
Die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) dreht der AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner das Mikrofon ab, weil diese ihre letzte Rede vor der Sommerpause nutzte, um gegen den politischen Gegner auszuteilen. Aigner begründet dies damit, dass es im Bayerischen Landtag Gepflogenheit sei, „versöhnliche Töne“ im Namen aller Fraktionen anzuschlagen – die AfD-Politikerin ihr Rederecht aber für teils „rechtsextremistische Thesen“ missbraucht habe.
Hinter dem Eklat scheint jedoch ein Kalkül zum Vorschein zu kommen: Die Landtagspräsidentin Ilse Aigner will das Sonderrecht der größten Oppositionspartei, die vorletzte Rede vor der Sommerpause halten zu dürfen, schlicht beseitigen. Denn diese größte Oppositionspartei mit dem besonderen Rederecht wird auf absehbare Zeit die AfD sein. Und dafür benutzt Aigner auch noch offensichtlich die Unwahrheit.
Die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU)
Trotz mehrfacher Aufforderung und Ermahnung der Landtagspräsidentin, sich doch bitte an die Gepflogenheiten zu halten, fuhr die AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner mit ihrer kritischen, die anderen Parteien angreifenden Rede fort. „Frau Kollegin! Frau Kollegin! Ja, es tut mir leid, aber die traditionellen Schlussworte sind eigentlich nicht dazu geeignet, hier eine politische Debatte anzufangen“, sagte Aigner.
Doch auch davon ließ sich die AfD-Politikerin nicht abbringen und fuhr fort, bis ihr Aigner schließlich das Mikrofon abdrehte – der Eklat im Landtag war perfekt.
Aigner verteidigte ihr Vorgehen: „Über Jahrzehnte hinweg war es im Bayerischen Landtag gute Tradition, dass ein Vertreter oder eine Vertreterin der stärksten Oppositionsfraktion bei den Schlussworten auch für alle anderen Oppositionsfraktionen spricht. Dabei war es üblich, versöhnlich aufzutreten und politische Erklärungen in den Hintergrund zu stellen.“
Zur Wahrheit gehört jedoch: Als die Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze in eben jener letzten Rede vor der Sommerpause 2023 heftig die AfD angriff und als „Demokratiefeinde“ bezeichnete, forderte die Landtagspräsidentin keine „versöhnlichen Worte“ ein. Der Durchsetzungs-Willen der Gepflogenheit scheint also auch von der Parteifarbe abzuhängen.
Aigner ist sich darüber bewusst, dass besagte „Regel“ gar nicht existiert, wie sie bereits im Landtag erklärt hatte. Die Regel ist mehr eine Übereinkunft – eben eine Gepflogenheit. Dass diese Gepflogenheit just in der Rede der AfD-Politikerin bereits gebrochen worden war, weil traditionell eigentlich die Oppositionsführerin die Rede im Namen der gesamten Opposition hält, wogegen sich SPD und Grüne jedoch heftig gewehrt hatten, veranlasste Aigner nicht zu einem Rüffel an besagte Fraktionen.
Dass dem so ist, erklärte Aigner auch im Landtag: „Diese Schlussworte sind eine Debatte, wo üblicherweise die größte Oppositionsfraktion spricht. Das haben schon die anderen Fraktionen anders gesehen.“
Es gab längst Gegenwehr gegen den Kern der Gepflogenheit, nämlich dass die größte Oppositionspartei im Namen der gesamten Opposition sprechen kann. Alle Wahlergebnisse und aktuellen Umfragen sehen die AfD auf diesem Posten – was den anderen Fraktionen ein Dorn im Auge ist.
Ilse Aigner hat im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk bereits angekündigt, dass damit bald Schluss sein soll: „Wir werden uns die Regularien jetzt anschauen, wie mit den Schlussworten in Zukunft umgegangen wird. Das werden wir nach der Sommerpause machen und bestimmt auch im Ältestenrat – ich fürchte, eine Tradition wurde heute beendet.“
Ein Indiz in diese Richtung ist auch die Tatsache, dass nur Stunden nach dem Eklat eine Pressemitteilung des Landtages veröffentlicht worden ist, die – für ein eigentlich neutrales Verfassungsorgan – ungewöhnlich wertend formuliert war. Unter der Überschrift „AfD-Fraktion verursacht Eklat – Statement von Landtagspräsidentin Ilse Aigner“ verteidigte Aigner ihr Vorgehen.
In besagter Pressemitteilung warf Aigner der AfD-Politikerin auch den Missbrauch des Rederechts und „rechtsextremistische Thesen“ vor – beides Dinge, die weder in der Bayerischen Landesverfassung noch in der Geschäftsordnung des Landtages auftauchen. Dadurch habe die AfD die „Vertreterrolle für alle anderen Oppositionsparteien verwirkt“. Dass die anderen Fraktionen diese „Vertreterrolle“ durch die AfD längst abgelehnt hatten und die Gepflogenheit damit faktisch bereits Geschichte war, taucht in der Mitteilung hingegen nicht auf.
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