
Die Betriebe und ihre Beschäftigten zahlen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung. Sie gehören nicht zu denen, die von der Schuldenorgie der schwarz-roten Koalition profitieren. Für sie sieht Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) in den nächsten beiden Jahren je 2,3 Milliarden Euro vor – und auch das nur in Form eines Kredits. Obwohl der Bund den Kassen und ihren Versicherten jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro für die Gesundheitsversorgung der Empfänger von Bürgergeld schuldig bleibt.
Entsprechend verstärkt der Bund die Finanznot in den Kassen. Laut einem Bericht der Bild am Sonntag fehlen der gesetzlichen Krankenversicherung fürs nächste Jahr rund vier Milliarden Euro. Im Jahr darauf wird die Lücke zwölf Milliarden Euro groß sein. Das entspricht einer notwendigen Erhöhung der Beiträge um zusammen weitere 0,8 Prozentpunkte. Unter Karl Lauterbach (SPD) als Gesundheitsminister sind die Beiträge bereits auf durchschnittlich 17,5 Prozent gestiegen – den größten Sprung gab es zu Beginn des laufenden Jahres.
Für die Krankenversicherung – wie für eigentlich alle dringend notwendigen Reformen – will die Regierung eine Kommission einrichten. Das hat zwei Vorteile für die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU): Zum einen kann sie sich später hinter den Experten verstecken, wenn sie Grausamkeiten gegen die arbeitende Bevölkerung durchdrücken will. Zum anderen kann sie zwischenzeitlich einige Testballons in die Luft steigen lassen, um zu sehen, welche Grausamkeiten auf Widerstand stoßen, welche nicht und für welche sich Gefolgschaft mobilisieren lässt.
Die letzte Nachrichten-Woche war von solchen Testballons geprägt. Allerdings haben diese wegen Richterinnenwahl und Israel nur wenig Aufmerksamkeit erhalten. Einer der Ballons kam von der Beraterin der Bundesregierung, der “Wirtschaftsweisen” Veronika Grimm. Sie verkaufte ihren Testballon als Forderung nach “mehr Ehrlichkeit”. Ein Anstieg der Lohnnebenkosten auf etwa 45 Prozent müsse die Regierung unbedingt verhindern. Dafür müsse diese Leistungen kürzen, fordert Grimm, ohne genau zu werden. Für Beschäftigte bedeutet das: Sie müssen genauso viel oder mehr für die Pflichtversicherung Krankenkasse bezahlen – erhalten aber dafür weniger zurück.
Für eine potenzielle Kürzung der Leistungen macht Johannes Albert Gehle schon einmal Stimmung. Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe beklagt in der WAZ den verschwenderischen Umgang der Versicherten mit Medikamenten. Diese würden in Praxen auf Rezepten beharren, obwohl es ein Wickel doch auch tun würde. Damit liefert Gehle der Ministerin ein Argument, wie sie eine Kürzung der Leistungen rechtfertigen könne. Warken würde dann nicht diejenigen für Medikamente bezahlen lassen, die für ihre und die Krankenversorgung der Empfänger von Bürgergeld arbeiten gehen. Sie würde gegen die Verschwendung von Arznei kämpfen. Staatliche und staatsnahe Medien verbreiten diesen Testballon schon einmal bereitwillig – die nächsten steigen sicher bald am Himmel über Berlin auf.