Seltene Erden: Deutsche Unternehmen steuern auf Engpässe und Produktionsausfälle zu

vor 4 Tagen

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Die im April von China getroffene Entscheidung, die Ausfuhr einer breiten Palette kritischer Mineralien und Magnete auszusetzen, hat die Lieferketten von Automobilherstellern, Luft- und Raumfahrtunternehmen, Halbleiterfirmen und Rüstungskonzernen auf der ganzen Welt durcheinandergebracht. Der von China verhängte Ausfuhrstopp für Seltene Erden hat inzwischen zu einem drastischen Rückgang der Lagerbestände dieser Metalle geführt. In der Folge haben Industrieverbände in Deutschland, den USA und Indien ihre Regierungen aufgefordert, sich bei Peking für eine schnelle Lösung einzusetzen. Chinas Strategie trifft auch die deutsche Autoindustrie bis ins Mark.

Die deutsche Automobilindustrie warnte, dass die Exportbeschränkungen Chinas für Seltene Erden ein ernstes Risiko für die Branche darstellen. Wenn nicht schnell eine Lösung gefunden werde, könnten Produktionsverzögerungen und -ausfälle die Folge sein. BMW warnte, seine Zulieferer hätten bereits mit Knappheiten zu kämpfen. In europäischen Zulieferfabriken habe es wegen der fehlenden Magnete schon Ausfälle von Produktionslinien gegeben. Hildegard Müller, die Vorsitzende des Automobilverbands VDA, warnte erstmals auch vor einem drohenden Produktionsstillstand.

Mehrere Werke und Produktionslinien europäischer Automobilzulieferer seien aufgrund eines Mangels an Seltenen Erden geschlossen worden, der durch die von China verhängten Exportbeschränkungen verursacht werde, teilte der europäische Automobilzuliefererverband CLEPA mit und warnte vor weiteren Ausfällen. China hat die behördlichen Auflagen für die Ausfuhr von Elementen wie Dysprosium, Terbium und Neodym erheblich erschwert. Für Gallium und Germanium gelten schon seit zwei Jahren strengere Auflagen.

Die USA und andere Industrieländer wie Deutschland sind von Importen dieser Metalle aus China abhängig, das deren Abbau und Verarbeitung weltweit dominiert. Die Waffe, die Peking neuerlich gegen seine Rivalen einsetzt, ist im Grunde neu geschmiedet und basiert auf strengen Exportkontrollbestimmungen, die im Dezember 2023 beschlossen wurden. Kurz vor Beginn von Trumps zweiter Amtszeit verhängte China ein Exportverbot für Güter aus Gallium, Germanium, Antimon sowie superharte Materialien mit doppeltem Verwendungszweck (Dual-Use-Items) in die USA.

Die neue Regelung wurde im Februar erstmals umgesetzt, als China als Reaktion auf Trumps Strafzölle die Lieferung von seltenen Metallen an die USA untersagte. Die Preise für einige wichtige Mineralien stiegen nach diesen Verboten sprunghaft an. Die zunehmende Bereitschaft Chinas, Exportbeschränkungen zu verhängen, deutet darauf hin, dass das Land seine wirtschaftliche Macht nutzen will, um Lieferketten als Waffe einzusetzen und ausländische Unternehmen und Länder zu bestrafen. Während die USA die Halbleiterindustrie dominieren, ist China bei der Produktion wichtiger Rohstoffe für die Halbleiterindustrie führend.

Derzeit liefert Peking über 90 Prozent aller Seltenen Erden für den Weltmarkt. Der Vorsprung Chinas bei der Verarbeitung von Seltenen Erden ist groß und schwer aufzuholen. Experten schätzen, dass der Rückstand Chinas bei der Entwicklung von Halbleitern gegenüber den USA etwa genauso lange andauert. Das ist von Bedeutung, weil die USA inzwischen den Export ihrer Chipsoftware nach China eingestellt haben. Diese wird in vielen großen und kleinen Fabriken benötigt. Folglich betrachten Beobachter die Chipsoftware auf US-Seite und die Seltenen Erden auf chinesischer Seite als die schärfsten Waffen im Handelsstreit der Weltmächte. Man hofft, dass die USA durch einen Durchbruch bei den Verhandlungen mit China in „vier, fünf Jahren“ über ausreichend Seltene Erden für ihren militärischen Bedarf verfügen werden.

Es gibt Abbauprojekte in Australien und auf Madagaskar, die sich jedoch meist nur auf die Gruppe der leichten Seltenen Erden konzentrieren. Für die Gruppe der schweren Seltenen Erden, die militärisch von besonderer Bedeutung sind, gibt es außerhalb von China und Myanmar, das unter chinesischem Einfluss steht, nur in Grönland größere Vorkommen. Damit wird deutlich, warum sich Trump so für eine Grönland-Übernahme interessiert. Allerdings sind die Vorkommen unter Gletschern versteckt und besonders schwer abzubauen.

Trump änderte schon mit seiner Forderung nach ukrainischen Bodenschätzen als Gegenleistung für Militärhilfen nicht nur die Spielregeln in der Ukraine, sondern erwies auch seinen strategischen Blick auf den globalen Wettbewerb um die Weltherrschaft.

Trump ist über Pekings Rohstoffpolitik verärgert. Washington ging bisher offenbar davon aus, dass China seine Exportkontrollen für Seltene Erden nach dem vor wenigen Wochen in Genf erzielten Handelskompromiss zwischen beiden Ländern zurückfahren würde. Bei dem Gipfel in Genf hatten sich die USA und China darauf geeinigt, ihren Zollkrieg für 90 Tage auszusetzen. Beide Seiten sprachen anschließend von einem guten Ergebnis und erweckten den Eindruck, zentrale Meinungsverschiedenheiten beseitigt zu haben. Doch wie sich später herausstellte, betraf das nicht die Seltenen Erden. Deswegen kam es diese Woche erneut zu Verhandlungen in London.

Wie Vertreter beider Seiten am Mittwoch nach Abschluss zweitägiger Gespräche in London mitteilten, haben sich die USA und China auf einen Rahmen zur Umsetzung ihrer Handelsvereinbarung geeinigt. Die chinesischen Exportbeschränkungen für Seltenerdmetalle und Magneten in die Vereinigten Staaten würden als „wesentlicher“ Bestandteil der Rahmenvereinbarung gelöst, sagte ein amerikanischer Verhandler laut Reuters am Mittwoch. Beamte beider Seiten werden den Vorschlag nun ihren Staatschefs zur Genehmigung vorlegen.

Zwar gibt es seit einer Woche hektische Bemühungen der EU-Kommission und europäischer Großkonzerne, Peking zu neuen Lieferungen zu überreden, doch bisher sind diese nur von kleinen Teilerfolgen gekrönt. Auch das jüngste Treffen der EU-Kommission mit dem chinesischen Handelsminister blieb ohne Ergebnis. Zwar kündigte China kürzlich an, die Genehmigung von Lizenzen für den Export seltener Mineralien an „einige europäische Unternehmen“ zu beschleunigen und einen „grünen Kanal“ für bestimmte Exportgenehmigungen einzurichten, doch alles bleibt erstmal vage.

Es ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit, die beide Weltmächte zu Verhandlungen zwingt. Die westliche Abhängigkeit von Lieferungen aus China ist in den Fabrikhallen des Westens enorm. Gleichzeitig können sich die Chinesen eine Abkopplung von der US-amerikanischen Chip-Industrie nicht leisten. Keiner der beiden Seiten wird einen entscheidenden Sieg erringen. Wahrscheinlicher ist, dass sie ihre wirtschaftlichen Ressourcen immer wieder mobilisieren und demobilisieren werden, um den anderen in Schach zu halten. Die USA haben genug Karten, aber Europa steht da schwach. Die EU steht vor der Herausforderung, ihre Handelsbeziehungen mit beiden Partnern zu gestalten, während gleichzeitig die Spannungen zwischen den USA und China auf dem Weltmarkt tendenziell ansteigen.

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