
Mit zwei Instagram-Videos aus New York hat Annalena Baerbock für Spott und Fremdscham gesorgt. Die Selbstinszenierung ihres neuen Glamour-Lebens könnte ihr – und ihrer Partei – aber auch politisch schaden.
Sie hat es geschafft – und lässt es die Welt wissen. Annalena Baerbock hat gestern ihre einjährige Amtszeit als Präsidentin der UN-Vollversammlung angetreten und im Vorfeld für einige Verstimmung gesorgt.
Baerbock ist am Dienstag offiziell als Präsidentin der UN-Vollversammlung eingeführt worden.
Zunächst, weil sie, die „feministische Außenpolitikerin“, die eigentlich für den Posten vorgesehene und erfahrene Diplomatin Helga Schmid ausbootete. Dann, als sich herausstellte, dass Baerbocks Anschlussverwendung nach ihrer Zeit im Auswärtigen Amt keineswegs von den Vereinten Nationen, sondern vom Steuerzahler berappt wird: Besoldungsgruppe B9, womit sich ihr Gehalt in New York auf etwa 13.000 Euro monatlich belaufen dürfte, die Dienstwohnung und wohl auch Auslandszuschläge kommen obendrauf.
Schon vor Tagen zeigte sich Baerbock im Saal der UN-Vollversammlung.
Und nun das: Im Vorfeld inszenierte sich die Ex-Außenministerin im Influencer-Style: Seht her, ich bin in New York! In einem 17-sekündigen Instagram-Reel mit dem Titel „Are you Ready?“ winkt sie, gekleidet im Business-Casual-Look und eine Sekunde bauchfrei, im Stil von „Sex and the City“-Protagonistin Carrie Bradshaw (gespielt von Sarah Jessica Parker) eines der ikonischen gelben New Yorker Taxis heran – statt sich bescheiden in die U-Bahn zu setzen –, macht sich auf der Rückbank Notizen in einem Büchlein, auf dem in Kleinmädchenschreibschrift „Better Together“ steht.
Hallo, Taxi! Baerbock hält ein Yellow Cab an.
Dann legt sie es auf einer Zeitung ab, die den Titel „The United Times“ trägt und deren Schlagzeile „UN Comeback“ lautet. Offenbar eine fiktive Publikation, und mit der Überschrift wird Baerbocks Wichtigkeit betont, die offenbar neue Akzente setzen und die Vereinten Nationen erneuern respektive relevanter machen will. Da scheint eine gewisse Hybris durch, die mit den zahlreichen Patzern sprachlicher und diplomatischer Natur kontrastiert. Baerbock schaut aus dem Fenster, während das Taxi an Hochhäusern vorbeirauscht, steigt aus (die Handtasche vergisst sie im Taxi, wie dem aufmerksamen Beobachter auffällt), wobei die Kamera auf ihre High Heels gerichtet sind, und grinst noch einmal. Und das war’s.
Eine unbekannte Publikation, die Relevanz vortäuschen soll. Wirklich wichtig sind die Einträge in Baerbocks Büchlein „Better Together“.
Wichtiges Detail: Baerbocks Fuß auf dem Pflaster – mit einem „Klack“.
Während Fans, die sie zu haben scheint, bei Instagram „Gänsehaut!“, „Was für eine tolle Karriere und das mit ganz viel Mut und Menschlichkeit“ oder „Wie lange bleibst du in New York, liebste Annalena?“ schreiben, erntet Baerbock auch Kritik. „Peinlicher geht’s nicht“, schreibt die Welt, User bei X monieren die Inhaltsleere und Selbstdarstellung: „Was für ein Auftritt! Im eigenen Land nur Scherbenhaufen hinterlassen, ebenso in der ganzen Welt.“ Oder: „Scherbenhaufen hinterlassen, das Haar sitzt – auf zu neuen Abenteuern.“ Frédéric Schwilden, Welt-Redakteur und stilbewusster Feuilletonist, stellte fest: „Diese Menschen haben keine Inhalte. Sie haben nur die Oberfläche, die ihre unterbezahlten Social-Media-Praktikanten mit ihren iPhones einfangen müssen.“
Happy End: Baerbock grinst in die Kamera.
Dennoch hat Baerbock offenbar vor, sich fortan stärker denn je ins Rampenlicht zu drängeln – mit ihren Videoclips auf Instagram und TikTok. Im zweiten Teil ihrer Social-Media-Serie aus New York, einem rund 40-sekündigen Instagram-Video, zeigt sie, wie man „als echte New Yorkerin“ in die Woche startet: mit Bagel und Coffee-to-go.
Baerbock, diesmal im Hosenanzug, betritt den Frühstücksladen „Chelsea Bagel Tudor City“ in der Second Avenue (Bagels, Deli, Lunch Specials, Salate und Sandwiches), den sie „Go-to-Bagel-Spot“ nennt, und holt sich am Automaten Kaffee – in einem Pappbecher! Die Grüne, die jahrelang das Klima-Narrativ bemühte, besitzt offenbar keinen Mehrwegbecher. Ebenso wenig wie eine Lunchbox, denn der Bagel mit Cream Cheese, den sie sich später an der Theke abholt, wird ihr in einer Papiertüte überreicht.
New York Lifestyle: Baerbock füllt ihren Pappbecher, das Umwelt-Gerede ist Schnee von gestern.
„Auch in meiner neuen Rolle nehme ich euch mit, hinter die Kulissen zu schauen von Außenpolitik und Diplomatie, sagt Baerbock, verlässt den Laden und tritt auf den Bürgersteig, wo sie noch einen Text auf Englisch aufsagt. Man erkennt mindestens sechs Schnitte, offensichtlich ist der Text nicht an einem Stück gesprochen worden – ein Hinweis auf Baerbocks mangelnde Trittsicherheit, auch im Englischen. Dennoch verspricht sie, künftig „viel Content auch in Englisch“ zu liefern – „aber keine Sorge, der deutsche Akzent, der bleibt“. Als ginge es um den Akzent statt um den „Bacon of Hope“ (Speck der Hoffnung).
Baerbock suggeriert, sie habe sich am frühen Morgen ihr frugales Frühstück abgeholt, postete es Montag deutscher Zeit gegen Mittag. In New York war es da aber erst gegen 6:00 Uhr morgens, die Uhr an der Wand des Cafés, im Hintergrund zu sehen, zeigt aber 10:40 Uhr an. Will Baerbock („Guten Morgen aus New York!“) hier suggerieren, am Montag früh aufgestanden zu sein, während das Video in Wahrheit am Vortag gedreht wurde?
Wie, schon 10:40 Uhr in New York? Oder geht die Uhr vor?
Kurz: Doppelmoral und die typisch gewordene Abgehobenheit sprechen aus den Bildern, der Verdacht der Unaufrichtigkeit drängt sich ebenfalls auf. Eine Inszenierung, die beim gebeutelten deutschen Bürger nicht gut ankommen kann.
Nun ist Annalena Baerbock nicht die einzige Foodbloggerin in der deutschen Politikszene, Markus Söder etwa musste sich von einem verbitterten Robert Habeck kürzlich „fetischhaftes Wurst-Gefresse“ vorwerfen lassen und wurde von der Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, „Hundesohn“ genannt. Was sagt Jette Nietzard nun wohl dazu, dass auch Baerbock sich in den sozialen Medien inszeniert?
Mit Einwegbecher und Bagel-Tüte holpert sich Baerbock durch einen englischen Text.
Viele Vertreter des politischen Establishments scheinen vergessen oder verdrängt zu haben, dass der Unmut im Lande wächst. Im Fall Baerbock kommt die Überheblichkeit dazu, die ihrer Performance als Ministerin nicht gut zu Gesicht steht. Sie betont im Video die Wichtigkeit der Diplomatie gerade in diesen Zeiten („wird mehr benötigt als je zuvor“), fiel aber in ihrer Amtszeit eher mit Belehrungen und Tritten in den diplomatischen Fettnapf auf. Russland erklärte sie nebenbei den Krieg, den chinesischen Staatspräsidenten nannte sie einen Diktator, Israels Premierminister Netanjahu soll sie gar aus dem Raum geworfen haben. Ob ihre Art, zu moralisieren, statt kluge Realpolitik zu betreiben, bei den Vereinten Nationen ankommt, ist noch offen.
Süffisant bemerkt Wolfgang Kubicki (FDP) über Baerbock: „Sie lernt ja noch.“
In Baerbocks Selbstinszenierung scheint die „Verachtung nach unten“ (Alexander Wendt) durch, das abgehobene Gebaren einer Politiker-Kaste, die den Bezug zum Normalbürger längst verloren hat. Der soll nicht reisen, kein Fleisch essen und sogar noch auf Plastikstrohhalme verzichten, während die Prediger der Moral fröhlich den Einwegbecher füllen – ist cool, macht man so in New York! Und die berühmten gelben Taxis im Big Apple nutze ich so selbstverständlich wie ihr eure ständig verspätete Bahn!
Wir erleben auch an diesem Beispiel eine Abkopplung von der Realität, die den Wähler von den Herrschenden entfremdet, das „die da oben“ immer weiter befeuert. Annalena Baerbock ist – noch einmal: anstelle der Diplomatin Helga Schmidt – nach New York entsandt worden, um für ein Jahr einen zwar weitgehend verzichtbaren, aber immerhin repräsentativen Posten im Namen ihres Landes einzunehmen. Selbstreferenzielle Video-Clips, in denen auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten die eigene Freude über einen Job in New York zelebriert wird, passen nicht dazu.
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