
Der renommierte Schriftsteller Rainald Goetz, der in seinen Werken immer wieder die deutsche Gegenwart literarisch verarbeitet, hat sich am Donnerstag auf Instagram zum Auftritt der Richter-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf bei Markus Lanz geäußert. Die Wahl der Juristin zur Verfassungsrichterin war am vergangenen Freitag am Widerstand der Unions-Abgeordneten gescheitert. Mit folgenden Worten kritisierte Goetz den Auftritt bei Lanz.
„Wie vom Standardfall gescriptete, zugleich spektakuläre Eskalation im Fall von Frau Frauke Brosius-Gersdorf: sie verteidigt sich auf eine Weise, die ihr selbst schadet. Sie greift die Medien an mit einem anwaltlichen Schriftsatz; sie setzt bei Lanz auf ihre Persönlichkeit; und sie bestellt bei Kollegen ein Plagiatsgutachten zu ihrer Entlastung. In allen drei Fällen zeigt sich, daß sie nicht versteht, wie ÖFENTLICHKEIT funktioniert.
Das würde man von einer 54-jährigen renommierten Rechtsgelehrten aber erwarten. Insbesondere ein Wissen davon, daß in der öffentlichen Arena fundamental andere Verfahrensregeln herrschen als vor Gericht und im wissenschaftlichen Diskurs. Zwischen auftrumpfenden Floskeln wie »richtig ist« und »das Gegenteil ist der Fall«, die bei Juristen üblich sind, detaillierte Richtigstellungen öffentlich plausibel machen zu wollen, ist anmaßend, fast dumm, denn das geht nicht.
Ingeborg Bachmann Preis 1983: Der Schriftsteller Rainald Goetz schneidet sich während der Lesung die Stirn auf.
Dann sitzt da bei Lanz als bebendes, hyperkluges, ältliches Kind eine Frau, die offenbar über ihr Ich so wenig weiß, daß sie glauben kann, mit einem solchen AUFTRITT der Öffentlichkeit vorzuführen, wie geeignet sie für das Amt am Verfassungsgericht ist. Aber man sieht übergrell einen Mangel an Selbstreflexion, Selbstrelativierung, alltäglichem Weltverstehen, erstaunlicherweise auch ein Defizit an Erkenntnis der gegenwärtigen Gesellschaft, insgesamt an Reife.
Dieser Mensch ist auf eine Art UNREIF, wie sie bei hochspezialisierten Intellektuellen häufig vorkommt, in der Welt der Kunst komplett normal ist, auch in Spitzenpositionen der Wirtschaft verbreitet, in der Wissenschaft sowieso. Aber in der Justiz, in den Gerichten, ist dieser Typus selten; auch in der Politik. Das könnte die Kandidatin mit etwas mehr Menschenkenntnis verstanden haben, daß sie zuallererst mit ihrem Naturell auf Widerstand stößt, nicht nur mit ihren Positionen. Aber auch daran, zugespitzt gesagt: an Weisheit, fehlt es ihr.
Ein von @rainald.goetz geteilter Beitrag
Ein tolles Spektakel, ein Lehrstück: der offene Prozeß.“