
Die Ermittlungsbehörden hätten den mutmaßlichen Täter im Fall der in Friedland ermordeten Liana K. gleich zweimal fassen können. Dies geht aus einem Pressestatement hervor, das die Staatsanwaltschaft Göttingen am Samstagmorgen gegenüber dem Göttinger Tagblatt veröffentlichte. Liana K. war am 11. August nach derzeitigem Ermittlungsstand von einem 31-jährigen abgelehnten Asylbewerber aus dem Irak vor einen fahrenden Güterzug gestoßen worden und verstarb an den Verletzungen.
Nun kommt heraus: Die Polizei hätte den Täter am Tag der Tat gleich zweimal fassen können – und vertuschte diesen Umstand gegenüber NIUS in einer schriftlichen Antwort auf eine Anfrage. Bereits gestern hatte NIUS das Protokoll der Vertuschung im Fall Liana K. veröffentlicht. Die Behörden sind mittlerweile so unter Druck geraten, dass sie sich offenbar gezwungen sahen, öffentlich Stellung zu nehmen – und verstricken sich dabei in weitere Lügen.
So war die Polizei am Tag der Tat vom Täter selbst zu der Leiche des ermordeten Mädchens geführt worden. Die Polizei war am Nachmittag des 11. August von der Polizei zum Bahnhof Friedland gerufen worden, weil ein Mann dort randalierte. Es handelte sich um den 31-jährigen Iraker, einen abgelehnten Asylbewerber, der ausreisepflichtig war und unter mehreren Identitäten im Land lebte. Er selbst machte die Polizei auf die Leiche des Mädchens aufmerksam. Anschließend führte die Polizei einen Alkoholtest bei dem Mann durch, der laut Bild einen Wert von 1,35 Promille im Blut ergab. Doch obwohl der alkoholisierte, randalierende Mann der Polizei die Leiche präsentiert hatte, ließen sie ihn einfach laufen, nachdem er eine Tatbeteiligung bestritten hatte.
Nach dem Tod der 16-jährigen Liana K. an diesem Bahnhof warnte die Polizei wochenlang vor „Spekulationen“ – die sich im Nachhinein als richtig erwiesen.
Am Abend desselben Tages rückte die Polizei noch einmal aus, wieder wegen eines randalierenden Mannes. Im Grenzdurchgangslager Friedland, einer riesigen Flüchtlingsunterkunft, randalierte derselbe Iraker, der die Polizei wenige Stunden zuvor zur Leiche des Mädchens geführt hatte. Dies bestätigt die Polizei nun gegenüber dem Göttinger Tageblatt. Der abgelehnte Asylbewerber sei während dieses zweiten Polizeieinsatzes „massiv psychisch auffällig“ gewesen und wurde darum in die Asklepios-Klinik gebracht.
Zweimal also hätten die Ermittlungsbehörden, die nach eigenen Aussagen schnell von einem Tötungsdelikt ausgingen, also den mutmaßlichen Täter fassen können: direkt am Tatort und später in der Flüchtlingsunterkunft. Er zeigte alle Zeichen eines Verdächtigen: Er wusste, wo sich die Leiche befand, er stand unter Alkoholeinfluss, er befand sich in einem psychischen Ausnahmezustand und verhielt sich so aggressiv, dass sein Umfeld zweimal innerhalb eines Tages die Polizei rief. Deutlicher, so müsste man meinen, kann ein Täter kaum auf sich aufmerksam machen. Dennoch nahm die Polizei den Täter zweimal nicht fest.
Stattdessen fokussierten die Behörden ihre Kräfte darauf, ihre massiven Ermittlungsfehler zu vertuschen und Berichte über einen Zusammenhang zwischen den beiden Einsätzen als Falschinformation darzustellen. Sie drohten den Bürgern gar mit rechtlichen Schritten, sollten diese im Netz über einen solchen Zusammenhang mutmaßen – und logen NIUS schriftlich über die Vorgänge an.
So fragte NIUS kurz nach der Tat, ob die beiden Polizeieinsätze miteinander in Verbindung gestanden hätten. Die Polizei antwortete am 18. August schriftlich: „Spekulationen über strafprozessuale Maßnahmen gegen konkrete Tatverdächtige entstammen den sozialen Medien und entbehren jeder Grundlage. In diesem Zusammenhang wurde auch fälschlicherweise ein Bezug zum nahegelegenen GDL Friedland (Flüchtlingsunterkunft, Anm. d. Red.) hergestellt. Richtig ist, dass die Polizei dort lediglich im Rahmen eines Rettungsdiensteinsatzes unterstützend tätig wurde und es weder ‚Festnahmen‘ noch ‚Razzien‘ gab.“
Die Mail der Behörden an NIUS.
Obwohl der Einsatz in der Unterkunft demselben Iraker galt, der neben der Leiche von Liana K. randaliert hatte, verneinte die Polizei jeglichen Zusammenhang. Der Bezug zu den Mordermittlungen sei „fälschlicherweise“ hergestellt worden und „entbehre jeder Grundlage“. Stattdessen stellt die Polizei den Einsatz bei dem psychisch auffälligen Tatverdächtigen wenige Stunden nach der Tat als „Rettungsdiensteinsatz“ dar.
Noch immer versuchen die Behörden, ihr offensichtliches Fehlverhalten zu vertuschen. Gegenüber dem Göttinger Tagblatt behauptet der zuständige Oberstaatsanwalt Andreas Buick, dass die Angaben der Polizei nach der Tat „vollkommen zutreffend“ gewesen seien. Die Ermittlungen in der Unterkunft am Abend hätten „völlig losgelöst“ vom Mordfall stattgefunden: „Das hatte nichts mit dem Einsatz am Gleis zu tun, das waren zwei völlig voneinander unabhängige Einsätze.“
Hinzu kommt: Offenbar hatte es bereits in der Vergangenheit Ermittlungen gegen den Iraker gegeben. Der Oberstaatsanwalt erklärte, dass die Polizei bereits „vor längerer Zeit“ eine DNA-Probe des Beschuldigten genommen hatte. Es lag also wohl in einem anderen Fall bereits ein Verdachtsmoment gegen den Mann vor, der dann am 11. August erst neben dem getöteten Opfer und später in seiner Asylunterkunft aggressiv randalierte.
Und auch in einer weiteren Sache log die Polizei gegenüber NIUS: Sie behauptete sieben Tage nach der Tat, dass sie „weiterhin von einem tragischen Unglück“ ausgehe. Dabei war, wie die Staatsanwaltschaft nun mitteilte, am Tag nach der Tat eine Mordkommission eingerichtet worden, weil die Spuren an der Leiche auf eine gezielte Tötung hindeuteten.
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