
„Wir müssen den Klimaschutz weltweit voranbringen. Jede eingesparte Tonne CO2 zählt“, rechtfertigte die damalige Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) im Januar 2024 im Morgenmagazin die 315 Millionen Euro, die Deutschland an Peru für Radwege und Busse vergab. Ein deutscher Reise-Influencer hat sich nun vor Ort angesehen, wie rege die Fahrradwege in Benutzung sind – mit ernüchterndem Ergebnis.
„Ich bin zu den von deutschen Steuerzahlern finanzierten Fahrradwegen nach Peru gefahren, um zu schauen, wie viele Leute wirklich darauf fahren“, beginnt Reiseblogger Niclas (Handle: echterniclas) seinen Beitrag auf Instagram.
Im Schnitt fuhr alle 4,6 Minuten ein Radfahrer vorbei.
In dem Kurz-Video ist zu sehen, wie Niclas sich in der peruanischen Hauptstadt Lima auf eine Bank neben einem Fahrradweg setzt und wartet. Sein Vorhaben: „Ich hab gedacht, ich setz’ mich einfach mal 20 Minuten auf die Bank und schaue, wie viele Radfahrer vorbeifahren. Denn die deutschen Steuergelder sollen ja am besten nicht verschwendet werden.“ Die Radwege, berichtet er, seien noch gar nicht vollständig gebaut, obwohl sie bereits seit fünf Jahren geplant würden.
Der Reiseblogger berichtet, es habe etwa drei Minuten gedauert, bis der erste Radfahrer vorbeifuhr. Niclas erzählt: „Weitere drei Minuten später kam dann die nächste Frau, die in die gleiche Richtung wollte.“
Niclas sarkastisch: „Die Radwege wurden von Deutschland ja gesponsert, um Peru klimafreundlicher zu machen. Und ganz offensichtlich ist dieser Plan aufgegangen, denn hier war schon Radfahrer Nummer drei und Nummer vier innerhalb von 15 Minuten.“ Dann sei aber eine ganze Weile nichts gekommen, „und die 20 Minuten waren auch schon wieder vorbei“. Der Influencer wollte dann aber zumindest noch bis zur Sichtung eines weiteren Radlers warten: „Nach 23 Minuten kam dann endlich der fünfte.“
Das sarkastische Fazit von Niclas am Ende des Beitrags: „Ich würde sagen, das Geld ist gut investiert, oder?“
Die 315 Millionen Euro für Radwege und Busse in Peru stehen beispielhaft für sinnlose und millionenschwere Entwicklungshilfe-Projekte, die Deutschland in aller Welt finanziert. Dabei hatte das SPD-geführte Bundesentwicklungsministerium (BMZ) das Millionen-Programm noch im März vergangenen Jahres abgestritten. „Eine Sprecherin teilte auf Anfrage von tageschau.de mit: „Das BMZ (Entwicklungsministerium – Anm. d. Red.) kann nicht nachvollziehen, wie die Zahl 315 Millionen Euro zustande kommt. Sie ist aus unserer Sicht nicht richtig“, hieß es damals.
NIUS konnte den Vorgang hingegen erklären und hat die einschlägigen Unterlagen des BMZ vorliegen. In der Ausschussdrucksache 2450 vom 3. November 2022 leitet Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP) die entsprechende Vorlage des Entwicklungsministeriums (liegt NIUS vor) mit der Bitte „um Einwilligung“ an den Haushaltsausschuss weiter. In dem 16-seitigen Papier wird ausführlich die politische Lage in Peru analysiert und erklärt, dass es sich auch bei häufigen Regierungswechseln um ein demokratisch stabiles System handle. „Das geplante ,Sektorreformprogramm NDC-Umsetzung (dt.: national festgelegte Beiträge – Anm. d. Red.), Stadtentwicklung und urbane Mobilität‘ unterstützt Peru bei der Erarbeitung eines breit angelegten Reformprogramms und bei der Erreichung seiner Klimaziele im Rahmen seiner Nationally Determined Contributions (NDC-Verpflichtungen).“
Auszug Ausschussdrucksache 2450
Wörtlich heißt es in dem Papier über die Radweg-Gelder: „Es handelt sich um eine zweiphasige Sektorbudgetfinanzierung. Die Phasen I und II sollen als Entwicklungskredite i.H.v. insgesamt bis zu 300 Mio. EUR (bzw. Gegenwert in USD) gewährt werden. Hierfür sollen Haushaltsmittel i.H.v. bis zu 15 Mio. EUR zur Zinsverbilligung eingesetzt werden (VE 2022, siehe Tabelle). Das geplante Vorhaben soll bei den deutsch-peruanischen Regierungsverhandlungen im November 2022 zugesagt werden.“
Die Entwicklungshilfe ist demnach aufgeteilt in etwa 300 Millionen Euro Kredit und 15 Millionen Euro Zins-Erlass. Dass die 300 Millionen auch wirklich zurückgezahlt werden, darf allerdings stark angezweifelt werden.
Mehr NIUS: Der große Radweg-Betrug von Peru: Was mit unseren Steuer-Millionen wirklich geschieht