
Seit Jahren warnen deutsche Medien vor dem Rechtspopulismus als einer „Gefahr für die Demokratie“. Auf parteipolitischer Ebene drückt sich diese Haltung in der „Brandmauer“ aus, dem Einvernehmen von linken Parteien und der Union, mit der AfD keine Regierungsbündnisse zu schmieden oder anderweitig mit ihr zusammenzuarbeiten. Spätestens seitdem die Rechtspartei nun mit 26 Prozent (Forsa) bei den Wahlumfragen inzwischen stärkste Kraft ist, kommt diese Politik der Ächtung und Ausgrenzung an ihr Ende. Den Wählerwillen zu ignorieren und instabile, ideologisch zerrissene Koalitionen an der AfD vorbei zu konstruieren – das wird langfristig nicht gelingen.
Daher lohnt ein Blick ins europäische Ausland: Was die hiesige Propaganda in den düstersten Farben ausmalt, ist in vielen Ländern längst normaler politischer Alltag: In Italien, den Niederlanden und der Schweiz regieren „Rechtspopulisten“, in Finnland regieren sie mit und in Schweden stützen sie eine Minderheitenregierung. Wohin führt das? Droht dort tatsächlich der Autoritarismus, wie in Deutschland gewarnt wird – oder vollzieht sich dort eine pragmatische Wende in der Migrationspolitik? NIUS zeigt, was voraussichtlich auch in Deutschland zu erwarten wäre, wenn die sogenannte Brandmauer fiele. Spoiler: nicht das Ende der Demokratie.
Giorgia Meloni, Italiens rechtskonservative Ministerpräsidentin, hatte bereits im Wahlkampf 2022 versprochen, die Migration nach Italien deutlich einzuschränken. Tatsächlich stiegen die Einwanderungszahlen zu Beginn ihrer Amtszeit jedoch weiter an, was sie im Herbst 2023 zum Anlass nahm, härtere Maßnahmen gegen illegale Migration zu ergreifen. Dazu gehörten die Ankündigung von Abschiebehaft bis zu 18 Monaten und die Errichtung von Abschiebezentren durch das Militär in abgelegenen Regionen des Landes.
Giorgia Meloni (FdI)
Ihr Prestigeprojekt ist ein bilaterales Abkommen mit dem Nicht-EU-Staat Albanien, wo zwei Aufnahmelager für Bootsflüchtlinge entstehen sollen, die aus sicheren Herkunftsländern stammen und kaum Chancen auf Asyl haben. Die Zentren werden vollständig von Italien finanziert und betrieben, italienisches Recht findet dort Anwendung. Ziel ist es, im Schnellverfahren innerhalb von maximal vier Wochen über Asylanträge zu entscheiden.
Abgelehnte Bewerber sollen in ihre Herkunfts- oder sichere Drittländer zurückgebracht werden, anerkannte Flüchtlinge dürfen nach Italien einreisen. Doch der Plan geriet ins Stocken: Italienische Gerichte erklärten die Verlegung der ersten Geflüchteten nach Albanien für rechtswidrig – wegen ungeklärter Zuständigkeiten bei der Einstufung sicherer Herkunftsländer. Meloni hält dennoch an dem Modell fest und zeigt sich überzeugt, dass die Justiz letztlich zugunsten ihrer Regierung entscheiden wird. EU-weit erfährt das Projekt breite Unterstützung, denn viele Mitgliedstaaten sehen darin ein potenzielles Modell zur Begrenzung der Mittelmeerroute.
Zweierlei ist hieran interessant: Zum einen bewirkt eine rechtskonservative Regierung tatsächlich jenen drastischen Rechtsruck, den linke Medien befürchten. Zum anderen agiert sie innerhalb der rechtsstaatlichen Ordnung. In Italien ist die Demokratie also nicht in Gefahr, sondern in Gebrauch.
Die fast ein Jahr bestehende niederländische Rechtsregierung unter dem Einfluss von Islamkritiker Geert Wilders, der aber selbst nicht Teil der Regierung ist, war mit dem Anspruch angetreten, die „strengste Asylpolitik aller Zeiten“ durchzusetzen. Doch das Vorhaben stockt: Der Entwurf für ein neues Asylgesetz fiel beim Staatsrat durch, der ihn als schlecht formuliert und ineffektiv kritisierte. Die zuständige Ministerin aus Wilders’ PVV kündigte trotzig an, kaum Änderungen vornehmen zu wollen. Wilders wiederum droht offen mit dem Bruch der Koalition, sollte das Gesetz scheitern. Im Zentrum des Streits steht die geplante Wiedereinführung des subsidiären Schutzstatus, der in den Niederlanden im Jahr 2000 abgeschafft wurde.
Geert Wilders (PVV)
Auch in den Niederlanden tobt demnach kein Kampf zwischen Demokratie und Faschismus: Der niederländische Staatsrat kritisiert vor allem die geplante Wiedereinführung des subsidiären Schutzes. Dieser temporäre Status, etwa für Kriegsflüchtlinge, war 2000 abgeschafft worden und endet, sobald sich die Lage im Herkunftsland bessert. Nun befürchtet man, dass viele Betroffene rasch auf den umfassenderen Flüchtlingsstatus wechseln wollen – mit der Folge, dass zahlreiche zusätzliche Anträge die Behörden überlasten und Verfahren weiter in die Länge ziehen; damit würde die strukturelle Überforderung des Asylsystems fortbestehen. Der Konflikt dreht sich also eher um Pragmatisches als um Programmatisches – wie er ausgehen wird, ist unklar. Sicher ist aber: Er wird innerhalb der demokratischen Spielregeln ausgetragen.
Darüber hinaus wurden bereits Verschärfungen im Asylrecht beschlossen: Der Asylstatus wurde auf drei Jahre befristet, Rückführungen erfolgen auch in bestimmte Regionen Syriens. Zudem wurden Einspruchsrechte und Sozialleistungen eingeschränkt, und an der Grenze zu Deutschland sollen wieder Kontrollen eingeführt werden.
Insofern bekamen die Niederländer, was sie gewählt haben. Wilders wurde in deutschen Medien stets als „Islamfeind“ geframet, als Hetzer gegen Minderheiten – von Ausschreitungen gegenüber Muslimen ist derweil nichts bekannt.
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) ist seit 1999 die stärkste Kraft im Nationalrat und stellt die größte Fraktion in der Bundesversammlung. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt sie als treibende Kraft für eine restriktive Migrationspolitik – ein Kurs, der auch über die Landesgrenzen hinaus Beachtung findet. So bezeichnete AfD-Chefin Alice Weidel die SVP in einem Interview mit dem SWR offen als Vorbild für ihre Partei. Schon 2015 hatte sie erklärt, das AfD-Programm sei an jenes der SVP angelehnt.
Alice Weidel (AfD) hat auch ihren Wohnsitz in der Schweiz.
Tatsächlich zeigen beide Parteien in zentralen Politikfeldern große inhaltliche Nähe – insbesondere bei Migration und EU-Politik. Die SVP betont dabei immer wieder die nationale Souveränität und fordert Einschränkungen beim Asylrecht, was sich auch in den jüngsten parlamentarischen Vorstößen widerspiegelt.
So stimmte der Bundesrat zwar einer Motion (dabei wird der Bundesrat beauftragt, einen Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzulegen) zur Asylverschärfung grundsätzlich zu, verwies aber auf die Einhaltung internationaler Verpflichtungen wie dem Schengen-Abkommen. Zwei von der SVP eingebrachte Maßnahmen – der Ausschluss krimineller Asylsuchender vom Verfahren und Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit – fanden im Parlament Zustimmung. Weitere Forderungen wie die Zurückweisung von Personen, die über sichere Drittstaaten einreisen, und die Beschränkung des Familiennachzugs scheiterten jedoch an fehlender Mehrheit. Die SVP konnte damit zwar punktuell Erfolge erzielen, eine grundsätzliche Wende in der Asylpolitik nach ihren Vorstellungen blieb bislang jedoch aus.
Insbesondere dieses Beispiel legt nahe, wie man sich eine Regierungsbeteiligung der AfD in Deutschland vorstellen könnte: Die Rechtspartei würde ihre Vorstöße wagen, in manchen Fällen erfolgreich, in anderen nicht. Business as usual also – nur unter rechtskonservativem Vorzeichen.
Schweden ist ein besonders interessanter Fall, der zeigt, welche demokratischen Kompromisslösungen möglich sind, wenn man die natürliche Fließrichtung der Demokratie durch keine Brandmauern behindert. Dort regiert eine Minderheitenregierung aus Moderater Sammlungspartei, Christdemokraten und Liberalen, die von den „rechtspopulistischen“ Schwedendemokraten unterstützt wird.
Regierungschef Ulf Kristersson war mit dem Versprechen angetreten, die Einwanderung stark zu begrenzen. Seine Regierung verfolgt eine harte Linie, auch um die Unterstützung der rechtspopulistischen Schwedendemokraten nicht zu gefährden. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass dieser Kurs Wirkung zeigt – und das Land migrationspolitisch einen klaren Richtungswechsel vollzogen hat.
Schweden gelingt eine Minusmigration – das heißt, es verlassen mehr Menschen das Land, als einwandern. Ein wesentlicher Faktor dafür ist der Rückgang an Asylanträgen. Besonders viele Menschen mit Herkunft aus Ländern wie dem Irak, Somalia und Syrien kehrten Schweden den Rücken. Schwedens Ministerin für Migration, Maria Malmer Stenergard, wertet das als Erfolg ihrer Politik: Ziel sei eine kontrollierbare Zuwanderung, um die Integration langfristig zu verbessern.
Schweden zeigt, dass einem Land, das nach einer langen Phase linker Willkommenskultur und den damit verbundenen „multikulturellen“ Kontrollverlusten, eine wirkliche Migrationswende gelingen kann. Die faktische Einbindung von Schwedens Rechtspartei ins Regierungsgeschehen entspricht auch hier dem Willen der Bevölkerung.
Die finnische Regierung unter Ministerpräsident Petteri Orpo setzt seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2023 auf eine deutlich restriktivere Migrationspolitik. Getragen wird das Mitte-Rechts-Bündnis von vier Parteien: Die Nationale Sammlungspartei stellt acht Ministerien, die rechtspopulistische Finnen-Partei sieben. Hinzu kommen je zweieinhalb Ministerposten für die Schwedische Volkspartei sowie die Christdemokraten. Die Finnen-Partei ist damit die zweitstärkste Kraft in der Koalition und prägt die politische Ausrichtung maßgeblich mit.
Kern der neuen Migrationspolitik ist ein verschärftes Asylverfahren. Asylsuchende sollen während des Verfahrens in Grenznähe verbleiben und ihre Bewegungsfreiheit innerhalb Finnlands wird eingeschränkt. Ziel ist es, aussichtslose Anträge schneller abzulehnen und abgelehnte Personen rascher zurückzuführen. Besonders umstritten ist ein Gesetz, das Grenzbeamten erlaubt, Asylsuchende an der Grenze zu Russland ohne Prüfung ihrer Anträge abzuweisen. Die Maßnahme versteht sich als Reaktion auf mutmaßliche russische Versuche, Migration als politisches Druckmittel einzusetzen. NGOs und Europarat kritisieren das Gesetz jedoch scharf – sie sehen darin einen klaren Verstoß gegen internationale Standards.
Finnlands Innenministerin Mari Rantanen (PeruS) und Schwedens Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard (M) an einem Grenzkontrollpunkt an der finnisch-russischen Grenze.
Trotz der Kritik verteidigt die Regierung ihr Vorgehen als notwendig für die nationale Sicherheit. Ausnahmen für besonders Schutzbedürftige wie Kinder oder Menschen mit Behinderung seien vorgesehen.
Die verschärften Regelungen zeigen bereits Wirkung: 2024 ging die Zahl der Asylanträge im Vergleich zum Vorjahr um 45 Prozent zurück. Dennoch bleibt die Vereinbarkeit dieser Politik mit internationalen Verpflichtungen ein politisch und rechtlich umstrittenes Thema.
Ob in Italien, den Niederlanden, der Schweiz, Schweden oder Finnland: Die Beteiligung rechtskonservativer oder rechtspopulistischer Kräfte führt nicht zur Abschaffung demokratischer Grundprinzipien, sondern in aller Regel zu migrationspolitischen Kurskorrekturen innerhalb bestehender Rechtsstaatlichkeit.
Die linke Erzählung vom autoritären Dammbruch hält der Realität nicht stand. Vielmehr zeigt sich: Wo es keine „Brandmauer“ gibt, kommt es zu politischen Auseinandersetzungen, Kompromissen, juristischen Korrekturen – also zu einem normalen Betrieb in einem demokratischen Rechtsstaat. Die Migrationspolitik entwickelt sich dort oft restriktiver, aber nicht willkürlich.
In vielen europäischen Ländern ist das, was in linken Medien noch als Tabubruch gilt, längst Normalität: die parlamentarische Zusammenarbeit mit rechten Parteien – und das ohne den Untergang der Demokratie. Der Wählerwille wird ernster genommen als es die gescheiterte Strategie der Ausgrenzung je vermochte.
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