
Die Rhenus Freight Stuttgart GmbH – Teil des global agierenden Logistikkonzerns Rhenus – wird zum 17. Mai ihren Standort im baden-württembergischen Pleidelsheim (Landkreis Ludwigsburg) vollständig aufgeben. Sämtliche Beschäftigten haben bereits ihre Kündigung erhalten.
Betroffen von der bevorstehenden Schließung sind rund 40 Mitarbeiter aus gewerblichen und administrativen Bereichen. „Alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, gegebenenfalls an anderen Standorten, prüfen wir gerade“, so Markus Kaiser, Branch Manager Rhenus Freight Logistics, gegenüber eurotransport.de.
Besonders bitter: Der Standort wurde erst 2021 durch die Übernahme des Gelsenkirchener Logistikunternehmens LOXX in das Rhenus-Netzwerk integriert. Doch der erhoffte wirtschaftliche Erfolg blieb aus. Nun zieht das Unternehmen die Konsequenzen. Laut dem Wirtschaftsportal Northdata schrieb die Rhenus Freight Stuttgart GmbH in den Jahren 2021 und 2022 jeweils ein Minus von rund 100.000 Euro. Neuere Geschäftszahlen liegen bislang nicht vor.
Der Mutterkonzern Rhenus Logistics, der mit rund 40.000 Mitarbeitern an 1.320 Standorten weltweit aktiv ist, gilt als größter deutscher Logistikdienstleister in Privatbesitz. In der Region Stuttgart betreibt das Unternehmen neben der Rhenus Freight Stuttgart GmbH auch weitere Einheiten wie die Rhenus Automotive, sowie die Rhenus Port Logistics Rhein Neckar GmbH & Co. KG.
Im Gespräch mit eurotransport.de benennt Markus Kaiser die Ursachen für das Aus des Standorts klar: „Die allgemeine wirtschaftliche Marktlage lässt keine Kostenerhöhung bei den Kunden zu. Auf der anderen Seite gibt es unter anderem steigende Energiepreise und Fahrermangel – das ist nicht zu kompensieren“.
Besonders der Fahrermangel stellt die gesamte Branche seit Jahren vor wachsende Herausforderungen. Diese Entwicklung ist laut Spediteuren und dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) maßgeblich auf die ausufernde Bürokratie zurückzuführen.
Berufskraftfahrer in Deutschland sehen sich mit einer Unmenge an gesetzlichen Auflagen konfrontiert, die weit über das eigentliche Fahren hinausgehen. So müssen Fahrer nach der einmaligen Grundqualifikation verpflichtend alle fünf Jahre eine Weiterbildung im Umfang von 35 Unterrichtseinheiten absolvieren, um ihre Berufszulassung zu erhalten.
Darüber hinaus sorgen europaweite Vorschriften für zusätzlichen Verwaltungsaufwand: Die EU-Fahrpersonalverordnung (EG Nr. 561/2006) beispielsweise, verpflichtet Lkw-Fahrer zur lückenlosen Dokumentation sämtlicher Lenk- und Ruhezeiten. Für den aktuellen Tag und die vorangegangenen 28 Kalendertage müssen sie stets Nachweise wie Fahrerkarte, analoge Schaublätter oder Ausdrucke mitführen und bei Kontrollen vorlegen können.
Diese Anforderungen binden nicht nur betriebsintern viele Ressourcen, sondern erzeugen auch bei den Fahrern selbst zusätzlichen Stress. Sie tragen nicht nur die Verantwortung für die Einhaltung der Fahrtzeiten, sondern auch für deren Dokumentation. Das schreckt viele Interessierte ab – gerade jüngere Menschen oder Quereinsteiger empfinden den Beruf als überreguliert, bürokratisch und wenig attraktiv.
Die hohen Energiekosten sind ein weiterer Problempunkt für Logistikunternehmen, aber auch den Rest der Wirtschaft. Sie wirken sich direkt auf die Betriebsausgaben aus – und verhindern bei einem Großteil der Betriebe ein profitables Wirtschaften.
Trotz rückläufiger Großhandelspreise im Frühjahr 2025 bleiben die Stromkosten auf einem hohen Niveau. Hauptursache dafür sind gestiegene Beschaffungskosten an der Strombörse – ein Effekt, der insbesondere auf die Energiewende zurückzuführen ist. Mit dem endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie durch die Ampelkoalition in 2023, wurde die deutsche Energieversorgung faktisch von Wind- und Sonnenkraft abhängig gemacht.
Besonders problematisch ist das, weil Deutschland bekanntlich nicht zu den sonnen- oder windreichsten Ländern zählt. In Phasen mit wenig Wind und wenig Sonnenschein – sogenannten Dunkelflauten – wird kaum Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt. Das führt zu Versorgungsengpässen und massiven Preissprüngen an den Strombörsen, die Unternehmen zunehmend an die Belastungsgrenze bringen.
Wie stark sich solche Wetterphasen auf den Strompreis auswirken, zeigte sich im November 2024: Während einer Dunkelflaute stieg der Börsenpreis zeitweise auf über 800 Euro pro Megawattstunde – das entspricht dem Zehnfachen des üblichen Durchschnitts. Nur wenige Wochen später, am 12. Dezember, wurde sogar ein Preis von über 900 Euro pro Megawattstunde verzeichnet.
Eines wird immer deutlicher: Eine Industrienation wie Deutschland kann nicht ausschließlich auf volatilen und wetterabhängigen Energiequellen basieren. Es braucht Rückhalt für Schlechtwetterphasen – zuverlässige Grundlastkraftwerke wie etwa die Kernenergie. Andernfalls wird die Welle an Standortschließungen, Firmenpleiten und Stellenstreichungen kein Ende nehmen. Denn günstige Energie ist eine Grundvoraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit und unternehmerischen Erfolg.
Hinzu kommt die CO₂-Besteuerung, die fossile Energieträger verteuert. Seit der Einführung im Jahr 2021 wurde die Abgabe kontinuierlich angehoben. Das ist für Speditionen eine weitere Zusatzbelastung. Die Abgabe treibt die Kraftstoffkosten deutlich in die Höhe – der Betrieb von Lkw-Flotten wird dadurch immer kostspieliger.
Aufgrund der einengenden Faktoren hat sich die Stimmung in der deutschen Logistikwirtschaft zu Beginn des Jahres 2025 spürbar eingetrübt. Das geht aus aktuellen Erhebungen der Bundesvereinigung Logistik (BVL) hervor. Der vorsichtige Optimismus vom Jahresende 2024 ist verflogen – die Branche blickt zunehmend mit Sorge auf die kommenden Monate.
Die nun angekündigte Schließung des Rhenus-Standorts in Pleidelsheim ist dabei kein Einzelfall, sondern vielmehr ein Mosaikstück in einer ernüchternden Gesamtentwicklung. Nicht nur die Logistik, weite Teile der deutschen Wirtschaft ächzen unter den zunehmend unvorteilhaften Rahmenbedingungen, die der Standort Deutschland derzeit bietet.
Die Zahl der Unternehmenspleiten spricht eine klare Sprache: 2024 registrierten die deutschen Amtsgerichte insgesamt 21.812 Insolvenzen – ein Zuwachs von 22,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, das seinerseits bereits einen Anstieg von 22,1 Prozent im Vergleich zu 2022 verzeichnete. Für das laufende Jahr rechnen die Experten von Allianz Trade mit einem weiteren Anstieg um zehn Prozent – auf rund 24.300 Unternehmensinsolvenzen.
Auch auf dem Arbeitsmarkt hinterlässt diese Entwicklung mehr als tiefe Spuren: In der Industrie wurden allein 2024 rund 70.000 Stellen gestrichen. Bis Ende 2025 könnte sich dieser Wert auf bis zu 100.000 verlorene Arbeitsplätze erhöhen.