
Nach dem historisch schlechten Wahlergebnis von 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl gerät SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil parteiintern unter starken Druck. Bei Landesparteitagen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein kritisierten vor allem junge Delegierte seine Führungsrolle und den politischen Kurs der Partei.
In Duisburg eröffnete die nordrhein-westfälische Juso-Vorsitzende Nina Gaedike die Aussprache mit scharfer Kritik. „Ich weiß gar nicht, wie es Genossen geht, die das schon länger miterlebt haben: Wie viele letzte Schüsse gibt es eigentlich?“, fragte sie laut FAZ mit Blick auf die wiederholten Wahlniederlagen. „Was ist der Plan der Parteispitze dafür, Lars?“
Mehrere Delegierte bemängelten, Klingbeil habe sich trotz des Wahldebakels zusätzliche Posten gesichert. Gleichzeitig müsse allein Co-Parteichefin Saskia Esken die Verantwortung für das Ergebnis tragen. „Das ist unanständig, was da gelaufen ist, dass wieder die Frauen kassieren und die Männer den Top-Job kriegen“, kritisierte ein Delegierter laut Focus Online.
Auch beim Landesparteitag der SPD in Schleswig-Holstein in Husum gab es offene Kritik. Eine Vertreterin der Jusos fragte Klingbeil: „Lars, wo war bei dir die Demut über das schlechte Ergebnis?“ Ein junger Delegierter forderte, sich vom Kurs der Mitte zu verabschieden: „Kehrt endlich von ihm ab“, rief er unter Applaus. Die Parteiführung habe bei der Kanzlerkandidatur „so dermaßen in den Sand gesetzt“.
Der Juso-Landeschef Jannis Schatte forderte eine klare Abgrenzung zur Union: „Die SPD ist eine linke Volkspartei“, sagte er laut NDR. Ein Delegierter aus Mölln verglich Klingbeils politisches Agieren mit einer „Selbstkrönung, auf die selbst Napoleon neidisch gewesen wäre“, berichteten die Kieler Nachrichten.
Klingbeil verteidigte sich. In NRW sagte er, die Personalentscheidungen seien „mit der gesamten Führungsspitze im Team getroffen worden“. Debatten seien notwendig, müssten aber ohne persönliche Angriffe geführt werden. Klingbeil sprach sich gegen eine programmatische Kurskorrektur nach links aus. Die SPD müsse aus seiner Sicht wieder stärker Politik für die Mitte machen.
Zur Aufarbeitung des Wahlergebnisses sagte Klingbeil: „Was nicht zu den Akten gelegt ist, ist ein Wahlergebnis von 16,4 Prozent.“ Und weiter: „Wir werden Konsequenzen aus dem Ergebnis ziehen. Natürlich haben wir Fehler gemacht.“ In Duisburg kündigte er an: „Wir brauchen eine ehrliche, eine offenere, eine schonungslose Diskussion in der SPD, wie wir wieder stärker werden können.“
Mit Blick auf die neue Koalition sagte Klingbeil: „Die neue Koalition von SPD und Union ist zum Erfolg verdammt.“ Sein Appell an die Partei: „Lasst uns am Ende vor allem eine geschlossene, eine solidarische, eine starke SPD sein“ – doch das könnte schwierig werden.