RBB-Chefetage verschleiert Beteiligung an Gelbhaar-Affäre: Wie viel wusste der Sender wirklich?

vor 2 Monaten

Blog Image
Bildquelle: Apollo News

In der Gelbhaar-Affäre möchte die Chefetage des RBB die eigene Beteiligung herunterspielen. Neue Erkenntnisse zeigen aber, dass das Führungspersonal rund um den Chefredakteur David Biesinger offenbar mehr eingebunden war, als es der RBB eingestehen wollte. Der Sender hatte im Dezember exklusiv über angebliche Belästigungsvorwürfe gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar berichtet – der Kern der Berichterstattung stellte sich später als erfunden heraus.

Biesinger hatte auf einer Sondersitzung des RBB-Rundfunkrats Anfang Februar behauptet, die Chefredaktion habe den Bericht nicht abschließend freigegeben. Außerdem sei das Justiziariat in dem Glauben gelassen worden, die Redakteure hätten tatsächlich mit einer angeblich betroffenen Person geredet – tatsächlich geschah das nur telefonisch und „Anne K.“ stellte sich später als Shirin Kreße, eine Bezirkspolitikerin der Grünen, heraus.

Bereits zuvor kündigte Biesinger laut Business Insider in einer internen Videokonferenz Konsequenzen an: Auch wenn er keine Namen nannte, brachte er die für entscheidende Fehler während der Gelbhaar-Recherche verantwortliche Reporterin durch Andeutungen ins Spiel. Diese befindet sich derzeit im Mutterschutz, weshalb deshalb keine Konsequenzen möglich sind. In der Phase dürfe man personell nichts machen, so Biesinger in der Telefonkonferenz (Apollo News berichtete).

Doch wie unbeteiligt der Chefredakteur tatsächlich ist, ist unklar. Laut dem Business Insider hat beispielsweise der Redaktionsausschuss des Senders intern eine kritische Stellungnahme vorbereitet. Biesinger selbst will aber nur am Rande informiert gewesen sein: „Ich habe einen Hinweis bekommen, kurz vor Weihnachten und dann noch mal kurz vor Silvester, dass etwas läuft. Ich konnte mich versichern, wer die redaktionelle Betreuung macht, wer die Abnahme macht und dass auch unser Justiziariat eingebunden ist“, sagte er Ende Januar dem sendereigenen Medienmagazin.

Tatsächlich war der Chefredakteur aber deutlich mehr involviert. So blieb es kurz vor Weihnachten nicht bei einem „Hinweis“ – Biesinger selbst ordnete an, die Abendschau-Redakteure seien mit der Recherche beauftragt, weil sie zuerst Kontakt mit dem angeblichen Opfer hatten. Normalerweise sind die Journalisten der Sendung Kontraste für investigative Beiträge zuständig. Biesinger war mit den Details also vertraut.

Am 27. Dezember meldete sich dann „Anne K.“ mit einer noch nicht unterschriebenen eidesstattlichen Versicherung bei dem Sender – die Redakteure konfrontierten sofort den Anwalt von Gelbhaar, der nicht nur um eine Fristverlängerung bat, sondern die Vorwürfe vehement zurückwies. Gelbhaar sei zu den angegebenen Zeiten nachweisbar an anderen Orten gewesen, schrieb er an die beteiligten Redakteure sowie die Chefjuristin beim RBB, Kerstin Skiba.

Ob diese das Schreiben auch an die Chefredaktion weiterleitete, ist unklar. Eine Anfrage des Business Insiders blieb dahingehend unbeantwortet. Am 29. Dezember unterschrieb „Anne K.“ dann die eidesstattliche Erklärung. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt wurde Biesinger laut seiner Aussagen im Medienmagazin noch einmal darüber informiert, „dass etwas läuft“.

Spätestens am Silvestertag muss der Chefredakteur von dem Dementi erfahren haben – Gelbhaar veröffentlichte die Fragen des RBB sowie seine Stellungnahme auf seiner Webseite. Das war auch der Grund, den Beitrag noch am 31. Dezember zu senden. Ursprünglich sollte die Recherche noch zurückgehalten werden, „aber das Stück war fertig“, erklärte Biesinger.

Doch laut dem Business Insider stimmt das nicht. Der Beitrag wurde erst am Silvestertag von der Redaktionsleitung und dem Justiziariat abgenommen – die wiederum verblieben in dem Glauben, die Echtheit von „Anne K.“ sei nachgewiesen. Erst nachdem Gelbhaar selbst im Januar gegen die Berichterstattung vorging und der Tagesspiegel interne Anwaltsdokumente einsah, wurden die Ungereimtheiten veröffentlicht.

Die Vorwürfe von „Anne K.“ machen den Kern der Behauptungen aus. Zwar meldeten sich auch weitere Frauen bei der Ombudsstelle der Grünen und beim RBB – deren Vorwürfe spielten bislang jedoch keine Rolle. Gelbhaar verzichtete dennoch bereits Mitte Dezember auf eine Kandidatur für den zweiten Listenplatz der Berliner Grünen – der kam Andreas Audretsch zugute.

Nach der Veröffentlichung der RBB-Recherche verlor Gelbhaar dann in einer zweiten Wahlversammlung auch noch die Direktkandidatur in Berlin-Pankow – die er im November noch mit 98,4 Prozent gewonnen hatte. Obwohl er in der Folge entlastet werden und seine Parteikollegin als mutmaßliche Initiatorin festgestellt werden konnte, erlangte er seine Kandidatur nicht zurück – eine Entschuldigung des Kreisverbands der Grünen in Pankow blieb aus.

Gegenüber der B.Z. teilte Gelbhaar dann Ende Januar mit, Beweise für eine breite Kampagne gegen seine Person zu haben, hinter der Audretsch stecken soll (Apollo News berichtete). Anhänger des linken Flügels der Partei hätten die Intrige gegen ihn durchgeführt. Gelbhaar selbst gehört zu den sogenannten Realos in der Partei. Er ist zweifacher Familienvater und galt bislang als unbescholten. Jetzt ist seine politische Karriere zunächst einmal zerstört. In den Bundestag, in dem er seit 2017 sitzt, wird er nach der Wahl am Sonntag vorerst nicht zurückkehren.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von Apollo News

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von Apollo News zu lesen.

Weitere Artikel