
Am Ende wurde der Druck, auch aus der eigenen Partei, zu stark: Kanadas Premier Justin Trudeau hat seinen Rücktritt vom Amt des Parteichefs verkündet. Damit ist auch sein baldiges Ende als Premierminister besiegelt. Trudeaus Scheitern steht symbolisch für das nahende Ende der Ära der links-grünen Ideologen.
Als Justin Trudeau, der älteste Sohn von Pierre Trudeau (von 1968 bis 1984 mit kurzer Unterbrechung ebenfalls Premierminister Kanadas), im November 2015 Regierungschef wurde, waren Europas Linke ganz aus dem Häuschen. Schließlich entsprach die Agenda des damals 43-Jährigen ziemlich genau ihrem Wunschzettel: Hier bezeichnete sich der Premier höchstselbst als Feminist, und sein selbstgewähltes politisches Lebensziel war das „postnationale“ Kanada.
Daneben wollte er höhere Steuern für Reiche, staatliche Investitionen, stärkeren Umweltschutz, mehr Hilfe für die „First Nations“ genannten Ureinwohner. Trudeau setzte sich für die Legalisierung von Cannabis ein und legte sich in der Abtreibungsfrage mit den Religiösen an. Er sprach nicht von „mankind“, sondern von „peoplekind“, das sei „integrativer“. Und er presste im Sitzen betont die Beine aneinander, „Manspreading“ konnte ihm keiner vorwerfen.
Hoffnungsträger der woken Ideologen: Trudeau nach seinem Amtsantritt 2015.
Der Daily Mirror kürte ihn zum „sexiesten Politiker der Welt“, er erschien in der Vogue und auf der Titelseite des Rolling Stone unter der Schlagzeile „Why Can't He Be Our President?“ (Warum kann er nicht unser Präsident sein?). Über diverse Peinlichkeiten, die sich Trudeau immer wieder leistete, sahen seine Fans hinweg, so etwa der Aufzug, in dem der Premier und seine Familie in Indien erschienen und der offenbar der Requisite eines Bollywood-Films entnommen worden war.
Auch dass 2019 knapp zwei Jahrzehnte alte Fotos auftauchten, auf denen er während einer Kostümparty mit braun geschminktem Gesicht als Aladin zu sehen ist, was einem dieser Tage den Vorwurf des rassistischen „Blackfacings“ einbringt, überstand Trudeau.
Wie auch diverse handfeste Skandale: So flog Trudeau mit seiner Familie in einem Helikopter des Milliardärs Aga Khan auf dessen Privatinsel auf die Bahamas, wo er auch noch Geschenke von dem Mann annahm, dessen Organisation mehrere hundert Millionen kanadische Dollar an Bundeszuschüssen erhalten hatte. In der SNC-Lavalin-Affäre und dem WE-Charity-Skandal (um Verbindungen seiner Familie und seines Finanzministers, die fette Honorare bekommen hatten) ging es um den Bruch von Regeln für die Verhinderung von Interessenskonflikten.
In einem Statement zum Ableben des kubanischen Diktators Fidel Castro nannte Trudeau diesen einen „bemerkenswerten Staatsführer“ sowie einen „legendären Revolutionär und Redner“ genannt, dessen Todesnachricht er mit „tiefer Trauer“ zur Kenntnis genommen habe. Nach dem Mord an dem französischen Lehrer Samuel Paty im Oktober 2020 durch einen Islamisten sagte Trudeau, Meinungsfreiheit sei „nicht grenzenlos“ und dürfe andere nicht verletzen.
Aber auch das woke Gehabe begann den Kanadiern zunehmend auf die Nerven zu gehen. Millionen für eine Statue für Homosexuelle auszugeben und gleichzeitig Veteranen bescheiden, sie würden zu viel verlangen, kommt bei den meisten Bürgern nicht besonders gut an. Ebenso wie der Vorwurf des Rassismus, wenn man berechtigte Fragen zu den Kosten der illegalen Einwanderung stellt.
Letztere gehört zu den Dingen, die Trudeau schließlich politisch das Genick brechen sollten. Trudeau hatte die zu Recht lange gepriesene, vorbildhafte kanadische Einwanderungspolitik aufgeweicht und die Massenzuwanderung unqualifizierter Migranten zugelassen, mit den erwartbaren gravierenden Folgen für das Gesundheitssystem, die Bildung und den Wohnungsmarkt.
Die Mieten haben sich verdoppelt, ebenso wie die Hypothekenzahlungen. Die kanadischen Städte gehören heute zu den am wenigsten erschwinglichen der Welt. Eine galoppierende Inflation frisst die Kaufkraft der Bürger auf, die Staatsschulden haben sich dramatisch erhöht. Kein Wunder, dass laut einer Umfrage im vergangenen September 58 Prozent der Befragten meinten, die Zahl der Einwanderer sei zu hoch – fast eine Verdopplung binnen zwei Jahren.
Dass Trudeau hinter dem verbindlichen Dauerlächeln auch ein knallharter Machtpolitiker sein kann, bewies er in der Corona-Zeit, als er drakonische Maßnahmen verhängte und Proteste wie die der Trucker, als mehrere hundert Lastwagen wichtige Handelsrouten und den Verkehr in der Hauptstadt Ottawa blockierten, gnadenlos niederschlug. Der von ihm ausgerufene Notstand (!) erlaubte es der Regierung unter anderem, die Proteste zu verbieten, aber auch die Bankkonten von allen einzufrieren, die mit den Protesten in Verbindung gebracht wurden – ohne richterlichen Beschluss.
Der Freedom Convoy: Gegen die friedlichen Trucker-Proteste 2022 ging Trudeau mit aller Härte vor.
Jetzt ist der Posterboy der Linken am Ende. Die Minderheitsregierung seiner Liberalen mit der sozialdemokratischen NDP ist so gut wie chancenlos gegen die Konservativen mit ihrem charismatischen und überzeugenden Kandidaten Pierre Poilievre. Spätestens im Oktober wird in Kanada gewählt, jetzt sind vorgezogene Neuwahlen wahrscheinlich. Zwei Minister sprangen zuletzt ab, darunter Trudeaus enge Vertraute Chrystia Freeland. Den richtigen Zeitpunkt für seinen eigenen Abgang hatte Trudeau längst verpasst.
In sieben Jahren hat die Regierung die Schulden mehr als verdoppelt – von 600 Milliarden auf 1,3 Billionen. Wohnungsnot, Kriminalität und Inflation drücken die Kanadier, die CO2-Steuer schlägt voll durch – in einem Land, in dem die meisten Menschen auf das Auto angewiesen sind und in dem teils die Hälfte des Jahres Winter ist, ist die Bezahlbarkeit von Energie das A und O. Pierre Poilievres Programm ist daher klar: „Axe the tax, build the homes, fix the budget, stop the crime“ (Steuern streichen, Wohnungen bauen, Haushalt sanieren, Kriminalität stoppen).
Pierre Poilievre, Chef der Konservativen, dürfte Kanadas nächster Premierminister werden.
Eine Politik des gesunden Menschenverstandes. Der war auch das Motto des Parteitags der Konservativen – und ist der Wunsch der meisten Bürger im Westen, die von der Herrschaft der Woken genug haben. Der Niedergang Trudeaus ist nur ein weiteres Zeichen für das nahende Ende der Ära der links-grünen Ideologen.