
Kaum im Amt droht der Bundesregierung ein erster herber Rückschlag. Nach Informationen des Handelsblatts könnte die Europäische Union in der Einführung des vom Bundeswirtschaftsministerium vorbereiteten Industriestrompreises eine unerlaubte Beihilfe sehen. Er soll energieintensive Unternehmen am Standort Deutschland gegen steigende Energiekosten und den Verlust ihrer Wettbewerbsposition auf dem internationalen Markt abschirmen und wäre eine direkte Subvention der Betriebe.Der Industriestrompreis zählt zu den entscheidenden Bausteinen der von Bundeskanzler Friedrich Merz und Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (beide CDU) angekündigten Wirtschaftswende. In dem Dokument des Wirtschaftsministeriums, über das das Handelsblatt berichtet, heißt es: „Die Umsetzung des Konzepts birgt EU-beihilferechtlich erhebliche Herausforderungen.“ In Brüssel seien die „Vorbehalte erheblich und die Aussichten auf eine Genehmigung höchst unsicher.“
Lässt die EU-Kommission als Hüterin der Wettbewerbsregeln innerhalb der Union die deutsche Industrie damit im Regen stehen? Deutschland ist im Zuge der ökologischen Wende und seit dem Ausstieg aus der Kernkraft zum teuersten Energiestandort der Europäischen Union avanciert. Im Bereich der Stahlerzeugung, Chemie oder Glasproduktion zahlen Betriebe bis zu 20 Cent pro Kilowattstunde. In Frankreich als Referenzstandort in der EU liegen die Kosten bei gerade einmal 7 bis 10 Cent, in den USA bei 6 bis 8 Cent. Chinesische Wettbewerber können mit noch geringeren Kosten kalkulieren.Bedenkt man, dass der Kostenanteil des Faktors Energie im Industriesektor zwischen 5 und 10 Prozent liegt, in der Spitze auch 30 Prozent betragen kann, wird deutlich, weshalb es immer mehr Betriebe ins kostengünstigere Ausland zieht. Unternehmen wie ThyssenKrupp, ein deutsches Traditionswerk, planen bereits Stellenstreichungen und Werksschließungen oder haben diese bereits vollzogen, wie im Falle von BASF, das 2.500 Mitarbeitern kündigen musste.
Scheitert die Bundesregierung mit ihrem Plan der Einführung einer Stromsubvention für die Industrie an den Beihilferegeln der EU, droht dem Standort ein sich beschleunigender Exodus deutscher Unternehmen – zumal keine anderen vergleichbaren entlastenden Maßnahmen geplant sind. Allein im vergangenen Jahr flossen netto 65 Milliarden Euro an Direktinvestitionen an das Ausland ab – dabei handelt es sich um Kapital, das sich unmittelbar in Produktion und Beschäftigung umsetzen lässt.Merz und Reiche stehen also vom ersten Tag ihrer Regierungszeit an unter massivem Zugzwang. Da eine weitgehende Deregulierung und Rückabwicklung der zahlreichen Ökonormen und Produktionsvorschriften keine Option zu sein scheint, dürfte es für die Unternehmen am Standort Deutschland zunehmend eng werden. Zumal mobiles Kapital bereits aktiv von der Konkurrenz angelockt wird. Man denke an die bevorstehende Steuersenkung für Gewerbe auf 15 Prozent in den USA.