
Bizarrer Machtkampf in der SPD: Kanzler Olaf Scholz will unbedingt als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf gehen, obwohl an der Basis und auch in Teilen der SPD-Spitze die Zweifel an seinen Erfolgsaussichten wachsen. Die Scholz-Logik: Wenn wir als Regierungspartei ins Rennen gehen wollen, muss ich der Frontmann der SPD sein.
Eine Auswechslung des Spitzenkandidaten würde nicht nur ihn selbst zum gescheiterten Politiker machen, sondern auch die Ampel und damit die Sozialdemokraten als Kanzlerpartei insgesamt als Verlierer dastehen lassen, die Personal austauschen und die Bilanz verstecken müssen. Eine Logik, die in den Sphären des politischen Protokolls und in klugen Leitartikeln gilt, aber mit den Wählern draußen im Land nichts zu tun hat.
Olaf Scholz auf dem Rückflug von Rio nach Berlin.
1. Beliebtheit: Olaf Scholz ist als Kanzler das Gesicht und der Kopf der Ampel. Die Wähler werden es nicht verstehen, wenn Scholz als unbeliebtester Politiker Deutschlands (INSA-Politikerranking) für die SPD ins Rennen ginge, während Deutschlands beliebtester Politiker, Verteidigungsminister Boris Pistorius, ins Glied der Parteisoldaten zurücktreten muss.
2. Kein Neuaufbruch: Rund 80 Prozent der Deutschen sind mit der Bilanz der Ampel, die nun mal vom Kanzler als führendem Kopf verkörpert wird, unzufrieden. Wie soll Scholz für Neuaufbruch und Zukunftshoffnung stehen, wenn er die zurückliegenden drei Jahre, Rezession, steigende Preise und Klientel-Gesetze wie Geschlechterwechsel oder Cannabisfreigabe zu verantworten hat?
3. Zerreißprobe für die SPD: Die Debatten um Scholz' Spitzenkandidatur lassen sich auch nicht durch Vorstandsbeschlüsse per Geschlossenheitsbefehl unterdrücken und beenden. Jeden Tag würden Genossen im Wahlkampf unter ihren SPD-Schirmen auf den Marktplätzen stehen und die Scholz-Schelte abkriegen. Die Zweifel würden wachsen, die Debatten würden weitergehen und die Wahlchancen der SPD zusätzlich beschädigen. Die Chance, ein neues Allzeit-Tief im unteren zweistelligen Bereich einzufahren, wäre groß. Ein späterer Tausch der Kandidaten wäre nicht mehr möglich.
Wer wird Kanzler? Der unbeliebteste oder der beliebteste Politiker Deutschlands?
4. Kein Hoffnungsträger: Es wäre geradezu absurd und auf offener Bühne peinlich, wenn die SPD bei ihrer geplanten „Wahlsieg-Konferenz“ am 30. November ausgerechnet Olaf Scholz präsentieren würde, dessen Koalition zerbrochen ist, der der unbeliebteste Politiker ist und unter dessen Regentschaft, die SPD in den Umfrage-Keller gerutscht ist.
5. Kein Charisma: Einen Neubeginn verkörpert der Alt-Kanzler nicht. Scholz hätte ein massives Glaubwürdigkeitsproblem, wenn er den Deutschen versprechen will, dass es ihnen künftig unter seiner Führung besser geht. Er hatte Zeit, genau das unter Beweis zu stellen. Und auch sein Charisma wird im Wahlkampf keine Purzelbäume schlagen.
6. Scholz ist auf dem Rückzug: Im Gespräch mit der „Welt“ am Rande des G20-Gipfels ruderte Scholz bereits selbst zurück und sagte, „wir wollen gemeinsam erfolgreich sein“. Ein deutlich anderer Sound als die Tage zuvor. Gemeinsamer Erfolg kann auch ein ehrenvoller Rückzug des Kanzlers sein, mit Übergabe des Staffelstabs an Pistorius.
7. Wahlchancen: Für die Union als Hauptkonkurrent wäre Scholz die ideale Zielscheibe. Er wäre DER Schuldige für alles, was schiefläuft im Land. Die einzige Chance für Scholz besteht darin, dass die Union - was derzeit nicht absehbar ist - stark absackt und die SPD mit anderen Partnern erneut den Kanzler stellt. Wahrscheinlicher ist, dass die SPD den Rückstand nicht mehr aufholen kann und Juniorpartner in einer Koalition mit der Union wird. Damit wäre Scholz Geschichte. Ein Kanzler tritt nicht zum Minister degradiert in das Kabinett seines Nachfolgers ein und bleibt in der Regel auch nicht auf längere Sicht einfacher Abgeordneter im Bundestag. Für eine Regierungsbeteiligung benötigt die SPD aber jeden Prozentpunkt, umso viel Einfluss (und Posten) wie möglich zu erringen. Mit anderen Worten: Der Scholz hat seine Schuldigkeit getan.
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