
„Wir setzen den Ausbau der Windkraft fort“, heißt es im schwarz-roten Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. Auch CDU, CSU und SPD wollen am Weg der sogenannten „Energiewende“ festhalten, Atomkraft als günstige und saubere Lösung ignorieren und als einzige Nation in der EU schon 2045 – also fünf Jahre früher – CO2-neutral werden.
Ein gewichtiger Teil dieser „Energiewende“ ist etwas, das mehr und mehr Menschen ein Dorn im Auge wird, je näher es an Städte, Dörfer und Wohnhäuser heranrückt: Windkraftanlagen. Rund 30.000 dieser bis zu 250 Meter hohen Stahl- und Beton-Kolosse stehen bereits in Deutschland – mit mäßigem Erfolg für die Stromversorgung und allerlei Schwierigkeiten und Kostentreibern.
NIUS nennt sechs Gründe, warum die Windkraft in Deutschland gescheitert ist.
Windkraft wird seit Anfang der 90er Jahre (Stromeinspeisungsgesetz) und seit der Jahrtausendwende so richtig (Erneuerbare-Energien-Gesetz) vom Staat gefördert, mehr als ein viertel Jahrhundert sind mehrere Hundert Milliarden Euro an Steuern und Abgaben geflossen, um Windmühlen (und auch Solar-Anlagen) zu fördern und den Ausbau anzureizen.
Öl, Kohle und Gas sind noch immer die relevantesten Energieträger in Deutschland. Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen
Trotz dieser langen Zeit und der Unsummen, die Stromzahler über die Jahre für rund 30.000 Windmühlen aufbringen mussten, lieferte die Windkraft im Jahr 2024 nicht einmal ein Drittel des Strombedarfs (32,8 Prozent). Betrachtet man den gesamten Energiebedarf Deutschlands, also unter Einbezug von Mobilität und der Gebäudewärme, liefert die Windkraft knapp 10 Prozent des Gesamtenergiebedarfs, wenn man die unterschiedlichen Wirkungsgrade der Technologien zueinander ins Verhältnis setzt.
„Ein Drittel des Strombedarfs“ mag sich für den ein oder anderen vielleicht doch recht stattlich anhören, für die verlässliche Versorgung mit Energie hat diese Aussage jedoch kaum eine Bedeutung. Denn: Windstrom entsteht nur dann, wenn Wind weht – logisch.
Nur richtet sich der Wind meist nicht nach den Arbeitszeiten der Schwerindustrie oder den Gepflogenheiten der Deutschen, wann sie Wäsche waschen oder den Herd anwerfen.
Beispiel: Dezember 2024, tiefer Winter, die kürzesten Tage des Jahres, wenig Sonnenstrom und entsprechend viel Bedarf an Windenergie, wenn nicht die CO2-intensiven Energieträger Kohle- und Gaskraftwerke einspringen sollen.
Die schwarze, schwankende Linie ist der Strombedarf Deutschlands – die grüne Fläche ist die noch viel stärker schwankende Windstrom-Produktion.
In besagtem Dezember lag die Spanne der Windstrom-Produktion (und somit die verlässlich planbare Leistung) zwischen nahe 0 (am 12. Dezember und nach den Weihnachtsfeiertagen) und nahezu 100 Prozent des deutschen Strombedarfs (16., 19. und 21. Dezember).
Ein Stromsystem wie das Deutsche muss jedoch zu jeder Zeit exakt die Menge Strom produzieren, wie Strom verbraucht wird – und umgekehrt. Schon kleinste Abweichungen zwischen Produktion und Verbrauch lassen die Frequenz schwanken und können zu großflächigen Stromausfällen führen.
Bedeutet im Umkehrschluss: Auch wenn in Deutschland eines Tages 100.000 Windmühlen installiert sein werden, wird es Stunden, Tage oder gar Wochen (Dunkelflaute) geben, in denen diese quasi keinen Strom produzieren werden. Windkraft ist nicht grundlastfähig. Egal wie hoch die installierte, also die theoretisch mögliche Leistung ist, man kann sich darauf nicht verlassen. Und diese Unsicherheit auszugleichen, macht die sogenannten „Energiewende“ so teuer.
Womit das wohl größte Argument gegen Windkraft (und Solar-Energie ebenso) zu erklären ist: Wind und Solar erfordern gigantische Kosten, sie mit ihren Schwächen und ihren Ausfall-Zeiten ins Stromsystem zu integrieren. Stichwort: Systemintegration.
Energiewende-Befürworter führen gerne ins Feld, dass die Herstellungskosten von Windstrom je nach Studie zwischen 5 und 9 Cent pro Kilowattstunde liegen – was deutlich günstiger ist als Gas (14 Cent), Biomasse (17 Cent) oder Kohle (18 Cent). Und das ist auch korrekt, wobei Strom aus Atomkraft ähnlich günstig ist.
Was besagte Energiewende-Befürworter gerne weglassen: Die Kosten, die entstehen, um den Strom von Windparks, von Solarflächen und von Hausdächern dorthin zu befördern, wo der Strom zu diesem Zeitpunkt gebracht werden. Der Umbau des Stromnetzes, der allein durch die Energiewende begründet ist, wird laut Bundesnetzagentur noch mindestens 450 Milliarden Euro kosten, andere Experten gehen von noch viel höheren Milliarden-Summen aus.
Als besonderes Beispiel wird immer wieder die Stromtrasse SuedLink herangeführt, die überschüssigen Windstrom aus Norddeutschland zur Industrie in Süddeutschland transportieren soll. Seit 2011 wird an dem Projekt geplant, es werden Bürgerinitiativen gehört, es wird über den Trassenverlauf gestritten. Kostenpunkt nur für diese eine Leitung: zwischen 10 und 15 Milliarden Euro.
Um Windparks und Solaranlagen ins Stromnetz zu integrieren, muss dieses für Hunderte Milliarden Euro umgebaut werden.
Zeitgleich zum Ausbau des Stromnetzes muss ein Park aus (Gas-)Kraftwerken und Batterien installiert werden, der Deutschland über Tage und Wochen – während einer sogenannten Dunkelflaute – komplett allein mit Strom versorgen kann. Richtig gehört: Parallel zu all den Windmühlen und Solar-Panels muss ein Kraftwerkspark bereitstehen, der Deutschland jederzeit allein mit Strom versorgen könnte. Auch das wird Hunderte Milliarden Euro kosten.
Die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) scheint das erkannt zu haben: „Wir brauchen flexible Gaskraftwerke, die dann Strom liefern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Und das brauchen wir schnell.“ Bis zu 40 Kraftwerksblöcke sollen entstehen, das wird jedoch mindestens ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen.
Heißt: Die Umstellung auf Erneuerbare sorgt erst dafür, dass das Stromnetz für Unsummen von hunderten großen Kraftwerken, die planbar Strom liefern auf Millionen kleine Kraftwerke umzustellen, die dann Strom liefern, wenn Wind und Sonne es zulassen.
Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war besonders stolz darauf, dass in seiner Amtszeit der Ausbau von Wind und Sonne wieder angestiegen ist – und das war auch so. Nur heißt das nicht zwangsläufig, dass auch in derselben Größenordnung mit mehr Strom zur rechnen ist.
In den vergangenen fünf Jahren – von 2019 bis 2024 – ist die installierte Leistung von Windkraft an Land und zur See um knapp 20 Prozent gestiegen, von 60,8 auf 72,8 Gigawatt. Die Strommenge der Windkraftanlagen ist im selben Zeitraum jedoch nur um rund 10 Prozent angestiegen, in manchen Jahren sogar zurückgefallen.
Das kann unterschiedliche Gründe haben: zum schlicht das Wetter. Das erste Quartal 2025 war beispielsweise besonders windarm, was sogar einen Rückgang der Windstrom-Produktion zur Folge hatte. Das steht zwar nicht stellvertretend für eine erwartbare negative Entwicklung, zeigt jedoch, wie volatil, wetterabhängig und damit schwierig planbar ein Stromsystem ist, dass zu großen Teilen auf Windkraft setzt.
Gerade bei Offshore-Windanlagen, also auf hoher See, kann auch der sogenannte „Wake-Effekt“ eine Rolle spielen. Vereinfacht gesagt beschreibt dieser, dass sich Windräder gegenseitig den Wind klauen und weniger Energie bei weiter hinten stehenden Kraftwerken ankommt.
In der Nordsee stehen große Offshore-Windparks.
Eine Hypothese dafür, dass die Windgeschwindigkeiten ganz grundsätzlich mittelfristig abnehmen, ist das sogenannte „Global terrestrial stilling“.
Weil sich die Pole durch den Klimawandel schneller erwärmen als die Bereiche am Äquator, sinkt der Temperaturunterschied zwischen diesen beiden Zonen, was für langsamere Windgeschwindigkeiten in Bodennähe sorgen kann. Die mögliche Folge: weniger Ertrag für Windkraftanlagen. Ob „Global terrestrial stilling“ auch die Windarmut Anfang des Jahres verursacht hat, ist über einen solch kurzen Zeitraum jedoch nicht festzustellen. Auch gibt es Studien, die eine Trendumkehr des „Global terrestrial stilling“ nahelegen, also dass die Windgeschwindigkeiten wieder zunehmen könnten.
All diese Effekte und Entwicklungen zeigen jedoch, wie schlecht planbar Windenergie mit Blick auf unternehmerische Parameter, vor allem jedoch mit Blick auf die Energiesicherheit einer Industrienation ist.
Rund 30.000 Windkraftanlagen gibt es bereit ins Deutschland, in den kommenden Jahrzehnten sollen Zehntausende dazu kommen, um das Ziel der Bundesregierung von 230 Gigawatt Leistung bis 2045 zu erreichen – das ist in etwa das Dreieinhalbfache von heute. Zwar wird nicht die dreieinhalbfache Fläche von dem, was heute schon von Windmühlen besetzt ist, weil ältere Anlagen mit weniger Leistung durch neuere mit mehr Leistung ersetzt werden können – und doch rücken Windparks immer näher an Wohn- und Naherholungsgebiete heran oder nehmen Waldflächen in Anspruch, was zunehmend Gegenwehr in der Bevölkerung auslöst.
Jedes einzelne Windrad verschlingt rund einen Hektar Fläche, wenn man Fundament, Wartungswege und den notwendigen Abstand zu anderen Windrädern oder Ortschaften. Rund 500 Quadratmeter Fläche müssen versiegelt werden.
Es gibt kaum einen Autobahnabschnitt, der nicht von Windparks gesäumt ist. Es gibt immer mehr Menschen, die beim Blick aus ihren Fenstern oder von Balkonen irgendwo in der Nähe die mehr als 200 Meter hohen Türme erspähen können. Entsprechend steigt die lokale Gegenwehr gegen neue Windkraft-Projekte.
Diese Umfrage des IW Köln zeigt den Unterschied zwischen grundsätzlicher Akzeptanz und der Akzeptanz von neuen Windkraft-Projekten im direkten Wohnumfeld aufgeteilt nach Parteipräferenz.
Umfragen zeigen zwar, dass die Mehrheit der Bevölkerung grundsätzlich für Windkraftanlagen ist, die Zustimmung aber rapide abnimmt, wenn ein neues Projekt im direkten Wohnumfeld realisiert werden. Einzig Grünen-Wähler finden Windkraft im Betroffenen-Fall noch mehrheitlich gut. Bei allen anderen Parteianhängern ist die Mehrheit laut einer Befragung des Instituts der Deutschen Wirtschaft gegen neue Projekt im direkten Wohnumfeld (hellblaue Balken).
Nach Jahrzehnten der Förderungen, Hunderten Milliarden Euro, die bereits ausgegeben worden sind und einer noch größeren Summe, die noch für den Ausbau der Netze und der Backup-Kapazitäten zu erwarten sind, hat die Windkraft gerade einmal zehn Prozent des deutschen Energiebedarfs erreicht und erfährt immer mehr Gegenwehr von Bürgerinitiativen und Naturschützern. Es gibt kein Land auf der Erde, dass den deutschen Weg – aus fossiler Energie UND aus Kernkraft auszusteigen und allein auf Wind und Sonne zu setzen – auch nur im Ansatz kopiert. Im Gegenteil: Infolge der hohen Strompreise und der Abhängigkeit von ausländischen Stromimporten hat sich Deutschland in das exakte Gegenteil eines Vorbildes für den Rest der Welt entwickelt.
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