
Mitten in der Nacht in Berlin-Köpenick: verzweifeltes Blöken dringt aus einem Wohnhaus, es sind die letzten Laute von Schafen, die wenige Minuten später tot auf dem Küchenboden liegen. Ein Anwohner ruft die Polizei, die Beamten machen eine grausige Entdeckung: Zwei tote Tiere, blutverschmierte Messer, ein drittes Schaf noch lebend im Badezimmer, es konnte gerade noch gerettet werden. Der Täter: ein rumänischer Staatsbürger, der angibt, die Tiere „gekauft“ zu haben. Doch die Spuren führen zu einem Landschaftspark in Lichtenberg. Der Verdacht: Diebstahl, Hehlerei und Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Das berichtet aktuell die BZ Berlin.
Solche Meldungen mehren sich jedes Jahr in Deutschland, stets rund um die gleiche Zeit, die des islamischen Opferfestes. Wie kürzlich in Bayern: Auf einem Feld bei Rennertshofen wurden mehrere tote Schafe entdeckt, offenbar ohne Betäubung geschächtet. Fünf muslimische Männer wurden am Tatort angetroffen, die Polizei ermittelt wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz.
Die Nachfrage nach Schafen steigt in diesen Tagen um das Opferfest immer wieder an. Im Jahr 2016 berichtete die Rheinische Post recht deutlich im Titel: „Schafdiebe vor muslimischen Feiertagen besonders aktiv“ – und weiter: „Nach einem der größten Tierdiebstähle der Region glauben Schäfer einen Trend zu erkennen. Immer kurz vor muslimischen Feiertagen kämen kriminelle Banden, die ein Dutzend Tiere in kurzen Zeitraum verschleppen.“
Der Preis pro Tier kletterte in dem Jahr auf 250 bis 300 Euro. Das rufe dann nicht nur Hobby-Schlächter auf den Plan, so die RP, sondern auch organisierte Banden wie im nordrhein-westfälischen Grevenbroich: Dort wurden damals in einer Nachtaktion des Jahres 2016 dreizehn Schafe von einer Weide gestohlen. In den vergangenen Jahren häuften sich im Rhein-Kreis Neuss solche Fälle. Ganze Herden verschwinden, oft ohne jede Spur. Schäfer berichten von grausigen Funden: abgetrennte Hufe, Schädel, Blutlachen mitten auf der Weide.
Manchmal werden die Tiere vor Ort getötet, in anderen Fällen verladen und an unbekannte Orte gebracht. Die Schäfer fühlen sich von der Polizei alleingelassen. Anzeigen versanden, Ermittlungsverfahren werden eingestellt. Der Vorwurf eines betroffenen Schäfers: „Es lohnt sich nicht einmal das Telefonat.“
Selbst große Operationen sind längst keine Seltenheit mehr. In Nordfriesland verschwanden Mitte Juni 2024 87 Schafe von einem Deich. Die Täter müssen mit mehreren Fahrzeugen über Stunden am Werk gewesen sein. In Hessen wurden im Mai rund 50 Schafe gestohlen, auch hier höchst professionell organisiert.
Warum greift der Staat nicht entschiedener durch? Warum fehlen flächendeckende Kontrollen, gerade in diesen Tagen eines überschaubaren Zeitraums? Das Schweigen vieler Behörden ist bezeichnend. Religiöse Gefühle will man offenbar nicht verletzen, selbst wenn dabei geltendes Recht gebrochen und Tiere brutal misshandelt werden oder die Folgen des politischen Kontrollverlusts weiter laufen lassen. Der Deutsche Bauernverband spricht seit Jahren von einer besorgniserregenden Entwicklung. Immer rund um die islamischen Feiertage häufen sich die Fälle. Schäfer werden zu leichten Opfern, weil es keine Kontrollen auf den Weiden gibt.
Das Argument der Religionsfreiheit zieht hier nicht. Denn das Schächten ist in Deutschland nur unter strengen Auflagen und in zertifizierten Betrieben erlaubt. Es bedarf einer Sondergenehmigung, und selbst diese muss das Tierleid minimieren. Doch an solche Regeln halten sich die Täter in den aktuellen Fällen nicht.
Es ist eine stille Parallelwelt, die sich Jahr für Jahr in deutschen Städten und auf dem Land entfaltet. Wo nachts Schafe in Mietwohnungen getrieben werden. Wo Herden wie bei einem Viehtrieb gekidnappt werden. Und wo Polizei und Justiz oftmals viel zu zurückhaltend agieren. Die Tierquälerei bleibt am Ende das sichtbarste Symptom einer tiefer liegenden Problematik: dem schleichenden Verlust des staatlichen Gewaltmonopols in sensiblen Bereichen des öffentlichen Raums. Und der bedenklichen Bereitschaft, aus falsch verstandener Toleranz geltendes Recht selektiv zur Seite zu schieben.
Die Berliner Polizei ermittelt im aktuellen Fall immer noch, die in Bayern ebenfalls. In Grevenbroich und Nordfriesland blieb es bei der Hoffnung auf Zeugenhinweise. Doch eines ist sicher: Auch im nächsten Jahr, pünktlich zum Opferfest, werden wieder Schafe blöken, in Küchen, Hinterhöfen und Transportern. Und der Rechtsstaat wird wieder schwerhörig sein.