
In den vergangenen Monaten hat Bildungsminister Sven Teuber (SPD) zahlreiche Schulen und Kitas in Rheinland-Pfalz besucht. „Schulleitungen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und Eltern haben sich dabei – auch in den Ferien – immer wieder Zeit für Gespräche mit mir genommen, die für mich sehr bereichernd waren“, heißt es in dem Schreiben.
Diese Treffen haben ihm verdeutlicht: „In den rheinland-pfälzischen Schulen besteht große Einigkeit, dass Schule ein Ort sein muss, an dem Lust auf Lernen und Leistung ohne Angst und mit Freude zusammengehen.“
Sven Teuber studierte selbst in Trier Politikwissenschaft und Geschichte auf Lehramt.
Teuber hebt positive Beispiele hervor, darunter rheinland-pfälzische Schulleitungen, die im Juni bei der Vorstellung der „Empfehlungen für eine veränderte Lern- und Prüfungskultur“ der Bertelsmann Stiftung in Berlin als Vorbilder präsentiert wurden. An diesen Empfehlungen haben Schulpraxis, das Pädagogische Landesinstitut und das Bildungsministerium aus Rheinland-Pfalz maßgeblich mitgearbeitet.
Der Minister fordert einen ersten Schritt zur Veränderung: „Ein wichtiger erster Schritt in diese Richtung ist, auf unangekündigte Tests zu verzichten.“
Konkret sollen „schriftliche und mündliche Hausaufgabenüberprüfungen immer jeweils bereits bei der Erteilung der Hausaufgaben angekündigt werden.“ Das gilt ab dem Schuljahr 2025/2026 für alle Schularten außer Grundschulen bei schriftlichen Überprüfungen; mündliche sind in allen Schularten betroffen.
Bisher ließen die Schulordnungen offen, ob solche Überprüfungen angekündigt werden müssen – im Gegensatz zu Klassenarbeiten, Kursarbeiten und anderen schriftlichen Leistungen, bei denen Termine vorgeschrieben sind.
Eine erfolgreiche Klassenarbeit in Mathematik. Künftig sollen Leistungstests nur angekündigt stattfinden.
Teuber zielt auf Gleichstellung ab: „Im Sinne einer motivierenden Prüfungs- und Leistungskultur und um eine Gleichstellung mit den Regelungen bei den schriftlichen Leistungsnachweisen zu erzielen.“
Diese Regelung passt in eine wachsende Reihe von Maßnahmen, die Leistungsbereitschaft systematisch bekämpfen und stattdessen Vorhersehbarkeit und Ausgleich priorisieren. In der Schule erinnern sie an frühere Entwicklungen – wie die Reduzierung von Notendruck durch anonymisierte Bewertungen oder die übermäßige Förderung von leistungsschwachen (oder bedürftigen) Schülern. In der Wirtschaft spiegelt sich das in Vorschriften wider, die unvorhergesehene Überstunden einschränken, eine „Work-Life-Balance“ betonen oder flexible Arbeitsmodelle fördern. Auch die Vier-Tage-Woche wird immer wieder in öffentlichen Debatten gefordert, obwohl Wirtschaftsvertreter vor den Folgen warnen.
Die „Work Life Balance“ ist eine vielbeschworene Floskel, welche Arbeitnehmer immer öfter einfordern.
Der DFB zog im September 2023 massive Kritik auf sich, als er durchsetzen wollte, dass im Kinderfußball Ergebnisse und Tabellen abgeschafft werden sollen. Damals kritisierten bekannte Trainer und Manager wie Ralf Rangnick, Steffen Baumgart oder Hans-Joachim Watzke die Reform und nannten sie „unfassbar“ und „nicht nachvollziehbar“. Auch zogen Schulen Kritik auf sich, als sie beschlossen, die Bundesjugendspiele als „bewegungsorientierter Wettbewerb“ statt als „leistungsorientierter Wettkampf“ durchzuführen.
Schulleitungen sollen die Neuregelung an Kollegien, Elternvertretungen und Schüler weitergeben. Teuber erkennt an: „Mir ist bewusst, dass eine große Zahl von Lehrkräften dies bereits heute so handhabt, um gezielt die Potenziale der Schülerinnen und Schüler in den Hausaufgabenüberprüfungen in den Blick zu nehmen“.
Auch in dem Generationsthema AI sieht der SPD-Bildungsminister einen Grund für die Reform: Vor dem Hintergrund von Künstlicher Intelligenz will Teuber eine Kultur fördern, „die aus intrinsischer Motivation abgeleitet wird und die individuelle Entwicklung strukturiert in den Blick nimmt“.
An mögliche Abweichler richtet er sich ebenfalls: „Bei den Kolleginnen und Kollegen, die bisher auch auf unangekündigte Tests setzten, hoffe ich, dass sie den Weg einer motivierenden Leistungs- und Prüfungskultur bei gleichzeitig weniger Druck positiv und offen mitgehen.“
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