Sie sollen 250 Meter hoch werden: Riesen Ärger um Riesen-Windräder im Wahlkreis von Friedrich Merz – der Kanzler besuchte sogar die Baustelle

vor etwa 8 Stunden

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Bildquelle: NiUS

Sein Wahlkreis, der Hochsauerlandkreis, gilt noch immer als sicherer Rückzugsort von Kanzler Friedrich Merz. Hier muss er sich nur selten kritischen Stimmen stellen, sein Wahlkreis ist auch heute noch eine schwarze Hochburg. Kein Wunder also, dass der gebürtige Briloner gerne zu Besuch in seiner Heimat ist. Bei Wahlkreisterminen gibt er sich gerne naturverbunden, radelt von Ortschaft zu Ortschaft und betont die Schönheit seiner Wiesen und Wälder.

Doch mit dem Naturgenuss des Kanzlers wird es bald vorbei sein – nicht nur für Friedrich Merz, sondern auch für die allermeisten Sauerländer. Denn in der touristischen Hochburg vollzieht sich ein Wandel hin zur Windindustrielandschaft. Die bergigen Landschaftszüge stehen kurz davor, für riesige Windparks geopfert zu werden. Schon in wenigen Jahren werden die Höhenzüge des Sauerlandes überzogen sein von riesigen Windkraftanlagen, beginnend bei einer Höhe ab 250 Metern. Doch obwohl Merz öffentlich gerne betont, wie wichtig ihm der Schutz des Landschaftsbildes und der Natur ist, besuchte er vor zwei Wochen eine der größten Wind-Bausünden, einen Windpark bei Sundern, sogar noch öffentlichkeitswirksam.

Zuhause im Grünen: Mit der Naturschönheit, wie hier im Merz-Wohnort Niedereimer, ist es bald vorbei.

12 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 67 Megawatt werden dort am Standort Waldeshöhe aktuell vom Projektierer Trianel Wind und Solar GmbH gebaut. Bei der CDU Sundern Grund genug, das städtische Vorzeigeprojekt bei einem Besuch des Kanzlers gemeinsam mit ein paar Pressevertretern auch gleich zu besichtigen. Das Problem: Während Friedrich Merz für seine lokalen Unionskollegen schönes PR-Material für den angestrebten Windkurs produziert, ignoriert er nicht nur offensichtliche Naturzerstörung, sondern auch die Stimmen der Anwohner.

Peter Nuttebaum wohnt im Dorf Bönkhausen, das mit seinen wenigen Häusern nur wenige hundert Meter von den Anlagen entfernt ist. In Nuttebaums Umfeld machten sich schon länger Gerüchte breit, der Kanzler könnte vorbeischauen, um den Windpark zu besichtigen. Weil es keine öffentlichen Informationen dazu gibt, beginnt der IT-Unternehmer, sich bei lokalen Unionsmitgliedern umzuhören. Er, der vielen als Gegner der Anlagen bekannt ist, erhält allerdings keine Informationen zu dem Besuch. Im Gegenteil. Ihm wird mitgeteilt, eine Veranstaltung werde nicht stattfinden, weil der Kanzler aufgrund der Debatten um die Ukraine zu sehr beschäftigt wäre und nicht kommen könne.

Der Bönkhausener Peter Nuttebaum hätte dem Kanzler seine Windkraftkritik gerne vorgetragen.

Am 5. Juli wird er eines Besseren belehrt. Am frühen Vormittag kann Nuttebaum nur noch den schwarzen Limousinen hinterherschauen, die sich samt Besatzung aus lokalen Unionsvertretern und Merz selbst ihren Weg zur Baustelle bahnen. Dass es der Kanzler ist, der zu Besuch ist, konnte er zu diesem Zeitpunkt nur ahnen. Wenig später bekommt er in der Presse die Bestätigung. Nuttebaum ist verärgert über den Umgang mit ihm und seiner Kritik: „Wenn klar gewesen wäre, dass er kommt, hätten wir ihm gerne ein paar Fragen gestellt“, sagt Nuttebaum.

Vor Ort schaut sich Merz knapp eineinhalb Stunden die Pläne des Projektierers an. Ein Kamerateam des WDR begleitet den Besuch und fängt die Stimme des Kanzlers auf der großen Baustelle ein. Von Seiten des Kanzlers heißt es: „Niemand von uns ist gegen Windenergie, aber es muss eine Akzeptanz in der Bevölkerung dafür geben“. Scheinbar gilt das aber nicht für diejenigen, die unmittelbar betroffen sind.

Ohne kritische Bürger bleibt die Stimmung beim Windrad-Besuch bestens.

Außerdem äußerte sich Merz zu den unmittelbaren Eingriffen in die Natur: „Irgendwo noch so ein Stück auch dieses Landschaftsbilds gerade des Hochsauerlandes zu erhalten, das ist, glaube ich, mindestens genauso wichtig wie solche Anlagen.“ Auch der scheidende Bürgermeister Klaus-Rainer Willeke ist zufrieden, dass man mit den Anlagen eine „klimafreundliche Zukunft“ gestalten könne: „Der Besuch des Bundeskanzlers gibt Rückenwind für unseren Kurs“, sagt er im Interview.

Seine mögliche Nachfolgerin, die CDU-Bürgermeisterkandidatin für die Kommunalwahlen im September, Jaqueline Bila, die dafür in der Kritik steht, trotz des Wahlkampfes ihr Amt als Beigeordnete der Stadt Sundern nicht niederzulegen, ergänzte die Freude des Bürgermeisters. Für sie sei Merz „schon sehr nahbar, er kommt ins Gespräch, er kommt auf den Punkt“, sagte sie im WDR-Interview. Der Besuch vermittelt ein „Weiter so“ in der Windpolitik, so versteht es auch der Geschäftsführer von Trianel, Arvid Hesse: „Das Interesse des Bundeskanzlers ist ein ermutigendes Signal für die Weiterentwicklung der Energiewende“, heißt es im Pressestatement des Projektierers.

Nur eben nicht für denjenigen, die von der Unionspolitik am härtesten betroffen sind. Dennoch präsentiert sich Merz in Sundern als Politiker, der abwägt, sowohl mögliche Vor- als auch Nachteile der Windenergie kennt und das Bürgerinteresse fest im Blick behält. Das vermittelte Bild: Der Bau der Anlagen ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die Eingriffe in die Natur nicht zu groß sind und sich keine Streitigkeiten mit den Anwohnern ergeben. Auch für die CDU Sundern und deren Kandidatin Bila ist der Termin ein PR-Erfolg.

Auffällig: Für seine Naturfotos wählte Merz einen Hintergrund ohne Windkraftanlagen. Schon bald wird diese Option allerdings verfallen.

Die Anwohner in den kleinen, umliegenden Ortschaften wie Bönkhausen, Stockum, Endorf, Allendorf und Stemel haben zahlreiche Sorgen den Windpark betreffend. Die Anlagen, teils nur hunderte Meter entfernt, werden in allen Orten spürbar sein. Nicht nur durch ihre optische Präsenz auf den Höhenzügen – allein durch ihre Größe bestimmen sie in Zukunft den Großteil des Landschaftsbildes. Auch das ständige Surren der drehenden Rotorblätter und der Schlagschatten, den sie werfen, wird deutlich spürbar sein und kann auf Dauer zur Belastung werden. Mit dem von Merz geforderten Erhalt des beeindruckenden Sauerland-Panoramas ist es dann endgültig vorbei.

Für den Bau der Anlagen wird nicht nur vorhandener Wald gerodet, sondern auch viel Erde abgetragen.

Der Bau der Anlagen ist außerdem mit weitreichenden Eingriffen in die Natur verbunden. So müssen, um Einzelteile wie etwa die bis zu 90 Meter langen Rotorblätter über Zuwege in den Wald transportiert werden. Da die einfachen Forstwege längst nicht dazu ausreichen, werden zwölf Meter breite und sieben Kilometer lange Erschließungsstraßen in die Wälder gebaut. Nicht nur geschottert, sondern auch geteert. Das Material dazu wird direkt vor Ort aufbereitet. Spezialfahrzeuge zerkleinern große Steine, das Material kann umgehend zum Bau benutzt werden.

Nuttebaum fürchtet, die Arbeiten könnten sich auf einen weiteren elementaren Lebensbereich der Bönkhauser Dorfbewohner auswirken – die Trinkwassergewinnung. Denn: Der Ort ist nicht an das lokale Wasserversorgungsnetz der Stadt Sundern angeschlossen, sondern verfügt über eine eigene Quelle. Die ist, wie auch die Wohnhäuser, nur unweit von der Wind-Baustelle entfernt. „Ich spüre die Vibrationen noch bei mir zuhause, wenn dort Steine zerkleinert werden.“ Seine Sorge: Der Boden könnte durch die ständige Belastung verdichtet werden, hinzu kommt die ständige Benutzung der Waldwege durch LKW und andere schwere Baufahrzeuge. Das könnte sich wiederum auf den Fluss des Quellwassers auswirken – oder dessen Gewinnung sogar unmöglich machen.

Der Fuhrpark auf der Windbaustelle bei Sundern

Doch damit nicht genug. Denn neben den Sorgen um Natur, Lärmbelastung und Co. ist die Region auch wirtschaftlich durch den Bau betroffen. Allerdings nicht im positiven Sinne: Nuttebaum, der als selbstständiger IT-Experte tätig ist, besitzt im Ort zusätzlich noch Ferienwohnungen und einen Pferdehof. Eine Leidenschaft, die er gerne kombinieren wollte. Wer in seinen Ferienwohnungen Urlaub macht, soll auf dem Rücken der Pferde die Natur genießen können. „Wenn allerdings die Windkraftanlagen hier gebaut werden, wird niemand mehr hier Urlaub machen wollen“, ist er sich sicher. Nicht nur durch den bloßen Anblick der Windmühlen, sondern auch durch die Geräuschkulisse. Hinzu kommt obendrein der massive Wertverlust der Häuser.

Der Kanzler weiß um die riesigen Verwerfungen, die der Bau solcher Anlagen im Sauerland mit sich bringt. Wer ständig darauf pocht, einen Kompromiss zwischen Natur und Mensch zu finden, muss diesen Verwerfungen Einhalt gebieten – sonst wird der Rückzugsort des Kanzlers nicht mehr lange als solcher dienen können.

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