Seit wann darf ein Arsch nicht mehr Arsch genannt werden?

vor 2 Monaten

Blog Image
Bildquelle: Apollo News

„Kleine Paschas“ – so nannte Friedrich Merz Anfang 2023 Schüler aus arabischstämmigen Familien, die durch ihren respektlosen Umgang mit deutschen Lehrerinnen auffallen. Er saß bei Markus Lanz; Thema waren die Gewaltexzesse junger Migranten in der damals erst kürzlich vergangenen Silvesternacht. Innerhalb weniger Minuten wurde die Äußerung zum politischen Skandal – „Friedrich Merz ist ein Rassist!“, schrie der Linken-Politiker Luigi Pantisano damals auf Twitter und mehrere SPD-Politiker stimmten in die Rassismus-Vorwürfe gegen den CDU-Vorsitzenden ein.

Es war eine schwer erträgliche Hysterie – und berechtigterweise verteidigten Merz und seine Partei die Aussage vehement. „Wir haben das Problem mit Männlichkeit, Ehre und Gewalt gerade in migrantischen muslimischen Familien – das hat Friedrich Merz gemeint und ins Talkshow-Deutsch übersetzt“, erklärte dazu beispielsweise die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder.

Zwei Jahre später wünscht man sich sehnsüchtig diese Zeiten zurück. Plötzlich ist es die CDU selbst, die allen Ernstes Olaf Scholz vorwirft, ein Rassist zu sein, weil er auf einer privaten Feier angeblich den schwarzen CDU-Politiker Joe Chialo aufgrund seiner Hautfarbe herabgewürdigt habe. Olaf Scholz sowie verschiedene Augenzeugen sehen das anders. Zwar räumt Scholz ein, Chialo als „Hofnarr“ und „Feigenblatt“ der in seinen Augen nach rechts driftenden CDU bezeichnet zu haben – dies sei jedoch nicht auf Chialos Hautfarbe, sondern vielmehr auf seine Position als „Liberaler“ in der Partei bezogen gewesen.

Eine Schilderung, die glaubwürdig klingt. Auf jeden Fall glaubwürdiger als die sich zunehmend verbreitende Hirnakrobatik, der Sozialdemokrat Olaf Scholz sei plötzlich zum Rassisten mutiert, ja habe sich gar als solcher offenbart. „Olaf Scholz hat mit seinen rassistischen Äußerungen ein weiteres Mal bewiesen, dass ihm die charakterliche Eignung für sein Amt fehlt“, giftet die Berliner CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein auf X und lässt damit Zweifel an ihrer eigenen charakterlichen Befähigung aufkommen. Charmanter war da nur noch der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, der Olaf Scholz kurzerhand bei Welt TV zum Rücktritt aufforderte, sollte er sich „nicht benehmen“ können.

„Außerdem hat er Arschloch gesagt“ ist dann gleich der nächste vermeintlich skandalöse Vorwurf, dem sich auch Medien wie der Focus hingeben. Gemeint ist die Schilderung verschiedener Augenzeugen, dass Olaf Scholz auf derselben Party einen öffentlich-rechtlichen Journalisten mit „halt den Mund, du Arsch“ beschimpft haben soll. Oh Weh, oh Not!

Liebe Union, werte Kollegen der konservativen Journaille, mit Verlaub, spüren Sie sich noch? Seit wann spielt die politische Rechte denn Sprachpolizei – erst recht auf Basis einer so dünnen Faktenlage? Wenn Sie mich fragen, schafft es die Berichterstattung des Focus zum ersten Mal, Olaf Scholz als sympathischen Mann erscheinen zu lassen. Als einen Herren, der auf einer privaten (!) Party etwas angetütert mal die Phrasendrescherei ablegt und frei von der Leber weg seine Meinung sagt. Übrigens offenbar auf Grundlage einer Vereinbarung aller Partygäste, nichts von der Veranstaltung an die Öffentlichkeit zu bringen.

Wieso begibt sich die CDU ohne Not auf ein argumentatives Niveau herab, für das Rechte sonst die Linken zu Recht kritisieren? Die augenscheinliche Genugtuung, mit der nun CDU-Politiker sowie einige Journalisten der SPD „nun auch endlich mal“ Rassismus vorwerfen, zeugt gelinde gesagt nicht gerade von emotionaler und intellektueller Reife. Es fehlt jetzt eigentlich nur noch, dass Unionspolitiker Olaf Scholz als Nazi beschimpfen.

Mal abgesehen davon: Seit wann darf man einen Arsch eigentlich nicht mehr einen Arsch nennen? Wir wissen nicht, was der öffentlich-rechtliche Journalist gesagt hat, was den Kanzler zu seinem Urteil verleitete. Aber es fällt zumindest nicht schwer, sich vorzustellen, dass Journalisten – erst recht öffentlich-rechtliche – so einiges sagen könnten, mit dem sie sich diese Bezeichnung womöglich verdienen. Harte Worte schaden einer Debatte nicht, wenn sie berechtigt sind. Im Gegenteil: Sie tun ihr gut – und zeugen von einer lebhaften Diskussionskultur, die wir in Deutschland nach 16 Jahren lähmender Merkel-Kanzlerschaft dringender brauchen denn je.

Und so hat der vermeintliche „Rassismus“-Skandal vielleicht doch etwas Positives: Was haben sich die Öffentlich-Rechtlichen, aber auch linke Medien und natürlich SPD und CDU selbst, nach dem Kanzlerduell am vergangenen Wochenende mit Lob überschlagen – dafür, dass Merz und Scholz bewiesen hätten, wie überaus respektvoll politische Debatten „der Mitte“ geführt werden könnten. Scholz’ augenscheinliche Aggression auf der Party sowie die unterirdischen Reaktionen der Union offenbaren nun, dass in der CDU und der SPD womöglich doch mehr Fähigkeit und Lust zur „offenen Feldschlacht“ steckt, als sie uns verkaufen wollten. Ich kann nur sagen: zum Glück!

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von Apollo News

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von Apollo News zu lesen.

Weitere Artikel