Sie wollen „Homosexuelle töten“ und „Ungläubige abschlachten“: Islamistengruppe Nūr al 'Ilm breitet sich in Norddeutschland aus

vor etwa 1 Monat

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Bildquelle: NiUS

Die Kanalinfo auf YouTube liest sich harmloser als die Selbstbeschreibung einer Pfadfindergruppe: Hass und Gewalt gegen Einzelne oder Gruppen würden nicht befürwortet oder unterstützt. „Wir möchten den Dialog fördern, zur Aufklärung beitragen sowie zu einem besseren Miteinander in der Gesellschaft“, heißt es dort. Doch wer genauer hinsieht, bemerkt schnell, dass die Inhalte des Kanals mitnichten harmlos und friedfertig sind. Vielmehr handelt es sich bei der Gruppierung „Nūr al 'Ilm | Licht des Wissens“ um eine besonders radikale Islamistengruppierung, die bisher unter dem Radar fliegt – und um Jugendliche wirbt.

Welche Inhalte diese in den Jugendfreizeiten, Koran-Lesestunden oder im Islamunterricht vermittelt bekommen, davon gibt der Kanal mit mehr als 100 Videos einen Eindruck. In dem Clip „Lehren aus der Schlacht von Uhud“ heißt es etwa, der Prophet sei der Meinung gewesen, „dass wir, also die Gläubigen, auf die Kuffar in Medina warten sollen, dass die Kuffar reinkommen und dass die Kuffar dann in Medina abgeschlachtet werden – von den Seiten und von den Häusern“. „Streetfight in Medina.“ Die Kuffar stehen dabei für Ungläubige; ein Ausdruck, den Islamisten immer wieder nutzen, um Nicht-Muslime abzuwerten.

Im Video über den Propheten Lut wird hingegen folgendes Verhältnis zur Homosexualität vermittelt: „Homosexualität ist natürlich keine kleine Sünde, sondern eine große Sünde. [...] Und ihr wisst, es wird getötet im Islam. Wenn ihr seht, dass jemand die Tat macht, dann sollt ihr beide töten: denjenigen, der das macht, und denjenigen, mit dem das gemacht wird. Beide müssen getötet werden.“ Manche Gelehrten hätten abgeleitet, dass der Sünder von einem hohen Gebäude geschmissen oder verbrannt werden soll. „Die Sünde ist sehr schlimm im Islam.“Und: Auch die Züchtigung der Frau wird als erlaubter Gewaltakt beschrieben. „Wenn sie immer noch darauf [falsches Verhalten] beharrt, schlägt er sie – aber nicht hart, nicht ins Gesicht und ohne, dass er Spuren hinterlässt. Er darf sie auch schlagen, wenn sie die Pflichten Allahs vernachlässigt“, heißt es in einem weiteren Video.

Auf dem YouTube-Kanal von Nūr al 'Ilm, den ein geöffneter Koran ziert, aus dem Lichtstrahlen strömen, und der gerade einmal rund 500 Follower aufweist, sind Dutzende solcher Videos hochgeladen. Sie changieren zwischen Fragestunde und Lebensratgeber, bei denen Jugendlichen erklärt wird, wie man ein Leben im Sinne der Religion führe, und Koranrezitationen, bei denen die Inhalte der heiligen islamischen Schrift geradezu orthodox-wörtlich ausgelegt werden – im Sinne der Sahaba und Salafiya, also der „Gefährten“ und „Altvorderen“. Auf diese Gelehrten, die in den ersten Generationen Mohammeds lebten, berufen sich Salafisten, so auch Nūr al 'Ilm, wenn sie einen islamistischen Lebensstil in der Moderne bewerben.

In zahlreichen Videos werden Jugendfreizeiten, sogenannte Brüdertreffen, abgehalten. Im Zentrum der Gruppierung steht ein stämmiger Mann mit geraspeltem Kurzhaarschnitt und Vollbart, der sich Abdur Rahman Shadid nennt. Er und seine Gruppierung sind vorwiegend in Norddeutschland unterwegs: in Bremen, Lübeck und der dortigen Assalam Moschee, Delmenhorst, aber auch in Nordrhein-Westfalen und Mannheim finden Veranstaltungen von Nūr al 'Ilm statt. Eine kleine Pilgerfahrt mit Shadid beim Anbieter „Taibah Tours“ konnte man im vergangenen Jahr für den Schnäppchenpreis von 1400 Euro erstehen.

Die preiswerte Pilgerfahrt nach Mekka.

Mit dem Tauhid-Finger in die Kamera blicken: Teilnehmer eines Brüdertreffens im verganenen Sommer.

NIUS wollte wissen, wie die Aussagen aus den Videos zu verstehen sind und wie sie in Einklang mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Eine Anfrage ließ die Gruppierung bis Sonntagabend unbeantwortet. Unklar ist, ob der Fragenkatalog, den NIUS übersandte, überhaupt gelesen wurde.

Das liegt womöglich auch am konspirativen Charakter der Gruppierung. Nūr al 'Ilm gleicht einer Blackbox, operiert ohne Impressum und ohne ladefähige Adresse für justiziable Inhalte. Abseits des YouTube-Kanals gibt es keine Website, keine E-Mail-Adresse und keine Telefonnummer, die erlauben würden, Kontakt zu den Islamisten aufzunehmen. Auf Instagram werden Predigtinhalte und Share-Kacheln hochgeladen. Zudem gibt es eine interne WhatsApp-Gruppe, in die handverlesene Gläubige aufgenommen werden können. Wie verschworen die Macher dabei agieren, wird auch daran deutlich, dass ein ganzer Fragenkatalog beantwortet werden muss – nebst Personalien werden auch Arabischlevel und Korankenntnisse abgefragt –, um in den erlesenen WhatsApp-Chat aufgenommen zu werden.Zum Mann im Zentrum der Gruppierung, Abdur Rahman Shadid, lässt sich im Internet so gut wie nichts finden. Auch Informationen zu Nūr al 'Ilm sind schwer zu finden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat ebenso wenig Kenntnisse über die Strukturen der Gruppierung wie die Landesämter in Bremen und Schleswig-Holstein. Letztere verweisen darauf, dass sie nur tätig werden, wenn sie „tatsächliche Anhaltspunkte“ haben, die auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung schließen lässt – obwohl Nūr al 'Ilm in beiden Ländern nachweislich tätig war.

Der Kopf der Gruppierung: Abdur Rahman Shadid.

Die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann warnt dabei vor den Strukturen von Nūr al 'Ilm gegenüber NIUS: „Die Gruppierung ist in ihrer Radikalität und ihrem Selbstverständnis bemerkenswert“, so die 61-Jährige. Dabei setze man auf einen „Elitengedanken“, der nur einen kleinen Kreis von junge Männern zum Teil einer Gemeinschaft werden lasse. Dass es dabei keine Informationen gebe und kaum Transparenz hergestellt werde, wertet Herrmann als Gefahr. „Früher hat man die Gefahr von Islamistengruppierungen von Größe und Bekanntheit abgelesen, dabei sind solche geschlossenen Systeme für die Radikalisierung Einzelner manchmal gefährlicher – und fliegen oft unter dem Radar, weil sie dezentral und digital agieren.“

Einen Hinweis auf die Vernetzung der Gruppierung von Shadid gibt es dann doch: In der Telegram-Gruppe wird einer der drei Administratoren mit dem Handle @ikzbremen ausgewiesen. Die Abkürzung IKZ steht für das islamische Kulturzentrum.

Einer der Administratoren der Telegram-Gruppe.

Die Glaubensstätte in Bremen-Mitte gilt Verfassungsschützern als Treffpunkt von radikalen Salafisten. Die im IKZ abgehaltenen Predigten richteten sich oft auch „gegen zentrale Verfassungsgrundsätze und rufen zu einer bewussten Ab- und Ausgrenzung gegenüber Nichtmuslimen bzw. vermeintlichen Ungläubigen auf“, heißt es von Seiten des Verfassungsschutzes auf Anfrage von NIUS. „Neben einer Ablehnung der westlichen Rechts- und Werteordnung belegen auch die Verbreitung antisemitischer Inhalte und die Propagierung der Ungleichwertigkeit der Religionen die islamistische Ausrichtung des IKZ.“ Die Predigten offenbarten „typische Wertevorstellungen und Feindbilder der salafistischen Ideologie“ und zielen darauf ab, bei den Zuhörenden ein „Überlegenheitsgefühl“ hervorzurufen.

Polizisten bei einer Razzia im IKZ Bremen. Die Glaubensstätte gilt als Salafisten-Zentrum – auch Shadid und Nūr al 'Ilm operierten hier.

Genau jene ideologischen Versatzstücke finden sich dabei auch bei Nūr al 'Ilm. So wird in einem Video etwa die Allmacht Allahs im Kampf gegen Großmächte wie die USA, Israel oder Russland beschworen. „Allah ist der König und Allah hat die Macht über alles. Und Allah kann all diese starken Länder in einer Sekunde zerstören: Israel, USA, Sowjetunion, Russland: alle diese großen Länder, von denen man denkt: Okay, die sind krasse Länder und die haben große, krasse Waffen. Das ist sehr leicht [für Allah], die zu zerstören.“

Die Frage, wie der Kampf gegen Kuffar, also Ungläubige, in der heutigen Zeit geführt werden könne, wenn man nicht wisse, ob Frauen und Kinder von Bomben getroffen werden könnten, lobt Abdur Rahman Shadid im Stil des TikTok-Predigers Abul Baraa als „sehr gute Frage“. Im Islam gebe es das allgemeine Urteil, „dass wir Frauen und Kinder und Leute, die nicht kämpfen, und Menschen, die arm sind, nicht töten.“ Aber weiter heißt es: „Aber was, wenn wir die Kuffar zum Beispiel bekämpfen wollen“ – und es gerade nicht möglich sei, sie von den Frauen, Kindern und Armen zu unterscheiden? „Dann geht es“, kommt der Redner zum Schluss.

Im Video „Al Jihad. Hanbali Fiqh“ wird dabei nicht nur der Dschihad als Pflicht von Muslimen beworben, sondern auch klargestellt: „Allah hat befohlen, dass seine Religion über alle Religionen siegt und dass seine Religion überall praktiziert wird und dass zu ihn überall sein, zu seiner Religion aufgerufen wird. Und dass die Regeln von seiner Religion überall herrschen.“

Das hat sich die Gruppierung hinter die Ohren geschrieben. Neben der Produktion von täglichem Online-Content steht dabei auch Dawah auf dem Programm. Der Begriff steht für islamische Missionierung im öffentlichen Raum. Auch hier finden sich Videos, in denen Jugendliche in Kaftanen und mit gestutzten Oberlippen-Bärten in Fußgängerzonen, etwa in Bremen, Passanten zum Islam bekehren wollen. Die Aktion ist mit religiöser Musik in arabischer Sprache unterlegt, etliche der Jugendlichen halten Korane in die Kamera.

Die Aktion erinnert unweigerlich an die Koranverteilungsaktion „Lies“, bei der ab 2010 Salafisten in zahlreichen deutschen Städten für den Übertritt zum Islam geworben haben. An der Aktion waren bundesweit bekannte Islamisten wie Ibrahim Abou-Nagie mit seiner Gruppierung „Die wahre Religion“, die später verboten wurde, beteiligt. Attentäter, wie etwa derjenige, der einen Sikh-Tempel in Essen angriff, waren zuvor als Koranverteiler in Innenstädten unterwegs.Für Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann ist das ein Anlass zur Sorge: „Gerade wenn aus Koranlesezirkeln auch Missionierungskampagnen durchgeführt werden, sollten Sicherheitsbehörden hellhörig werden.“ Auch die Verbindung zum IKZ Bremen, das als eine der Zentralen für salafistische Strukturen in Norddeutschland gelte, sei für sie ein „Fingerzeig“. „Aus dem Umfeld von ‚Lies‘ waren damals Dutzende Muslime als Kämpfer zum ‚Islamischen Staat‘ nach Syrien und Irak ausgereist.“Derweil trifft sich Nūr al 'Ilm weiter. Am vergangenen Wochenende fand das „dritte Brüdertreffen“ in Gütersloh statt. Zentral auf dem Flyer, welcher die Veranstaltung bewirbt, ist ein Zeichen angebracht, das sehr an das „Siegel des Propheten“ erinnert – also das Symbol, welches auch der „Islamische Staat“ auf seiner Flagge abdruckt. „Siegel der Propheten“ war dabei auch eine Abspaltung der Koranverteilungskampagne „Lies“ – und wurde in mehreren Verfassungsschutzberichten aufgelistet.

Für manche mag das erst einmal reines islamisches Klimbim und reiner Zufall sein. Für andere ist es ein Beleg für islamistische Kontinuitäten, die im Jahr 2025 fortbestehen.

Das dritte Brüdertreffen in Gütersloh.

Auch bei NIUS: Salafistische Moschee ruft zur Tötung von Ungläubigen auf – und ist offizieller Partner der Stadt Reutlingen

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