
SPD-Chef Lars Klingbeil gab sich in seiner Erklärung zu den Koalitionsverhandlungen sehr fortschrittlich. Er sagte: „Die Bagger müssen arbeiten, und die Faxgeräte in diesem Land müssen entsorgt werden.“ Was er meinte: das neugeschaffene Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Schon das Wort Digitalisierung ist allerdings ein Anachronismus – die meisten unserer Nachbarländer sind schon digital, das gilt heute als Standard. Ein bisschen ist es so, als würde die Deutsche Bahn einen Vorstand für Dampflokomotiven einberufen. Wäre das Ministerium für Künstliche Intelligenz im Dienst aller Bürger zuständig, hätte es vielleicht ein bisschen fortschrittlicher geklungen: KIiDaB. Vielleicht kommt das noch. Das neue Ministerium wird von der CDU geführt, Glück auf, wie es in der Steiger- und Bergmannssprache einst hieß.
Schauen wir uns doch mal die von Klingbeil kritisierten Faxgeräte genauer an. Nicht die Geräte, sondern die Nutzer (User, wie es heute heißt).
Das Faxen am Arbeitsplatz ist immer noch weit verbreitet, insbesondere im Medizinischen und juristischen Bereich, aber auch bei Immobilienmaklern, Versicherungen und vielen mehr. In 82 Prozent aller Unternehmen stehen heute noch Faxgeräte. Sie stehen nicht nur, sie werden auch benutzt. Jeder vierte Unternehmer arbeitet heute regelmäßig mit Faxgeräten.
Hannover: Drei Kilogramm bringt das tragbare Faxgerät auf die Waage, das ein deutsches Unternehmen am 24. März 1990 auf der CeBIT präsentierte.
Was für eine Technik: Jemand legt ein wichtiges Dokument in das Gerät, drückt auf „Start“, das Teil zieht ratternd das Blatt ein – und auf einem anderen Gerät tauchen schon Sekunden später die Informationen ausgedruckt auf. Ab den späten Siebzigerjahren hatte das Faxgerät Deutschland erobert, auch im Bundestag wurden Tausende Geräte angeschafft. Dann – bereits 1984 – kam die Mail. Das Fax wurde überflüssig – und wurde doch weiter benutzt. Am 15. Januar 2021 kam schließlich dieser Beschluss: Der Ältestenrat im Bundestag möchte die letzten Faxgeräte im Haus abschaffen. Zu diesem Zeitpunkt gab es in der Verwaltung sowie in den Abgeordnetenbüros und den Fraktionsräumen noch etwa 10.000 Apparate. Inzwischen sind die meisten Geräte im Bundestag abgeklemmt.
Mein gesunder Menschenverstand bittet hier, nicht falsch verstanden zu werden. Der Faxdienst wurde 1979 von der Deutschen Bundespost offiziell eingeführt. Faxe haben millionenfach das Leben der Menschen erleichtert. Es war zwar nichts fürs Herz – wer schreibt schon Liebesbriefe per Fax? Aber das vertraute Rattern hatte was fast Anheimelndes, etwas jedenfalls, dass einen neugierig machte, wie heute der Klingelton des Handys, auch wenn meist nur Formelkram und Rechnungen per Fax kamen.
Aber zwischen 1979 und heute liegt die ganze digitale Welt. Der wohl größte Fortschritt, den die Welt je erlebt hat. Da passt kein Faxgerät mehr – auch nicht in Deutschland.
Deshalb: Schluss mit den Faxen!