
Kaum hat Wolfram Weimer von Claudia Roth das Amt des Kulturstaatsministers im Kanzleramt übernommen, folgt der erste Paukenschlag: Roths Intimus Andreas Görgen muss gehen. Er war immer wieder damit aufgefallen, Urheber antisemitischer Äußerungen im Kulturbetrieb in Schutz zu nehmen. In besonders unrühmlicher Erinnerung ist die wegen Antisemitismus-Vorfällen belastete Kunstausstellung documenta 15.
Der dpa sagte Weimer: „Ich möchte gleich an meinem ersten Tag ein Zeichen setzen, dass die in Schieflage geratene Beziehung vom BKM zur jüdischen Community wieder hergestellt wird und ein konfliktreiches Kapitel der deutschen Kulturpolitik ein Ende findet.“ Deshalb wollte sich Weimer zuerst mit Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, treffen, der beklagt hatte, „dass Antisemitismus in Kunst und Kultur nicht nur fest verankert ist, sondern sich stetig bedrohlich weiterentwickelt.“
Görgen, Ministerialdirektor beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und auch als „Claudia Roths Gehirn“ bezeichnet, hat daran einen erheblichen Anteil. Er galt als Mastermind der durchideologisierten rot-grünen Kulturpolitik. Vor allem wegen seiner Haltung zur Israel-Boykott-Bewegung BDS war Görgen immer wieder in die Kritik geraten, insbesondere in Zusammenhang mit der wegen Antisemitismus-Vorfällen belasteten Kunstausstellung documenta 15.
Von Claudia Roth wurde Andreas Görgen zum Ministerialdirektor ernannt, er galt als ihr „Gehirn“.
Schon während seiner Zeit als Leiter der Kultur- und Kommunikationsabteilung des Auswärtigen Amtes (2014–2021) fiel Görgen immer wieder negativ auf. Mehrfach traf er den kamerunischen Historiker Achille Mbembe, wie aus mehreren Tweets von 2018 hervorgeht. Mbembe verglich die israelische Politik mit der Apartheid in Südafrika, woraufhin Görgen einen Artikel twitterte: „Vergleichen ist nicht gleichsetzen“, und behauptete, die gegenwärtige israelische „Apartheid“ sei „weitaus tödlicher“ als die südafrikanische in der Vergangenheit. Entsprechend gehörte Mbembe auch zu den Unterstützern der antisemitischen und israelfeindlichen BDS-Boykottbewegung.
Der Historiker Achille Mbembe. Seine Holocaustrelativierung und Verunglimpfung Israels als „Apartheid“-Staat nahm Görgen immer wieder in Schutz.
Im April 2020 twitterte Görgen einige Artikel zur Unterstützung von Mbembe, der beschuldigt wurde, die Shoah zu verharmlosen und antisemitische Positionen zu vertreten, und teilte zustimmend Interviews, in denen Mbembe gegen Kritik des Antisemitismusbeauftragten Felix Klein verteidigt wurde. Außerdem likte er Tweets, die Klein vorwarfen, den Antisemitismusbegriff als politische Waffe zu missbrauchen, was sogar im Ausland Aufsehen erregte.
Weiter ging es im Juli 2020, als Görgen die Berufung von Nurhan Soykan, einer Vertreterin des Zentralrats der Muslime, in die Abteilung „Religion und Außenpolitik“ bekanntgab. Ihr war die Unterstützung antisemitischer und islamistischer Positionen vorgeworfen worden. Sie hatte antisemitische Al-Quds-Märsche verteidigt und sich nicht klar von Antisemitismus distanziert. Das Projekt „Religion und Außenpolitik“ wurde auf Eis gelegt.
Palästinensischer Terror als Folge der israelischen Politik – so sieht Nurhan Soykan den Gaza-Konflikt. Kein Hindernis für Görgen, sie in ein Projekt zu berufen.
Im Dezember 2020 gab’s Lob für Görgen von unangenehmer Seite: Die „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“, die sich gegen die Bundestagsresolution von 2019 wandte, die die BDS-Bewegung als antisemitisch einstuft, dankte Görgen für „fachlichen Rat und Diskussionsbeiträge“. Das Auswärtige Amt sah sich daraufhin genötigt, klarzustellen, dass Görgen „bei der Formulierung des Aufrufs nicht mitgewirkt“ und sich den Text „ausdrücklich nicht zu eigen gemacht“ habe.
Sicher war hingegen nun, dass Görgen offenbar kein Problem mit der BDS-Bewegung hat, was auch vom Simon Wiesenthal Center registriert wurde. Dieses hatte Görgen schon zuvor kritisiert, weil er einen führenden Befürworter von BDS in Südafrika verteidigt hatte.
Frühzeitig wurde vor judenfeindlichen Aktivisten gewarnt, die die Kasseler documenta 15 – aus dem Fördertopf der Roth-Behörde mit rund 3,5 Millionen Euro mitfinanziert – in ihrem Sinne zu missbrauchen gedachten, dem Künstlerkollektiv Ruangrupa aus Indonesien. Ruangrupa bediene antizionistische Vorurteile, und zahlreiche geladene Künstler würden die antisemitische BDS-Kampagne unterstützen. Die documenta 15 fand vom 18. Juni bis zum 25. September 2022 statt und machte verheerende Schlagzeilen wegen der Ausstellung offen judenfeindlicher Kunstwerke.
Das Großbanner „People's Justice“ des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi auf der documenta 15 war eines der Kunstwerke, die den Skandal auslösten.
Erst im Oktober stellte sich heraus, dass Andreas Görgen, nunmehr Amtschef unter Claudia Roth im Kulturstaatsministerium, im Januar 2022 eine E-Mail an Roth, den Kassler Oberbürgermeister, die hessische Kulturministerin und andere gesandt hatte. Darin schrieb er, „so weit als immer möglich“ solle verhindert werden, „dass Regeln des politischen Diskurses die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Kunst und der Wissenschaft beschränken.“
Im Namen der Kunstfreiheit sollte also auch der Antisemitismus seinen Platz in Deutschland haben. Wie bei den Oberhausener Kurzfilmtagen 2024, als Israelhasser das Festival und seinen Leiter Lars Henrik Gass über Monate unter Druck setzten und zum Boykott der Kurzfilmtage aufriefen, weil er sich nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 mit Israel solidarisiert hatte. Immerhin tauchte Görgen in Oberhausen auf, um dem Angegriffenen Gass mitzuteilen, das Kulturstaatsministerium verteidige auch die Freiheit „der Intendantinnen und Intendanten der Kultureinrichtungen“.
Im Mai 2023 hatte Görgen auf der Konferenz „Von der Kunstfreiheit gedeckt?“, einer Tagung zur Antisemitismusdebatte in der Kultur, Claudia Roths Bemühungen verteidigt, eine Expertenkommission für die documenta einzusetzen, die jedoch am Widerstand der documenta-Leitung scheiterte. Er plädierte für Dialog, auch im Kontext der „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“.
Als typischer Vertreter der Kulturschickeria war es Görgen immer auch ein Anliegen, Projekte zum Thema Critical Race Theory und Postkolonialismus im Kultursektor zu pushen. Die umstrittene Neukonzeption der Gedenkstättenpolitik des Bundes, die Roths Ministerium plante, soll Görgens Handschrift tragen. In dem Konzept hieß es, dass neben dem Gedenken an NS-Zeit, Schoah und die deutsche Teilung drei weitere Felder Pfeiler der Erinnerungskultur werden sollen: der Kolonialismus, die Einwanderungsgesellschaft und die Kultur der Demokratie.
Claudia Roth stand für die rot-grüne Ideologisierung der Kulturpolitik.
So wollte Roth in Berlin einen Erinnerungsort zum „europäischen und deutschen Kolonialismus“ errichten, in Köln ein „Haus der Einwanderungsgesellschaft“ und in Frankfurt am Main die Paulskirche sanieren und um ein „Haus der Demokratie“ ergänzen. Hubertus Knabe fasste das Konzept so zusammen: „Die deutsche Erinnerungskultur soll in einer bunten Mischung multikultureller Narrative aufgelöst werden. Wozu diese scheinbar progressive Toleranz führen kann, zeigt sich schon heute an Schulen und Universitäten, wo Antizionismus und Antisemitismus auf dem Vormarsch sind.“
Mit Görgen muss also der Kopf der ideologisierten Kulturpolitik gehen, und das ist gut so. Wolfram Weimer ist zu gratulieren, schon am ersten Tag im Amt klargemacht zu haben, dass judenfeindlichen Künstlern keine Bühne mehr geboten wird, geschweige denn, dass sie weiter Steuergelder abgreifen können. Und dass die Zeit der „schönen Künste als Werkzeug linker Gesellschaftspolitik“ (Alexander Kissler) zu Ende geht.
Was zwangsläufig Aufregung im Kulturbereich verursacht. „Wolfram Weimer ist nicht geeignet für dieses zentrale Amt der Kulturpolitik“, heißt es etwa in einer Petition, die bereits von einer fünfstelligen Anzahl linker „Kulturschaffender“ unterschrieben wurde. In der Welt stellte Ulf Poschardt fest: „Die hysterischen Reaktionen des linken Kulturbetriebs zeigen, dass Weimer der richtige Mann ist – und die vernichtende Kritik macht ihn erst richtig frei.“
Tatsächlich ist die Befürchtung des linken Kulturbetriebs, der konservative Weimer könnte nun von rechts machen, was Roth von links bereits mit Vehemenz betrieben hat, haltlos. Weder plant er, dessen Haus einen Etat von etwa zwei Milliarden Euro verwaltet, brutale Mittelkürzungen („Ich möchte die wunderbar reichhaltige Kulturlandschaft vor allem stärken und unterstützen in ihrer außergewöhnlichen Vielfalt. Wer von mir den Sparkommissar erwartet, den muss ich enttäuschen“), noch ist Weimer ein Kulturkämpfer von rechts, sondern nach Selbsteinschätzung „ein bekennender Liberal-Konservativer und Werte-Verfechter der bürgerlichen Kultur“.
Für Linke natürlich schon deshalb die Personifizierung ihres Feindbildes. Der Schauspieler Ulrich Matthes hält Weimer für einen „Ideologen“ – ein Vorwurf, den er gegenüber Claudia Roth, kaum überraschend, nie erhob. Matthes meinte auch, Weimer vertrete wirtschaftsliberale Theorien, was womöglich dazu führe, dass er für Einschnitte im Subventionssystem der Hochkultur eintreten werde.
Dass Friedrich Merz Wolfram Weimer zum Kulturstaatsminister ernannt hat, bedeutet, dass die Zeit der linken Ideologen in der Kulturpolitik abgelaufen ist.
Am Gelde hängt doch alles, und unter Claudia Roth und Andreas Görgen flossen die Mittel reichlich, insbesondere in ideologische Projekte. Wolfram Weimer hingegen wird die Kultur eben nicht als Vehikel seiner konservativen Ideologie nutzen. Während Roth mit missionarischem Eifer ihre Ideologie im kulturellen System zu implantieren versuchte, gleichzeitig aber schwieg, wenn es um wirkliche kulturelle Problemfälle wie die documenta oder die Berlinale ging, erteilt Weimer der einseitigen Indoktrination eine Absage: „Gerade der breite Raum der bürgerlichen Mitte, egal, ob wir nun die Welt aus eher roter, gelber, grüner oder politisch schwarz-türkiser Perspektive sehen, sollte miteinander im offenen Diskurs bleiben, sich zuhören, respektieren und politische Kompromisse finden.“
In Zeiten der grassierenden Judenfeindlichkeit und des Hasses auf die westliche Zivilisation war die Ernennung Weimers ein erstes gutes Zeichen. Das zweite setzte er selbst, und das gleich am ersten Tag. Die Botschaft: Die Zeiten, in denen unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit linke Agitation und Propaganda blühen und auch noch mit Abermillionen an Subventionen überhäuft werden, sind vorüber.
Den weitgehend steuerfinanzierten Kulturbetrieb wird Wolfram Weimer nicht zerschlagen, nur vom Kopf auf die Füße stellen. Antisemitische Projekte werden nicht mehr gefördert. Und von ihm sind auch keine surrealen Vorschläge wie von Claudia Roth zu erwarten, die gern in Bayreuth „Hänsel und Gretel“ spielen lassen wollte. Und ebenso wenig ist denkbar, dass das Kulturstaatsministerium noch einmal eine Berlinale mitfinanziert, auf der Regisseure Israel vorwerfen, in Gaza zehntausende Menschen „abzuschlachten“ und „Apartheid“ zu praktizieren – der letzte judenfeindliche Skandal in der Extremistenversteher-Zeit der Roths und Görgens. Jetzt brechen andere Zeiten an.
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