Schwächeanfall zum Augustende: Arbeitslosigkeit in Deutschland über drei Millionen – US-Gerichte stoppen Zölle

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Im August übersprang die Zahl der Arbeitslosen zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren die Marke von drei Millionen. Das meldete die Bundesagentur für Arbeit am Freitag. Die Arbeitslosenquote stieg damit im August gegenüber Juli um 0,1 Prozentpunkte auf 6,4 Prozent. Der Arbeitsmarkt sei nach wie vor von der wirtschaftlichen Flaute der vergangenen Jahre geprägt, erklärte die Vorsitzende der Arbeitsagentur, die frühere SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles. Es gebe allerdings auch erste Anzeichen einer Stabilisierung, sagte sie. So sei die Zahl der Erwerbstätigen – die auch die Selbstständigen erfasst – nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Juli saisonbereinigt gegenüber Juni um 4000 auf 45,98 Millionen Personen gestiegen.

Vor allem die Industrie steckt in der Krise. Der Umsatz der Industrieunternehmen schrumpfte im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,1 Prozent. Es war das achte Quartalsminus in Folge. Mit Ausnahme der Elektroindustrie ging es in allen großen Industriebranchen bergab. In der Autoindustrie brach der Umsatz um 1,6 Prozent ein. Innerhalb eines Jahres gingen in der deutschen Industrie rund 114.000 Stellen verloren. Gemessen an dem Vor-Pandemie-Jahr 2019 beträgt das Minus fast 250.000 Arbeitsplätze. Fast jeder zweite in Deutschland verlorengegangene Industriejob entfiel auf die Autoindustrie.

Kaum besser sieht es in der Metall- und Elektroindustrie aus. Die Arbeitslosigkeit in der Branche nahm im August um zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Die Anzahl der offenen Stellen liege derzeit mit 123.700 um neun Prozent unter dem Vorjahr, ließ der Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie verlauten: Die Personalpläne der Unternehmen in der Branche seien im Saldo unverändert. 26 Prozent der Unternehmen planten einen weiteren Personalabbau, nur acht Prozent wollten ihre Belegschaften aufstocken.

Auch in der Chemie- und Grundstoffindustrie stehen die Zeichen auf Personalabbau. Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG-BCE), warnt, dass sich für deutsche Produktionsstandorte der Grundstoffindustrie wegen der zu hohen Produktionskosten mittlerweile die Existenzfrage stelle. Das Produktionsniveau liege gegenwärtig um 20 Prozent tiefer als vor Beginn des Ukraine-Krieges. Binnen eines Jahres sei die Zahl der bedrohten Arbeitsplätze von 25.000 auf 40.000 gestiegen.

​Eingestellt wird derzeit im größeren Umfang nur beim Staat. In den vergangenen zehn Jahren nahm die Zahl der Beschäftigten bei Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen nach Angaben des Ifo-Instituts um 14 Prozent zu. Derzeit stehen rund 4,5 Millionen Beschäftigte (gemessen in Vollzeitstellen) auf den Gehaltslisten der öffentlichen Hand. Volkswirtschaftlich ist das ein Problem. Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst werden nicht notwendigerweise produktiv eingesetzt. Das belastet die gesamtwirtschaftliche Produktivität.

Bei den Zöllen scheint derweil wieder Bewegung aufzukommen. Ein Berufungsgericht in Washington sprach in der Nacht von Donnerstag auf Freitag (MEZ) Donald Trump die Befugnis ab, Strafzölle auf ausländische Güter zu erheben. Der US-Präsident habe sich in zahlreichen präsidialen Dekreten auf ein Gesetz berufen, dieses aber falsch ausgelegt, befand eine Mehrheit der Richter. Die Entscheidung wurde aber sogleich ausgesetzt, und zwar bis mindestens zum 14. Oktober. Damit haben die Streitparteien ausreichend Zeit, die nächste Instanz – den Supreme Court – anzurufen. Trump kündigte auf seinem Internet-Dienst Truth Social an, die Regierung werde dies tun.

Das Urteil wurde kurz vor Beginn des langen Feiertagswochenendes veröffentlicht. Am Montag ist in den USA Labor Day, der Tag der Arbeit. Es wird also voraussichtlich ab Dienstag noch einige Verwirrung stiften. Zum Monatsausklang verzeichnete die Wall Street erst einmal Kursverluste in unterschiedlicher Höhe. Bergab ging es am Freitag vor allem für den technologielastigen Nasdaq 100, der um 1,2 Prozent auf 23.415 Punkte fiel. Der marktbreite S&P 500 fiel um 0,6 Prozent auf 6.460 Zähler nach unten. Der Dow Jones Industrial gab um 0,2 Prozent auf 45.545 Punkte nach. Ihrer positiven Monatsbilanz konnte die Freitagsschwäche aber nicht mehr viel anhaben. Trotz eines sehr schwachen Beginns verbuchten die Indizes im August Gewinne zwischen 0,8 und 3,2 Prozent. Weil am kommenden Montag in New York nicht gehandelt wird, war von Gewinnmitnahmen vor dem verlängerten Wochenende die Rede. Diese zeigten sich relativ ausgeprägt beim Technologie-Schwergewicht Nvidia, dessen Aktie um 3,3 Prozent fiel.

Mehr und mehr wird hinterfragt, wie weit das Trendthema Künstliche Intelligenz die Bewertungen noch treiben kann. Unter den sieben bedeutendsten US-Technologiewerten überwogen am Freitag denn auch die Verlierer. Nur Alphabet gelang es, sich im Plus zu halten. Im Technologiesektor gab es vor dem Wochenende nochmals Quartalsbilanzen mit Licht und Schatten. Papiere des Halbleiterunternehmens Marvell Technology brachen belastet von einem enttäuschenden Umsatz im Geschäft mit Rechenzentren um 18,6 Prozent ein. Auch der Computerhersteller Dell enttäuschte mit seinen KI-Servern, woraufhin seine Aktien knapp neun Prozent verloren.

Besser sah es für Affirm Holdings mit einem fast elf Prozent großen Kurssprung aus. Das Finanztechnologie-Unternehmen schaffte im vierten Geschäftsquartal dank seines deutlichen Umsatzwachstums den Sprung in die Gewinnzone. Adam Frisch vom Analysehaus Evercore ISI sah sich daran erinnert, welch umfangreiche Wachstumschancen von Affirm mit neuen Regionen, Produkten und Kunden noch nicht realisiert seien.

Den Papieren des Konstruktionssoftware-Anbieters Autodesk verhalf eine unerwartet gute Gewinnprognose zu einem neunprozentigen Plus. Bis auf 13 Prozent wuchsen letztlich die Gewinne bei den in New York gelisteten Alibaba-Aktien an. Thomas Chong von Jefferies Research lobte beeindruckende Resultate und den Ausblick des chinesischen Internetkonzerns. Unter den Dow-Mitgliedern fiel neben Nvidia die 3,7 Prozent schwächere Caterpillar-Aktie als größter Indexverlierer auf.

Zuvor hatte der Dax eine schwache Woche mit Verlusten beendet. Zum Handelsende notierte der deutsche Leitindex 0,6 Prozent tiefer bei 23.902 Punkten, womit sein Wochenminus auf 1,9 Prozent wuchs. Für den Börsenmonat August steht hingegen nur ein Kursrückgang um 0,7 Prozent zu Buche und seit Jahresbeginn immer noch ein international herausragendes Plus von 20 Prozent. Der MDax der mittelgroßen Unternehmen verabschiedete sich am Freitag 0,2 Prozent schwächer mit 30.287 Punkten. Dem Dax drohe im Ringen um die 24.000-Punkte-Marke die Kraft auszugehen, warnte Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Handelshaus Robomarkets.

Panikartige Verkäufe sind dem Experten zufolge allerdings nicht zu befürchten. Bereits bei 23.500 Punkten sieht er die nächste Haltelinie für den Dax, der inzwischen ein gutes Stück von seinem Rekordhoch bei 24.639 Punkten aus dem Juli zurückgefallen ist. Konjunkturdaten von beiden Seiten des Atlantiks hatten vor dem Wochenende wieder einmal keinen Einfluss auf die Kurse.

Am deutschen Aktienmarkt griffen die Anleger bei Rüstungswerten beherzt zu: Rheinmetall führte mit einem Kursplus von 3,2 Prozent die Gewinnerliste im Dax an, während Hensoldt und Renk mit Kursaufschlägen von 3,4 und 2,7 Prozent im MDax weit vorn lagen. Der am Nachmittag bekannt gewordene Verkauf der restlichen Renk-Beteiligung des Finanzinvestors Triton gab dem Aktienkurs nur einen kurzfristigen zusätzlichen Schub. Im bisherigen Jahresverlauf belegen die drei Titel ebenfalls Spitzenplätze.

Schaeffler profitierten als bester Titel im Nebenwerte-Index SDax mit plus 5,5 Prozent von einer neuen Kaufempfehlung der US-Bank Citigroup. Der Auto- und Industriezulieferer könnte sich zu einem Champion im Bereich Hardware für humanoide Aktuatoren entwickeln, ein Markt, dessen Volumen bis zum Jahr 2050 auf mehr als eine Billion US-Dollar geschätzt werde, schrieb Analyst Ross Macdonald. Humanoide Aktuatoren sind elektrische, hydraulische oder pneumatische Antriebssysteme, die Bewegungen menschenähnlicher Roboter ermöglichen.

Die Aktien von Gerresheimer schlossen nach der überraschenden Bekanntgabe eines neuen Finanzchefs 1,6 Prozent fester. Im Verlauf des Monats waren sie auf den tiefsten Stand seit 2014 gefallen. Die Veränderung im Management des Verpackungsspezialisten sei lange überfällig, und der neue Finanzchef dürfte von den Anlegern mit offenen Armen empfangen werden, schrieb Analyst Pallav Mittal von der britischen Bank Barclays.

Dagegen knüpfte SDax-Schlusslicht Fielmann mit minus 3,9 Prozent an den schwachen Vortag an. Die Anleger fragten sich offenbar weiter, ob die tags zuvor bestätigten Jahresziele der Optikerkette möglicherweise doch zu hoch liegen.

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