
Eine große Lüge liegt zurzeit auf unseren Grillrosten – an Wochenenden, im Sommer fast jeden Tag. Die Lüge hat einen Namen, aber um den kümmert sich kein Griller. Die Lüge heißt: Schweinefleisch ist ungesund.
Zuletzt hat sie André Göldner, Chefkoch der deutschen U21-Nationalspieler bei der Fußball-Europameisterschaft, verbreitet. Er drückte es etwas feiner aus: „Wir verzichten auf gewisse Produkte, wie zum Beispiel Schweinefleisch, wegen der Wertigkeit des Fleisches. Von der Qualität her ist es im Vergleich zu anderen Fleischarten nicht so gut“, sagte er der „Bild“. „Wir verzichten aber auch aus gesellschaftlichen und religiösen Hintergründen der Spieler auf Schwein. Schwein gibt es für die Spieler auf keinen Fall. Stattdessen gibt es den handelsüblichen Paarhufer wie Rind und Kalb.“
Deutsches Grillgut, mariniert und vielseitig einsetzbar.
Was gut ist: Der Chefkoch hat sich offensichtlich verquatscht – und das auch indirekt zugegeben. Denn er weiß, was jede Ernährungsstudie weiß: Nicht Schweinefleisch ist ungesund, sondern zu fettes Schweinefleisch. Oder, wie Ernährungswissenschaftler es formulieren: „Schweinefleisch zeigt im Gegensatz zu Rindfleisch insgesamt ein günstigeres Verhältnis hinsichtlich der mehrfach ungesättigten und gesättigten Fettsäuren. Dagegen ist bei Rindern aus Weidehaltung das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren besser als beim Schwein.“
Wer dieses Ernährungsfachchinesisch nicht versteht, dem sei mit gesundem Menschenverstand gesagt: Wer behauptet, Schweinefleisch sei ungesund, der hat noch nie spanisches Duroc-Schwein gegessen, eine Kreuzung aus dem iberischen Schwein und dem roten Jersey-Schwein aus den USA. Diese Rasse ist bekannt für ihr besonders schmackhaftes und zartes Fleisch, das durch feine Marmorierung gekennzeichnet ist. Eine andere Köstlichkeit ist das „Cerdo Ibérico“, das schwarze Schwein aus dem Südwesten Spaniens. Es ist für seinen luftgetrockneten Edelschinken „Jamón Ibérico“ bekannt.
Edler spanischer Schinken aus Schwein – eine weltweit geliebte Delikatesse.
Von diesen Köstlichkeiten wusste in den Jahrzehnten nach dem Krieg noch niemand. Ich als Schüler auch nicht. Der Höhepunkt der Kulinarik jener Jahre waren kleine panierte Wiener Schnitzel. Sie waren kross gebraten, ich fühle die Knusprigkeit heute noch. Was niemanden interessierte: Waren die Schnitzel vom Schwein (heute sagt man „Wiener Art“) oder waren es Kalbsschnitzel („Wiener Schnitzel“)? Es waren einfach Schnitzel, und sie haben köstlich geschmeckt. Später im Urlaub in Bayern war der Gipfel der Kochkunst für mich ein ordentlicher Schweinsbraten mit Knödeln. Rindsbraten gibt es auch, aber der in der Bratensauce schwimmende Schweinsbraten – unschlagbar.
Ich möchte in meiner Ode an das Schweinefleisch zurückkommen auf den Anlass dieser Kolumne. Der Koch der U21-Nationalelf sagt: „Bei uns gibt es den handelsüblichen Paarhufer wie Rind und Kalb.“ Von „Paarhufern“ spricht man eher selten, wenn man ein schönes Stück Fleisch serviert. Muslime kennen jedoch den Unterschied: Schweine gelten als unreines Tier, da sie zwar gespaltene Hufe haben, aber nicht wiederkäuen. Der Verzehr von Schweinefleisch ist untersagt. In der Sure 6:145, Al-An‘am, im Koran wird Schweinefleisch ausdrücklich als „unrein“ (arabisch: ridschs) bezeichnet.
Und nun sind wir bei dem, was Chefkoch Göldner noch sagte: „Wir verzichten auf Schweinefleisch aber auch aus gesellschaftlichen und religiösen Hintergründen der Spieler.“
Wie traurig, wie feige, wie falsch. Nicht der Koch ist schuld, sondern der DFB. Jeder sollte bei uns essen dürfen, was ihm schmeckt. So wie es in Deutschland immer war. Wir dürfen uns diese Freiheit nicht nehmen lassen. Auch nicht beim Schweinefleisch. Gerade da nicht.
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