
Seit Dienstag steht es fest: Neuwahlen in Deutschland finden am 23. Februar 2025 statt. Doch wie werden die Bürger wählen? Nochmal eine Ampel? Das wünschen sich genau null Prozent der Deutschen. Stattdessen schießt die Union in den Umfragen nach oben. NIUS erklärt, welche Koalitionsmöglichkeiten nach den Wahlen immer wahrscheinlicher werden.
In 102 Tagen ist es schon so weit: Die Bürger wählen neu. Der Wahlkampf hat schon längst begonnen – er wird so scharf geführt wie lange nicht mehr.
Eins ist jetzt schon klar: Die Christdemokraten stellen sehr wahrscheinlich die nächste Regierung. Denn die Union kämpft sich derzeit in den Umfragen auf den ersten Platz. Die Partei liegt zwischen 24 und 32 Prozent. Ebenfalls klar ist, dass der CDU-Chef auf eine Zweierkoalition setzt und hofft. „Das Beste wäre, wenn wir nur einen Koalitionspartner brauchen“, sagte der CDU-Vorsitzende gestern.
Doch die entscheidende Frage ist: Mit WEM wird CDU-Chef Friedrich Merz eine Koalition eingehen?
Nicht nur die Ampel war eine unbeliebte Regierung. Die sogenannte „Große Koalition“ aus Union und SPD unter Angela Merkel (CDU) war zum Schluss ebenfalls von sehr vielen Wählern nicht mehr gewollt; sie wurde bei der Bundestagswahl 2021 folglich abgestraft und größtenteils abgewählt. Die Stimmung bei der letzten Wahl: bloß nicht nochmal GroKo. Entscheidend vor allem war das Thema illegale Migration.
GroKo 2019: Angela Merkel (CDU) war die Kanzlerin – Olaf Scholz (SPD) ihr Vize-Kanzler.
Und dann kam die Ampel unter Kanzler Olaf Scholz (SPD), nun wurde es vollkommen chaotisch, vor allem die ungenügende Migrationspolitik war in den Augen vieler eine Katastrophe. Laut einer Umfrage des Instituts Civey wollen genau NULL Prozent der Deutschen nochmal eine rot-grün-gelbe Regierung. Doch wollen diese Wähler wieder die GroKo? Ein Zurück zu einer Großen Koalition löst bei den Bürgern nicht gerade Begeisterung aus. Nur ein Drittel der befragten Deutschen befürwortet eine GroKo-Neuauflage, so eine Umfrage im Auftrag des Magazins Stern.
Fakt ist: Eine neue Koalition aus SPD und CDU/CSU ist sehr wahrscheinlich. Schon jetzt deuten Wahlumfragen darauf hin, dass dies rechnerisch möglich ist. Wenn die SPD mindestens auf 16 Prozentpunkte kommt, wäre eine GroKo 2.0 machbar.
18. Oktober 2024: SPD-Fraktionsboss Rolf Mützenich und CDU-Vorsitzender Friedrich Merz in vertrautem Gespräch.
Und: Die Harmonie zwischen CDU und SPD scheint langsam wieder auf Kurs zu gehen. Das konnte man Dienstag deutlich beobachten!
Denn erst hatten Friedrich Merz und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich als Duo im Treppenhaus des Bundestages den Neuwahl-Termin ausgehandelt. Ein Ergebnis, mit dem beide Parteien ganz offensichtlich einverstanden sind.
Dass sie trotz aller Verschiedenheiten und Streitigkeiten doch Kompromisse können, bahnt die Möglichkeit einer neuen Zusammenarbeit an …
Dann waren beide auch noch gemeinsam Dienstagabend beim Bundespräsidenten, um den Neuwahl-Termin mitzuteilen.
Dienstagabend: Merz und Mützenich sitzen beide direkt neben Bundespräsident Steinmeier – und sich gegenüber. Ist das etwa schon eine Art Hinterzimmer-Koalition?
Auf Fotos ist zu sehen, wie harmonisch Merz, Mützenich und Frank-Walter Steinmeier (SPD) in einer Runde am Tisch nebeneinander sitzen. SO vertraut, dass man die zwei Grünen-Teilnehmer Katharina Dröge und Britta Haßelmann kaum bemerkte. Die Bilder verströmten bereits einen Hauch von GroKo-Neuauflage.
Pikant: Grundsätzlich war dies ein unübliches Vorgehen. Eigentlich sieht das Grundgesetz vor, dass der Kanzler erst die Vertrauensfrage einreicht und dann stellt, bevor es zu Neuwahlen kommt. Es sieht nicht vor, dass die Fraktionschefs schon im Vorfeld einen Termin aushandeln und dem Bundespräsidenten vorgeben. Denn der Bundespräsident allein entscheidet erst dann, ob er den Bundestag auflöst.
Vor diesem Hintergrund wirkte das Treffen verstärkt wie eine gemeinsame, symbolische Botschaft: Seht her, wir ermöglichen zusammen Neuwahlen! Ja, fast schon wie ein angedeutetes Bündnis …
Hatte Dienstagabend auffällig gute Laune: Rolf Mützenich (SPD) im Schloss Bellevue.
Am nächsten Tag folgte ein womöglich nächster Hinweis: Friedrich Merz machte überraschend klar, dass er eine Reform der Schuldenbremse nicht mehr ausschließe.
Zuvor war er in seiner Position ein strenger Verfechter der Schuldenbremse. „Ist das Ergebnis, dass wir noch mehr Geld ausgeben für Konsum und Sozialpolitik? Dann ist die Antwort nein“, betonte er zwar. Aber er ergänzte: „Ist das Ergebnis, es ist wichtig für Investitionen, es ist wichtig für Fortschritt, es ist wichtig für die Lebensgrundlage unserer Kinder? Dann kann die Antwort eine andere sein.“
November 2022: Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) haben durchaus Berührungspunkte, wenn es sein muss.
Damit nähert Merz sich gewissermaßen sowohl an SPD als auch Grüne an. Vor allem an Noch-Kanzler Scholz und seine SPD-Spitze. Denn Scholz möchte schon lange unbedingt die Schuldenbremse reformieren. „Ich glaube, dass man sie nicht mehr so schreiben würde, wie sie heute in der Verfassung steht“, sagte Scholz dieses Jahr auf einer SPD-Veranstaltung. Doch für eine Reform hätte der Kanzler eine Zweidrittelmehrheit im Parlament gebraucht, die zu der Zeit nicht gegeben war – das könnte sich jetzt ändern.
Und nicht zu vergessen: Scholz hatte Christian Lindner (FDP) das Ultimatum am Abend des Ampel-Aus gesetzt: Entweder Schuldenbremse aussetzen oder Lindner ist als Finanzminister gefeuert.
Mittwoch vor seiner Regierungserklärung: Olaf Scholz begrüßt mit einem Riesen-Grinsen auf dem Gesicht die Unions-Fraktion im Bundestag.
Zudem will die SPD im Dezember ihre Vorhaben mit der CDU im Parlament durchboxen. Das betrifft die Themenpunkte kalte Progression, also Steuerentlastung. Aber womöglich auch die Erhöhung des Kindergelds und das Deutschland-Ticket.
Die Zeichen: stehen also schon jetzt auf Große Koalition.
Was ebenfalls immer wahrscheinlicher zu werden droht: eine schwarz-grüne Regierung.
Innerhalb der Union heißt es, der CDU-Chef Friedrich Merz schließe es nicht aus, nach den Neuwahlen mit den Grünen in eine Koalition zu gehen. Diese Möglichkeit behält man sich offen. Mittlerweile gibt es auch Stimmen aus den christdemokratischen Reihen, die sich dafür öffentlich stark machen.
Stehen nah beieinander: CDU-Chef Friedrich Merz und Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge.
So forderte beispielsweise Ex-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU), die Grünen als möglichen Koalitionspartner NICHT auszuschließen. „Meine Wunschvorstellung ist es auch nicht, dass wir wieder eine GroKo kriegen“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete gegenüber dem Sender Welt TV über ein mögliches Bündnis mit der SPD. „Wenn ich mir die Akteure anschaue und die Partei, die jetzt ja gerade auch den Kanzler stellt, kann man nicht sagen, wir werden nur mit denen verhandeln.“ Man müsse jetzt schauen, wer am besten passe. „In der Außen- und Europapolitik sind die Grünen verlässlicher.“
Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach sich nun für ein Bündnis mit den Grünen aus. Mit dem Noch-Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hätte Günther gute Erfahrungen in Schleswig-Holstein gesammelt, meinte er gegenüber Politico am Mittwoch. „Wir waren zusammen in einer Regierung und haben extrem vertrauensvoll zusammengearbeitet“, sagte der CDU-Ministerpräsident. „Er war in der Bundesregierung immer jemand, der für uns ansprechbar war, der wirklich auch lösungsorientiert ist.“
CDU-Ministerpräsident Daniel Günther und CDU-Boss Friedrich Merz.
Günther regiert bereits in Schleswig-Holstein mit den Grünen. Auch in NRW, wo Armin Laschet zu Hause ist, regiert Schwarz-Grün unter Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Wüst gilt ebenfalls als Befürworter einer schwarz-grünen Bundesregierung.
Aktuell liegen die Grünen zwischen 10 und 12 Prozent in den Umfragen. Schwarz-Grün wäre also durchaus rechnerisch möglich. Die Deutschen fänden diese Möglichkeit aber mehrheitlich nicht so toll. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Civey sprachen sich erst im September 74 Prozent der Befragten GEGEN ein schwarz-grünes Bündnis aus.
Was sie hier wohl so besprachen? CDU-Chef Merz im Zweier-Gespräch mit der Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann im Oktober.
Auffällig ist auf jeden Fall: Friedrich Merz änderte vor Kurzem plötzlich seinen Ton gegenüber Grünen-Wirtschaftspolitiker Robert Habeck!
Im Interview mit dem Magazin Stern bezeichnete Merz den grünen Kanzlerkandidaten Habeck als „angenehmen Gesprächspartner“. Völlig neue Töne – denn Merz hat sich vor wenigen Wochen noch über Habeck lustig gemacht, scharf kritisiert und stichelnd als „Kinderbuchautor“ bezeichnet.
Sind sie sich doch etwas grün? Friedrich Merz (CDU) und Robert Habeck (Grüne) 2022 beim Wirtschaftstag des CDU-Wirtschaftsrates.
SO änderte sich der Merz-Ton gegenüber Grünen-Kanzlerkandidat Habeck:
Heißt übersetzt: Man ist sich zwar nicht immer einig, aber mit Habeck kann Merz reden.
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