
Bei einer gemeinsamen Aktion deutscher und italienischer Ermittler sind am Dienstagmorgen 34 Personen festgenommen worden. Die Verdächtigen sollen unter anderem Verbindungen zur kalabrischen Mafiaorganisation ’Ndrangheta haben. Die Razzia richtete sich gegen ein mutmaßliches Netzwerk der organisierten Kriminalität, dem unter anderem bandenmäßiger Betrug, versuchter Totschlag und Geldwäsche vorgeworfen wird.
Auch ein 46-jähriger Polizeihauptmeister aus Aalen in Baden-Württemberg befindet sich unter den Beschuldigten. Ihm wird laut Polizei und Staatsanwaltschaft Geheimnisverrat vorgeworfen.
Insgesamt wurden 40 Objekte in Deutschland und Italien durchsucht. In Deutschland waren unter anderem Objekte in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland betroffen. In Baden-Württemberg konzentrierten sich die Maßnahmen laut Staatsanwaltschaft Stuttgart auf Orte im Raum Stuttgart sowie auf Kuppenheim und Mühlacker. Dabei wurden Schusswaffen, Munition, Bargeld, digitale Speichermedien und Geschäftsunterlagen sichergestellt.
Die Beschuldigten sollen sich zwischen April 2020 und Mitte 2022 gegenüber Unternehmen in Italien und Ungarn als Vertreter deutscher Lebensmittelbetriebe ausgegeben haben. Sie bestellten große Mengen an Waren und Maschinen, unter anderem für die Pizzaproduktion, und ließen diese an ein angebliches Lager liefern. Die Rechnungen blieben unbezahlt. Die Waren seien an Gastronomen in Deutschland weiterverkauft worden, die sich laut Ermittlern des Hintergrunds bewusst gewesen seien. Den Gesamtschaden beziffern die Behörden auf mehrere Hunderttausend Euro.
In einem von der italienischen Polizei veröffentlichten Video ist eine Szene zu sehen, in der Polizeibeamte Geld und Dokumente sicherstellen.
Die Ermittlungen laufen unter dem Namen „Operation Boreas“ und sind Teil einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rahmen des Interpol-Projekts I-CAN (Interpol Cooperation Against ’Ndrangheta). In Italien wurden weitere Verdächtige festgenommen oder unter Hausarrest gestellt. Die Festnahmen erfolgten unter anderem in den Provinzen Cosenza und Crotone.
Die ’Ndrangheta gilt als eine der einflussreichsten Mafiaorganisationen Europas, insbesondere im internationalen Drogenhandel. Nach Angaben des baden-württembergischen Innenministeriums vom April 2024 werden etwa 170 Personen im Bundesland der organisierten Kriminalität zugerechnet. Besonders aktiv seien neben der ’Ndrangheta auch die Cosa Nostra, Camorra und Sacra Corona Unita.
Laut Experten ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Knapp ein Viertel der in Deutschland ansässigen Mitglieder italienischer Mafiaorganisationen leben demnach in Baden-Württemberg. Die Behörden führen dies unter anderem auf die Nähe zu Italien und die wirtschaftliche Attraktivität des Bundeslandes zurück.