
Es ist ein altbekanntes Spiel – und doch wird es immer perfider gespielt. Wer heute in den Medien den Begriff „konservativ“ liest, tut gut daran, gleich eine ganze Reihe politischer Kampfbegriffe mitzurechnen. „Rechts“, „rechtspopulistisch“, „rechtsextrem“, „gesichert rechtsextrem“, „faschistisch“, „verfassungsfeindlich“ – diese semantische Abrissbirne wird zuverlässig ausgepackt, sobald eine Partei oder ein Politiker nicht im linksgrünen Meinungskorridor tanzt. Pawlow lässt grüßen. AfD, Meloni, Orbán, Le Pen, Wilders, man braucht gar nicht mehr zu sagen, was diese Leute sagen, wie sie politisch argumentieren oder warum sie gewählt wurden. Es reicht der Name. Der Rest läuft automatisch. Die Alarmglocke ist konditioniert: rechts gleichbedeutend mit gefährlich.
In Rheinland-Pfalz wird diese Sprachregelung jetzt zum Gesetz. Der Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) will Mitarbeiter von Abgeordneten künftig auf ihre politische Zuverlässigkeit prüfen lassen. Wie? Sie haben es erraten, mit Daten des Verfassungsschutzes. Wer in der Vergangenheit der falschen Partei angehörte oder gar in einer rechtlich nicht verbotenen, aber politisch missliebigen Organisation aktiv war, dem soll das Gehalt gestrichen werden. Mit anderen Worten: Der politische Gesinnungstest hält Einzug in den parlamentarischen Betrieb. Demokratisch gewählte Abgeordnete dürfen zwar ins Parlament, aber ihre Mitarbeiter sollen nun nur noch mit dem Segen der Gesinnungskontrolle arbeiten dürfen. Das nennt man dann Fortschritt. Oder auch: kalten Totalitarismus.
Der Verfassungsschutz hat in den letzten Jahren eine Wandlung vom stillen Wächter zum aktiven Politikgestalter durchlaufen. Einst war er eine Institution zur Abwehr verfassungsfeindlicher Umtriebe. Heute ist er ein politisches Instrument, das über Wohl und Wehe ganzer Parteien entscheidet.
Die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ ist nicht rechtskräftig, wurde per Eilantrag ausgesetzt und ist gerichtlich umstritten. Doch das spielt im politischen Raum längst keine Rolle mehr. Die bloße Ankündigung reicht, um aus Bürgern „Gefährder“, aus Parteimitgliedern „Verfassungsfeinde“ zu machen. Die Unschuldsvermutung? Ein Relikt vergangener Rechtsstaatlichkeit.
Es sei ein unerträglicher Zustand, dass Feinde der Demokratie von der Demokratie bezahlt würden, sagt SPD-Mann Hering. Das klingt, als ginge es hier um Putschisten. Doch es geht um parlamentarisch legitimierte Kräfte, deren Mitarbeiter künftig nach geheimdienstlichen Maßstäben bewertet werden sollen.
Der Gesetzentwurf in Rheinland-Pfalz formuliert es relativ klar: Wer in den vergangenen fünf Jahren Mitglied in einer Partei war, die das Bundesverfassungsgericht verurteilt hat, darf nicht beschäftigt werden. Verständlich. Doch dann kommt der entscheidende Zusatz: Auch, wer nur Mitglied in einer vom Verfassungsschutz als „gesichert extremistisch“ eingestuften Partei war, soll künftig per Einzelfallprüfung aussortiert werden können.
Einzelfallprüfung, das klingt zunächst rechtsstaatlich. Ist es aber nicht, wenn die Grundlage eine politisch interpretierbare Einordnung durch einen Nachrichtendienst ist. Und was bedeutet das für den Bundestag? Für andere Landesparlamente? Kommt nun die flächendeckende „Gesinnungsprüfung“ auf allen Ebenen?
Der nächste Schritt: Berufsbann und Berufsverbot? Wer heute Mitarbeiter von Abgeordneten ins Visier nimmt, nimmt morgen Parteimitglieder, übermorgen Mandatsträger, dann ganze Parteien. Was passiert mit Beamten, mit Polizisten, mit Lehrern, die einer „falschen“ Partei angehören?Die Debatte ist längst da – und sie ist gefährlich.
Denn was hier unter dem Banner des „Demokratieschutzes“ verkauft wird, ist in Wahrheit ein Abbau politischer Pluralität, orchestriert von einer selbstgerechten politischen Klasse, die glaubt, den demokratischen Diskurs durch moralische Vorverurteilung ersetzen zu können.
In Wirklichkeit richtet sich das alles nicht nur gegen die AfD, sondern gegen alle, die nicht mehr bereit sind, Inflation, Genderpolitik, Migrationsversagen, EU-Zentralismus und klimapolitischen Irrsinn weiter mitzutragen. Es richtet sich gegen alle, die sich eine andere Politik wünschen. Aber vor allem richtet es sich gegen die „Falschwähler“. Sie sollen lernen, dass ihre Stimme, sollten sie sich anmaßen, weiter „falsch“ zu wählen, nichts zählt. Dass man sie gerade noch duldet, mehr aber nicht. Vor allem aber verdienen diese Wähler keinen Respekt, der allenthalben eingefordert wird. Der Staat beansprucht, bestimmte politische Strömungen aus dem demokratischen Raum drängen zu dürfen, ohne Verbot, ohne Urteil, allein durch administrative Ausgrenzung und die Macht der öffentlichen Markierung.
Wer den Verfassungsschutz zur politischen Leitinstanz macht, beschädigt den demokratischen Rechtsstaat mehr als jeder noch so provokante Oppositionsredner. Es ist höchste Zeit, dass Bürger und Medien die Instrumentalisierung von Sprache und Institutionen als das erkennen, was sie ist: ein Angriff auf das freie Denken.