Exklusiv: 88,7 Millionen Euro für Regierungs-PR – hinter diesen Zahlen verbirgt sich viel mehr

vor 6 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Am 8. Juni hat TE exklusiv darüber berichtet, dass die „Ampel“-Bundesregierung im Jahr 2024 rund 88,7 Millionen Euro für „Informationsmaßnahmen, Anzeigen und Kampagnen“ ausgegeben hat. So die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion.

TE hat noch etwas näher hingeschaut und ist zum Schluss gekommen: Die 88,7 Millionen Euro dürften nur ein Teil der Wahrheit sein. Stutzig wurde TE aus folgenden Gründen:

Auch wenn die Bundesregierung in der Antwort auf die AfD-Anfrage nichts zum AA ausweist, sollte man wissen, was der Einzelplan 05 (also des Auswärtigen Amts) für 2024 ausweist, nämlich 9,068 Millionen Euro für Maßnahmen zur Förderung des Deutschlandbildes im Ausland; 4,50 Millionen für entsprechende Mittel der Auslandsvertretungen; 6,50 Millionen für die Abwehr von Desinformation und weitere Querschnittsthemen; 3,00 Millionen für „Kommunikation Flucht und Migration“.

Wie überflüssig so manche dieser PR-Aktionen des Auswärtigen Amtes sind, zeigt die Zahl der Aufrufe, die der Youtube-Kanal des Auswärtigen Amtes einsammelt: Baerbocks UN-Engagement wird mit einem Filmchen mit dem Titel „More than a Seat“ beworben. Aufrufe bei Redaktionsschluss dieses Beitrags: 729.

Dann gibt es beim Auswärtigen Amt auch noch den „Podcast vom Posten“ – betrieben von der jahrelangen Leadagentur SYZYGY (siehe unten). Auch dieser Podcast kommt auf Youtube nur auf dürftige Zahlen: 4.365 zum Thema Indien, 6.201 zum Thema Vietnam, 5.857 zur „Europawahl“, 496 zum Thema „Cybersicherheit“.

Vor drei Jahren war es noch krasser: Ein Svenja-Schulze-Auftritt brachte es auf 86 Aufrufe, ein Olaf-Scholz-Auftritt auf 187 Aufrufe. Das ist die Ausbeute für viele, sehr, sehr, viele Euro!

Die Bundesregierung gibt für 2024 rund 88,7 Millionen Ausgaben für „Informationsmaßnahmen, Anzeigen und Kampagnen“ an. Laut Bund der Steuerzahler e.V. waren für 2023 für ihre Öffentlichkeitsarbeit Ausgaben von bis zu 263 Millionen Euro geplant; die Kosten für Informationskampagnen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie waren zusätzlich mit 60 Millionen Euro veranschlagt. Unwahrscheinlich, dass es von 2023 auf 2024 zu so krassen Abweichungen kam.

Im Einzelnen hatte die Bundesregierung für 2023 folgende Ausgaben in den Bundesministerien (BM) für die Öffentlichkeitsarbeit (!) vorgesehen: BM für Bildung und Forschung (BMBF) 63,1 Mio.; BM für Gesundheit (BMG) 52,7 Mio.; BM für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 38,4 Mio.; BM für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) 36,0 Mio.; BM für Arbeit und Soziales (BMAS) 13,3 Mio.; BM des Innern und für Heimat (BMI) 11,0 Mio.; BM für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) 10,8 Mio.; BM für Umwelt, Naturschutz, nukl. Sicherheit, Verbraucherschutz (BMUV) 10,2 Mio.; BM der Finanzen (BMF) 6,2 Mio.; BM für Digitales und Verkehr (BMDV) 5,9 Mio.; Bundeskanzleramt (BKAmt) 4,6 Mio.; BM der Verteidigung (BMVg) 3,6 Mio. (wohl ohne Ausgaben für Nachwuchswerbung); BM für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 2,5 Mio.; Auswärtiges Amt (AA) 2,4 Mio. (völlig abweichend von den 9 Mio. des Jahres 2024); BM für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) 1,9 Mio.; BM der Justiz (BMJ) 0,8 Mio. Euro.

Angesichts dieser Beträge für 2023 sollen es für 2024 „nur“ 88,7 Millionen gewesen sein? Es glaubt doch keiner, dass von 2023 (263 Millionen geplant) auf 2024 (real angeblich „nur“ 88,7 Millionen) der große Sparwille ausgebrochen sein könnte.

Es sind satte Beträge, die Agenturen für einzelne Maßnahmen kassierten. Darunter fragwürdige Maßnahmen – auf zum Teil fragwürdigen Plattformen. Eine Auswahl:

Führender Auftragnehmer dürfte die „SYZYGY Performance Marketing GmbH“ sein. SYZYGY wurde zur Digitalagentur der Bundesregierung schlechthin. Pikanterweise bekam SYZYGY den Zuschlag am 10. Dezember 2021 – 2 Tage nach Vereidigung der „Ampel“-Bundesregierung. Die SYZYGY-Eigenbeschreibung liest sich so: „Wir entwickeln einen Kommunikationsansatz, der komplexe Themen verständlich erklärt, Nahbarkeit vermittelt und spannende Perspektiven auf die Arbeit der verschiedenen Ministerien wirft (…). Wir unterstützen die Ministerien bei der redaktionellen Planung und sorgen so dafür, dass aktuelle Themen vor den Mikrofonen diskutiert werden (…). Dazu etablierten wir ein kleines, portables Produktions-Setup, das Qualität und Spontaneität gleichermaßen sicherstellt.“

Ebenfalls involviert ist die Gruppe „Hirschen“. Sie umfasst 23 Einzelgruppen, teilweise als eigenständige GmbHs, mit insgesamt 800 Mitarbeitern: Zum goldenen Hirschen Holding GmbH; Zum goldenen Hirschen GmbH Berlin; Zum goldenen Hirschen Hamburg GmbH; Zum goldenen Hirschen Köln GmbH; Zum goldenen Hirschen Köln 43 GmbH; Zum goldenen Hirschen München GmbH; Zum goldenen Hirschen Stuttgart GmbH; Zum goldenen Hirschen Valley GmbH; Zum goldenen Hirschen Campaigning GmbH (Wien); Freunde des Hauses GmbH; Hi! Employer Strategies GmbH; Health Angels GmbH; Hype Hart GmbH; VORN Strategy Consulting GmbH; 365 Sherpas GmbH (Berlin); 365 Sherpas Consulting GmbH (Wien); 365 Sherpas Brussels SPRL (Brüssel); ressourcenmangel GmbH; ressourcenmangel an der Panke GmbH; ressourcenmangel Hamburg GmbH; ressourcenmangel Integral GmbH; ressourcenmangel Düsseldorf GmbH; ressourcenmangel Stuttgart GmbH.

„Zum goldenen Hirschen“ arbeitet vor allem für das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA). Der Rahmenvertrag gilt der „Entwicklung und Gestaltung von Kommunikationsmaßnahmen“. Auch die Bereiche Publishing, Social Media, Design sowie Bewegtbild- und redaktioneller Content sind Teil des Rahmenvertrags. Über sich selbst schreibt die Agentur: „Wir wollen dabei helfen, Inhalte für unterschiedliche Zielgruppen in die richtige Sprache und Form zu übersetzen (…). Unser Anspruch ist es, möglichst vielen Menschen die Hintergründe des Regierungshandelns näherzubringen. Das wiederum setzt voraus, dass wir alle Facetten von Kommunikation mitdenken – von der Anzeige über den Podcast bis zum Einsatz von Influencern.“ Nur so könne man dem verfassungsrechtlichen Auftrag des BPA über jedes Thema und jeden Anlass hinweg gerecht werden.

Zu den Kunden der „Hirschen“ zählten das Bündnis 90/Die Grünen (Kampagnen zur Bundestagswahl 2002 mit Joschka Fischer als Spitzenkandidat, zur Europawahl 2004 und Europawahl 2009 sowie zur Bundestagswahl 2009 und zur Bundestagswahl 2013), das Bundesumweltministerium (Kampagne zum Aus der Atomkraft), das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesfamilienministerium, zuletzt das Habeck-Ministerium mit einem Auftragsvolumen für zwei Jahre von 14 Millionen Euro. Als Ende 2021 die „Ampel“ antrat, war von einer Vergabe von 150 Millionen Euro an Mediaplus und die Hirschen Group die Rede gewesen.

Exemplarische Kampagnen für Habecks Ministerium waren eine Kampagne zum Energiewechsel im Jahr 2022, oder auch die „Wer, wenn nicht hier“-Kampagne von 2023.

Die „Hirschen“ setzten 2024 für die Bundesregierung als maßgebliche Lead-Agentur unter anderem folgende Aktionen um: „Wir feiern 75 Jahre Grundgesetz” und die Nachwuchs-Kampagne „Generation Zoll“ (von den „Hirschen“ bereits seit 2018 betreut).

Besonders große Brocken weist das BMAS für die Pflege von Social-Media-Kanälen bzw. für die Öffentlichkeitsarbeit aus. Für die Jahre 2023 und 2024 waren dies in der Summe 1,181 Millionen bzw. 19,5 Millionen. Die sechstägige „Metropolis Konferenz“ vom September 2022 war dem BMAS damals 4,16 Millionen wert. Thema war: „Auswirkungen multipler Krisen auf Migration und Mobilität, technologischer Wandel und die Zukunft der Arbeit im Kontext von Migration, Auswirkungen des Klimawandels auf Migration und Bedingungen für faire Migration.“

Die Agenturen 365 Sherpas/TLGG, die, siehe oben, teils zu den „Hirschen“ gehören, starteten 2023 und 2024 mehrere Kampagnen, zum Beispiel im Rahmen der Aktionswoche gegen Einsamkeit: 365 Sherpas produzierte und kommunizierte gemeinsam mit TLGG für Paus‘ BMFSFJ das Format „Coffee to Stay“, bei dem in Berliner Nachbarschaften zu gemeinsamen Gesprächen eingeladen wurde. Ziel war es, Menschen aller Generationen stärker ins soziale Miteinander einzubinden.

Für die Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes wurde unter Führung von Ferda Ataman 2023 „eine breite Öffentlichkeitskampagne entwickelt“ (O-Ton Webseite TLGG) mitsamt eines Songs. Die Message war: „Diskriminierung? Hab ich was gegen!“

Ende 2024 bzw. Anfang 2025 startete TLGG in Kooperation mit 365 Sherpas die Queer-Akzeptanzkampagne der Bundesregierung unter dem Titel „Was ist queer?“

Die öffentliche Ausschreibung für Agenturen startete neu im April 2025, Bewerbungen konnten bis zum 15. Mai abgegeben werden. Wird sich etwas ändern, oder wechseln nur die Namen?

Das BPA der neuen Koalition sucht Agenturen für Media- und Digitalaufgaben, die bei allen Bundesministerien, den nachgeordneten Behörden und beim BPA selber anfallen. Das BPA teilt auf Anfrage von meedia mit, dass die neuen Rahmenverträge mit Wirkung zum 1. Januar 2026 geschlossen werden sollen. Dann seien die bisherigen Rahmenverträge mit der Serviceplan-Tochter Mediaplus und mit der WPP-Agentur SYZYGY Performance ausgelaufen.

Einen konkreten Jahresetat gibt es nicht. „Wie viele Informationsmaßnahmen erfolgen, hängt einerseits vom konkreten Kommunikationsbedarf ab, andererseits von den jeweils verfügbaren Haushaltsmitteln“, so eine BPA-Sprecherin. Dass signifikant weniger Steuermillionen für Selbst-PR oder Indoktrination der Bürger zweckentfremdet und verschleudert werden, steht wohl nicht zu befürchten.

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