
Eine Richterkandidatin fürs Bundesverfassungsgericht stellt ein Tabu der Familienpolitik infrage: Ann-Katrin Kaufhold hält mehr als zwei rechtliche Eltern für verfassungsrechtlich möglich – ohne feste Obergrenze. Selbst der Ampel war diese Idee bislang zu radikal.
Bislang unbekannte Passagen aus einem Aufsatz der Münchner Staatsrechtsprofessorin Ann-Katrin Kaufhold sorgen für Aufsehen. Der wissenschaftliche Beitrag mit dem Titel „Was darf der Staat? Verfassungsrechtliche Vorgaben für die einfach-rechtliche Regelung der Mutterstellung“ behandelt unter anderem die Frage, wie viele Elternteile der Staat rechtlich anerkennen kann – und ob es dafür eine feste Obergrenze geben darf.
Kaufhold zitiert zunächst die bestehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG): Dieses habe „eine solche Grenze bisher nicht gezogen“. Ihre Analyse geht jedoch weiter. Sie formuliert:
„Wie vielen Personen einfach-rechtlich Elternbefugnisse zugeordnet werden dürfen, kann allein die Abwägung der kollidierenden Grundrechte ergeben.“
Hier will Ann-Katrin Kaufhold hin: ans Bundesverfassungsgericht.
Kaufhold stellt ausdrücklich die Frage,
„ob der Gesetzgeber die Grundrechtsträgerschaft beliebig multiplizieren darf oder ob es eine verfassungsrechtliche Bindung in Gestalt einer numerischen ‚Obergrenze‘ für verfassungsrechtliche Eltern gibt. Das BVerfG hat eine solche Grenze bisher nicht gezogen.“
Das Bundesverfassungsgericht begrenzt bislang das volle Elternrecht – Pflege und Erziehung – auf zwei Personen. Kaufhold regt an, diese Aussage als Ergebnis einer Abwägung zu verstehen und damit als überprüfbar:
„Die Aussage des BVerfG, das Elternrecht sei auf maximal zwei Elternteile begrenzt, sollte als Formulierung des Ergebnisses dieser Abwägung verstanden und als ein solches überprüft werden.“
In einem weiteren Zitat heißt es:
„Ob einem Kind einfach-rechtlich mehr als zwei Elternteile zugeordnet werden können und ob der leiblichen vor der rechtlichen Mutter der Vorrang gewährt werden muss, ist abhängig von einer Bewertung der Konsequenzen der jeweiligen Regelungen für das Kindeswohl.“
Juristisch bedeutet das: Kaufhold hält es für verfassungsrechtlich möglich, dass mehr als zwei Personen als rechtliche Eltern eines Kindes eingetragen werden – sofern dies dem Kindeswohl dient.
Das heißt: Sie positioniert sich eindeutig für mehr als zwei rechtlich eingetragene Elternteile.
Selbst der Ampel-Koalition war eine solche Öffnung zu weitgehend. Unter der Überschrift „Drei Elternteile? So weit will die Ampel nicht gehen“ erklärte das Bundesjustizministerium nach einem einschlägigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Man wolle an dem Grundsatz festhalten, dass „ein Kind nur zwei rechtliche Eltern haben darf“. Von diesem Prinzip werde nicht abgewichen, wie Welt berichtete.
Die Ampel bestand auf den Grundsatz: nur zwei Elternteile.
Damit rückt eine Position, die weit jenseits der gesellschaftlichen Mitte steht, in den Mittelpunkt einer Personaldebatte um das höchste deutsche Gericht. Vergleichbar scharf war die Auseinandersetzung um die frühere SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf, die dem ungeborenen Kind die Menschenwürde absprach – ein Standpunkt, der damals auf heftige Kritik stieß und zu ihrer Rücknahme der Kandidatur führte. Nun geht es wieder um eine familienpolitische Position.
Eine Umsetzung der von Kaufhold beschriebenen verfassungsrechtlichen Spielräume könnte bedeuten, dass in bestimmten Konstellationen – etwa wenn eine Mutter ihren Partner verlässt, einen neuen Mann kennenlernt und dieser statt des leiblichen Vaters als rechtlicher Vater eingetragen wird – mehr als zwei Personen Elternstatus erhalten.
Unter dieser Logik wäre sogar denkbar, dass die biologische Kernfamilie vollständig aufgeweicht oder aufgelöst wird. In der Konsequenz ginge es um eine Abkehr von der bisherigen, biologisch definierten Elternschaft – bis hin zur Anerkennung beliebig vieler rechtlicher Eltern.
Kaufholds Position würde nicht nur das Zwei-Eltern-Prinzip kippen – sie könnte die Grundfesten der klassischen Familie in Deutschland dauerhaft verändern.
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