
Eine Woche nach der Verschärfung der Grenzkontrollen durch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat die Bundespolizei deutlich mehr Zurückweisungen an den Grenzen verzeichnet. Nach Angaben des Ministers wurden in den vergangenen sieben Tagen 739 Personen an der Einreise gehindert. Das entspricht einem Anstieg von 45 Prozent gegenüber der Vorwoche, in der 511 Zurückweisungen erfolgten.
In der entscheidenden Kategorie der Asylbewerber wird inzwischen offenbar zumindest die Mehrheit zurückgewiesen: Von 51 Personen, die laut Dobrindt ein Asylgesuch an der Grenze äußerten, seien 32 abgewiesen worden – also etwa 62 Prozent. Dobrindt hatte die Verschärfung der Kontrollen am Mittwoch vergangener Woche wenige Stunden nach seinem Amtsantritt angekündigt.
Er ordnete an, dass künftig auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Laut Grundgesetz kann sich nämlich auf Asyl nicht berufen, wer aus einem sicheren Nachbarstaat einreist – bei konsequenter Anwendung dieser Regel, die man das letzte Jahrzehnt nicht durchsetzte, könnte damit faktisch alle auf dem Landweg stattfindende Asylmigration gestoppt werden. Ausnahmen gelten bei Dobrindts neuem Vorgehen laut Ministerium weiterhin für Schwangere, Kinder und weitere besonders schutzbedürftige Personen.
In der vergangenen Woche herrschte Verwirrung um den Migrationskurs der Bundesregierung. Am Donnerstag berichtete der stellvertretende Welt-Chefredakteur Robin Alexander, Kanzler Merz habe eine „nationale Notlage“ ausgerufen – ein Schritt, den er im Wahlkampf angekündigt hatte. Unionspolitiker feierten auf X die „Migrationswende“, zogen ihre Beiträge jedoch schnell zurück.
Regierungssprecher Stephan Kornelius dementierte gegenüber Bild: Es gebe „keine Bestrebungen“, eine Notlage zu verhängen. Innenminister Dobrindt sprach hingegen weiter von Maßnahmen nach „Paragraph 18 in Verbindung mit Artikel 72“ – rechtlich identisch, aber ohne den Begriff „Notlage“.
Zuvor war vom Bundesinnenministerium eine Zurückweisung an der Grenze in der Regel nur bei Personen ohne Asylgesuch oder bei Einreisesperren, etwa nach einer früheren Abschiebung, erlaubt worden. Voraussetzung bleibt weiterhin, dass die Kontrollen direkt an der Grenze stattfinden. Diese hatte die frühere Innenministerin Nancy Faeser schrittweise für alle Grenzabschnitte eingeführt.
Die rechtliche Grundlage für die neue Praxis stützt sich auf nationales Recht in Verbindung mit einer Ausnahmeregelung im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Frühere Bundesregierungen hatten Zurückweisungen von Flüchtlingen mit Verweis auf europäisches Asylrecht abgelehnt. Demnach ist Deutschland verpflichtet zu prüfen, welches EU-Land für das jeweilige Asylverfahren zuständig ist.
Doch wie konsequent lässt sich dieser neue Kurs umsetzen? Eine Recherche von Focus Online bringt ein strukturelles Problem ans Licht – an einem anderen Teil der deutschen Grenze, genauer gesagt an der A3 nahe Passau. Hier befindet sich die Kontrollstelle nicht direkt am Grenzübergang, sondern erst rund 7,5 Kilometer dahinter (Apollo News berichtete).
Dadurch entsteht eine rechtliche Grauzone: Migranten können die Kontrollstelle über Abfahrten oder Nebenstraßen umgehen. Wer so die Kontrolle hinter sich lässt und später von der Polizei aufgegriffen wird, gilt rechtlich bereits als eingereist. Eine Zurückweisung ist dann nicht mehr ohne Weiteres möglich. Stattdessen müsste ein aufwendigeres Abschiebeverfahren eingeleitet werden.
Nach dem deutschen Aufenthaltsgesetz gilt eine Einreise nur dann als erfolgt, wenn eine zugelassene Grenzübergangsstelle passiert wurde. Ob ein Kontrollpunkt, der sich erst mehrere Kilometer hinter der tatsächlichen Grenze befindet, rechtlich noch als solcher zählt, ist zweifelhaft.
Generell verzeichnet Deutschland im Jahr 2025 einen Rückgang an unerlaubten Einreisen. Das geht aus internen Daten der Bundespolizei hervor, über die die Welt berichtet. Demnach wurden im laufenden Jahr bisher 22.170 Fälle registriert. 2024 waren es noch 83.572, im Jahr 2023 sogar 127.549. Die rückläufige Entwicklung wird auch in den Jahresberichten der Bundespolizei dokumentiert.