
An schlechte Nachrichten aus der Wirtschaft gewöhnen sich die Deutschen allmählich. So bewegt es kaum noch einen, wenn 26 Prozent aller Betriebe den Abbau von Ausbildungsplätzen plant, wie die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) mitteilt. Diese negative Zahl ist aber aus einem anderen Grund bemerkenswert. Denn von den wirtschaftlich angeschlagenen Betrieben wollen nur 40 Prozent ihr Angebot kürzen. Denn das bedeutet auch: Selbst in für sie wirtschaftlich schweren Zeiten bildet mehr als die Hälfte der Betriebe weiter aus.
Deswegen ist die allgemein schwierige wirtschaftliche Lage – drei Jahre schrumpfende Wirtschaft – nur ein Aspekt, den die Handelskammern in ihrem Ausbildungsbericht als Problem beschreiben. Die härteren Probleme sind auf der Seite der Bewerber zu suchen. Seit 2022 können knapp die Hälfte aller Betriebe nicht alle Ausbildungsplätze mit einem geeigneten Kandidaten besetzen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren ging es nur 31 Prozent der Betriebe so.
Screenprint: DIHK
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Die Schulen bereiten die Kinder und Jugendlichen nicht mehr gut genug aufs Berufsleben vor. Die Bewerber könnten oft nicht ausreichend gut Lesen, Rechnen und Schreiben, erklärt Achim Dercks. Doch es mangele den Jugendlichen auch an “Basiskenntnissen und Kompetenzen, die praktisch für jeden Ausbildungsberuf notwendig sind”, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der DIHK. Dazu zählten “Zuverlässigkeit, Lernbereitschaft oder Einsatzwille”. Die Schulen müssten sich wieder auf die grundlegenden Fähigkeiten ihrer Schüler konzentrieren.
87 Prozent der Betriebe attestieren Bewerbern Mängel in dem, was sie für eine Ausbildung voraussetzen. 46 Prozent beklagten dabei ausdrücklich das Fehlen der “mentalen Leistungsfähigkeit” der jungen Menschen. Darunter versteht Dercks etwa die Fähigkeit, sich auf neue Situationen einstellen zu können. Die Toleranz gegenüber Frustmomenten gehört ebenfalls dazu.
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Woher diese sozialen Defizite kommen, kann Dercks nur bedingt erklären, wie er selbst sagt. Weder in den Kammern noch in den Betrieben arbeiteten Psychologen. Sie könnten daher die Defizite nur erkennen, nicht begründen. Doch auch wenn dies nicht das Ergebnis einer wissenschaftlichen Expertise sei, so falle doch auf, dass es die Folgen der Pandemie sind, die dem sozialen Verhalten Jugendlicher geschadet hätten. Die Folgen übermäßigen Nutzens von elektronischen Geräten und die daraus entstehende soziale Isolation seien eine andere mögliche Erklärung.
Treten soziale Mängel bei einem Auszubildenden auf, ließe sich am Arbeitsplatz dem nur bedingt entgegenwirken, sagt Dercks. Doch überschritten die Defizite ein gewisses Maß, müsste der Betrieb auf diesen Bewerber einfach verzichten. Dann sei wiederum die Gefahr groß, dass die Betroffenen ohne Ausbildung bleiben und dem Arbeitsmarkt insgesamt verloren gingen.
Aber vielen Bewerbern mangelt es ebenfalls an den klassischen schulischen Kenntnissen. So stellten 44 Prozent der Betriebe “oft” oder “immer” fest, dass sich Bewerber weder mündlich noch schriftlich ausreichend ausdrücken könnten. 43 Prozent der Betriebe bemängeln deren mathematischen Fähigkeiten. Im Bereich der IT- und Medienkenntnisse sind es hingegen nur zehn Prozent der Betriebe, die “oft” oder “immer” fehlende Qualitäten an ihren Bewerbern feststellen.
Trotzdem ist das ein Punkt, an dem Dercks die Berufsschulen gefordert sieht. Die seien allerdings ein gesellschaftliches Stiefkind. Bei den diversen Förderprogrammen von Bund und Ländern fielen Berufsschulen meist hinten runter. Dabei seien es gerade die Berufsschulen, die Geld bräuchten, um den Auszubildenden die IT-Kenntnisse beizubringen, die sie bräuchten, um sie in ihrem Beruf anzuwenden. Die Motivation unter den Lehrern sieht Dercks oft als gegeben an – doch es mangele in den Schulen schlicht an der notwendigen technischen Ausrüstung. Allerdings schreibt er den Berufsschulen auch ins Hausaufgabenbuch, sich mehr auf ihren Kernbereich zu konzentrieren: Die Jugendlichen fit für die Berufswelt zu machen.