
Im Mai 2024 erreichte die Zahl der Erwerbstätigen mit 46,1 Millionen Menschen den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. Seither geht es jedoch rasant bergab. Der Grund: die anhaltende Rezession, die Deutschland nun schon das dritte Jahr in Folge plagt. Zusätzlich setzen die Inflation und steigende Betriebskosten den Unternehmen zu. Infolgedessen kommt es nicht nur vermehrt zu Entlassungen, sondern auch zu Zurückhaltung bei Neueinstellungen. Laut einer aktuellen Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) könnte die Zahl der Arbeitslosen bis August vor diesem Hintergrund auf bis zu drei Millionen ansteigen – ein Niveau, das zuletzt im Jahr 2010 erreicht wurde.
„Die deutsche Wirtschaft steht unter enormem Druck“, erklärt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling gegenüber Bild. Für das Gesamtjahr rechnet das Institut mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent. Parallel dazu geht das IW von einer weiteren Schrumpfung der Wirtschaftsleistung aus – die Rezession setzt sich wohl fort. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte nach Einschätzung der Ökonomen 2024, wie schon im Vorjahr, erneut um 0,2 Prozent zurückgehen.
Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, wäre Deutschland das dritte Jahr in Folge in der wirtschaftlichen Stagnation gefangen – ein Szenario, das es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat. Selbst während der globalen Finanzkrise 2008/2009 oder während des Platzens der Dotcom-Blase zu Beginn der 2000er-Jahre schrumpfte das BIP nicht über einen derart langen Zeitraum hinweg.
Während die Bundesrepublik weiterhin in einer wirtschaftlichen Dauerkrise festhängt, zeichnet das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) für den Rest Europas ein deutlich optimistischeres Bild. Fast jede Volkswirtschaft in der EU dürfte demnach im Jahr 2025 ein positives Wachstum des Bruttoinlandsprodukts verzeichnen. So rechnet das IW etwa für Frankreich mit einem Anstieg des BIP um 0,7 Prozent, während Spanien sogar mit einem Zuwachs von 1,9 Prozent rechnen kann. Polen hebt sich besonders ab: Hier erwartet das Institut ein Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent.
Im Schnitt dürfte der Euroraum laut Prognose um 0,8 Prozent zulegen. Auch außerhalb Europas zeigen sich die Erwartungen deutlich freundlicher: Für die USA werden 1,3 Prozent prognostiziert. Das wirtschaftlich angeschlagene China – trotz anhaltendem Deflationsdruck und Handelskonflikten – soll auf ein Wachstum von rund vier Prozent kommen.
Im internationalen Vergleich fällt Deutschland zunehmend zurück. Angesichts der schwächelnden Konjunktur braucht es dringend einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel, um einen drohenden Totalkollaps noch zu verhindern. „Die neue Regierung hat es jetzt in der Hand“, warnt IW-Ökonom Michael Grömling. „Eine Trendwende ist möglich und überfällig.“ Besonders die enorme Steuerlast und die ausufernde Bürokratie gelten dem Experten zufolge als zentrale Problemfelder.
Tatsächlich zählt Deutschland zu den Ländern mit der höchsten steuerlichen Belastung für Unternehmen weltweit. Der kombinierte Körperschaftsteuersatz lag 2024 bei rund 29,93 Prozent. Zum Vergleich: In Irland beträgt dieser nur 12,5 Prozent, in Ungarn sogar lediglich neun Prozent – ein dramatischer Wettbewerbsnachteil für den Standort Deutschland.
Auch die Bürokratiedichte in der Bundesrepublik nimmt immer groteskere Ausmaße an. Eine Analyse von Dr. Stefan Wagner in Kooperation mit der ESMT Berlin zeigt: Anfang 2025 bestand das deutsche Bundesrecht aus 1.306 Einzelgesetzen mit einem Gesamtumfang von etwa 39.536 Seiten – ein Anstieg um rund 60 Prozent seit dem Jahr 2010. Für Unternehmen bedeutet das einen rasant wachsenden administrativen Aufwand. Und das ist nur der nationale Rahmen. Europäische Richtlinien und Vorgaben sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt.
Ein weiterer zentraler Belastungsfaktor sind ganz klar die explodierenden Energiekosten. Durch die Energiewende wurde Deutschlands Stromversorgung stark von wetterabhängigen Quellen wie Wind- und Sonnenenergie abhängig gemacht. Fällt der Wind aus oder bleibt die Sonne aus, bricht die Stromproduktion drastisch ein – das Angebot sinkt, die Preise schnellen nach oben. Gerade ein Land wie Deutschland, das weder für konstante Sonneneinstrahlung noch für stetige Windverhältnisse bekannt ist – abgesehen von Offshore-Windparks auf hoher See –, kann sich keine Stromversorgung leisten, die an Wetterbedingungen geknüpft ist.
Hinzu kommt: Es fehlt an ausreichenden Speicherkapazitäten. Die Ampelkoalition hat den Umbau des Energiesystems halbherzig vorangetrieben – ohne vorhandene Absicherung. In sonnen- und windstarken Zeiten entsteht zwar ein Überangebot an Strom – dieses kann jedoch aufgrund mangelnder Infrastruktur nicht gespeichert werden. Berlin hat es versäumt, Speicherkapazitäten für solche Situationen auszubauen. Stattdessen wird überschüssige Energie an Nachbarländer verschenkt oder anderweitig verschleudert.
An den Strombörsen kommt es dadurch an stark sonnigen beziehungsweise windigen Tagen regelmäßig zu negativen Strompreisen: Das bedeutet, Produzenten zahlen sogar dafür, dass ihr Strom abgenommen wird – anstatt dafür entlohnt zu werden. Im Nachhinein wird deutlich: Die energiepolitische Linie der Ampel geht in die Geschichte ein, als Paradebeispiel ideologischer Verirrung.