugiesen ins Ausland gehen.
Portugal hat eine lange Geschichte der Auswanderung. Schätzungen zufolge leben etwa 25 Prozent der in Portugal geborenen Menschen im Ausland – der höchste Wert innerhalb der EU. Zwischen 2008 und 2023 war die Abwanderung besonders dramatisch, insbesondere bei jungen Menschen.
Die geplanten Steuersenkungen für junge Menschen in Portugal sind zweifellos ein gewagter Schritt. Die portugiesische Regierung steht vor der Herausforderung, die Abwanderung junger Talente zu stoppen und gleichzeitig die Staatsverschuldung abzubauen und in die Infrastruktur zu investieren.
Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die „brain drain“, also die „Wissensabwanderung“ zu stoppen, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass Portugal keine andere Wahl hat, als innovativ zu sein, um diesen langjährigen Trend umzukehren.
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