
Ricarda Lang macht seit ihrem Rausschmiss als Grünen-Chefin vor allem mit zwei Dingen auf sich aufmerksam: mit handwerklich guten Internet-Witzen und der kommunikativen Abwicklung ihrer eigenen Regentschaft als Parteivorsitzende.
Im politischen Berlin wird sie dafür von Kollegen und zahlreichen Medien bejubelt, es sei zu spüren, welche Last von dieser Frau gefallen sei – dass Ricarda Langs „Befreiung“ jedoch nur zeigt, welche Katastrophen-Politik sie noch vor kurzem mit Phrasen und dem Ausblenden der Wirklichkeit mitgetragen hat, findet in den Lobhudeleien keinen Platz.
„Die neue Ricarda Lang – eine Last ist von ihr abgefallen“, schreibt etwa die Welt, „Von allen Zwängen befreit“, beschreibt die Rheinische Post die Ex-Grünen-Chefin und die Bild titelt wohlwollend, „Ricarda Lang veräppelt die Ampel“. Ihr Internet-Scherz über CSU-Chef Markus Söder, für den sie sein Gesicht auf eine Weihnachtstorte drucken ließ, bekam bei X 17.000 Likes (was im deutschsprachigen Raum sehr viel ist). Es ist, als sei ein politisches Humor-Talent gerade entdeckt worden und erstürme die Herzen der Hauptstadtpresse.
Im Netz bekommt Ricarda Lang mit ihren Scherzen viel Zuspruch.
Ricarda Lang war jedoch zweieinhalb Jahre lang eine der mächtigsten Politikerinnen dieses Landes. Und die Abgeordneten-Diät von mehr als 11.000 Euro zahlen die Steuerzahler (eigentlich) nicht für Memes.
Mit neuem Style, augenscheinlich auch bemerkenswert erschlankt und mit einer PR-Strategie im Gepäck, hat sich Ricarda Lang auf den Weg gemacht, ihr Image zu verändern:
Weg von der in Stanzen sprechenden und jede Entscheidung mit noch so verwirrenden Satz-Ungetümen verteidigenden Parteichefin, die ob ihres jungen Alters und der nicht vorhandenen Erfahrung außerhalb des politischen Kosmos für viele eine so große Zielscheibe war. Lang will nun die politische Ulk-Nudel sein, die sich nachdenklich und selbstkritisch zeigt, sich aber noch traut, unangenehme Wahrheiten auszusprechen – so als hätte sie mit diesen (in weiten Teilen erschreckenden) Wahrheiten als Parteichefin der Grünen, Verhandlerin des Koalitionsvertrages der Ampel und Mitglied im Koalitionsausschuss rein gar nichts zu tun.
So sagte sie auch im ARD-Talk bei Caren Miosga selbstkritisch, die Ampel hätte neben der Krisenbewältigung „auch viel an politischer Kultur kaputtgemacht“. Weiter sagte Lang: „Teilweise werden real existierende Probleme überdeckt mit einer sehr schwülstigen Betonung, wie wichtig die Demokratie und das Vertrauen in Demokratie ist. Und ich würde sagen: Liberale Demokratien, die immer schwülstiger in der Beschwörung ihrer selbst werden, aber immer substanzloser im Umgang mit der Realität, die werden sich irgendwann selbst zerstören.“
Dabei hatte Ricarda Lang diese politische Kommunikation der Negierung von unangenehmen Wahrheiten an vorderster Front geprägt: Legendär war Langs Auftritt nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen, wo die Grünen zwei krachende Niederlage einfuhren. Auf die Frage einer ARD-Journalistin, ob die grüne Migrationspolitik in Thüringen und Sachsen klar gescheitert sei, hatte Lang gesagt: „Nein, denn ich glaube nicht, dass das das Thema ist, dass die Menschen hier am meisten umgetrieben hat.“
Die Wahrheit ist: Alle Umfragen rund um die Wahlen haben zwei entscheidende Wahlthemen ausgemacht, nämlich soziale Sicherheit und Migration.
Auch will Ricarda Lang den Mut finden, „die Menschen wieder mehr als Erwachsene zu behandeln“. Eine Ankündigung, die die Wahrheit in sich trägt, dass die Menschen, die Wähler, der Souverän, die Auftraggeber der Politik lange Zeit eben nicht wie Erwachsene, sondern wie Kinder behandelt worden sind.
Dass die Einsicht bei Ricarda Lang nun da ist, mag man begrüßen. Aber drei Jahre Ampel, in denen den Menschen erzählt worden ist, dass Strom aus Atomkraftwerken die Netze verstopfen würde, Putin allein für die massiven Preisanstiege verantwortlich sei oder Menschen mit Penis auch Frauen sein können (und im letzten Fall dies auch in ein Gesetz gegossen wurde), sind durch eine Einsicht nicht plötzlich ungeschehen. Auch (tatsächlich oft witzige) Internet-Scherze machen all das und vieles mehr nicht ungeschehen.
Statt kritischer Nachfragen scheinen Journalisten beseelt von dem Bild einer jungen Frau zu sein, die offenbar von einem parteipolitischen Apparat eingeengt worden war und nun ihr wahres humorvolles Selbst (endlich) zeigen kann – und begleiten dies mit Ehrfurcht. Die politische Bühne dient aber nicht dazu, die charakterliche Entwicklung ihrer Protagonisten zu bejubeln – sie ist einzig dafür da, das Leben der Menschen im Land besser zu machen.
Mit diesem Unterfangen ist Ricarda Lang gescheitert. Sie war Teil der unbeliebtesten Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik, hat ein halbes Dutzend Wahlniederlagen als Parteichefin zu verantworten und auch dem Land geht es nach drei Jahren grün geprägter Ampel alles andere als gut. Da hilft auch ein neues Image nicht.
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