Godesberg und sieben unerbetene Ratschläge an die AfD

vor etwa 2 Monaten

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Bildquelle: Tichys Einblick

Deutschland ist dank der lähmenden, höchst fragwürdigen „Brandmauer“ der CDU/CSU gegenüber der AfD in einer politischen Sackgasse. Als scheinbaren Ausweg wählen die Unionsparteien offenbar eine Strategie, die auf eine konservativ-liberale Wende in Berlin – nach der sich die Mehrheit der Menschen sehnt – zugunsten von Zugeständnissen an linke und grüne Ideologen verzichtet.

Zwar verspricht der designierte Kanzler Friedrich Merz der Öffentlichkeit das Blaue vom Himmel, bleibt aber letztendlich bei einem verheerenden politischen Kurs, der schon seit Jahren den Niedergang Deutschlands festschreibt, der Wohlstandsverluste, Staatsverschuldung und enorme gesellschaftliche Konflikte und Verwerfungen mit sich bringt.

Eine Zusammenarbeit oder gar eine Koalition mit der AfD schließen alle Parteien rigoros aus – was faktisch die Dominanz linker Politik festschreibt. CDU/CSU ringen lediglich mit der Frage, was im Berliner Alltag beim Umgang mit der verfemten AfD „parlamentarische Normalität“, „demokratische Gepflogenheiten“ und „fairer Umfang“ bedeuten könnten.

Schon die vorsichtige Anregung von CDU-Politiker Jens Spahn, die zweitgrößte Fraktion im Bundestag „wie eine normale Opposition“ zu behandeln, löste einen fast hysterischen Aufschrei der Empörung bei SPD, Grünen und Linken aus, und weckte auch massiven Widerstand innerhalb der Union.

Dabei spielt weder eine Rolle, dass heute schon um die 25 Prozent der Bürger in den Umfragen die AfD unterstützen, noch wird die Einsicht berücksichtigt, dass allein mit Hilfe der AfD auf wichtigen politischen Feldern wie Klima, Energie, Migration, Flüchtlinge, Innere Sicherheit, Lebensrecht, Soziales oder Trans- und Genderthemen die Ziele erreicht werden könnten, die den Demoskopen zufolge die meisten Bundesbürger unterstützen.

Es wäre ein Segen für Deutschland, wenn sich die AfD in das normale Procedere moderner Demokratien integrieren ließe, so wie das bereits in Italien, Finnland, den Niederlanden und teilweise auch Schweden gelungen ist. Dafür müsste allerdings auch die AfD einen Beitrag leisten, der die Partei vermutlich in erbitterte Debatten stürzen würde.

Wer allerdings wirklich aus Vaterlandsliebe, gesellschaftlichem Verantwortungsgefühl und christlichen Werten heraus in die Politik gegangen ist, der wird stets die enormen Herausforderungen und extrem wichtigen Ziele im Auge haben, nicht aber persönliche Eitelkeiten, politische Kompromisslosigkeit und sture Rechthaberei.

Dass die überwältigende Mehrheit der AfD-Politiker und -Mitglieder von ganzem Herzen jede Nähe zu nationalsozialistischem, rassistischem oder antisemitischem Gedankengut ohnehin ablehnen, sollte den Prozess enorm vereinfachen.

Die AfD braucht vermutlich deutliche Akzentuierungen in den Inhalten und neue, mutige Strategien, so etwas wie ein „Godesberger Programm“, mit dem die SPD 1959 Abschied von marxistischen Dogmen und sozialistischen Träumen nahm. Damit die AfD als national-konservative, liberale Partei, als die sie sich selbst definiert, akzeptiert werden kann, braucht es ein noch klareres, glaubwürdiges Bekenntnis zur repräsentativen Demokratie, zur Gewaltenteilung und zum Rechtsstaat.

Zudem muss sie weit klarer und unzweideutiger als bisher das Dritte Reich, den Holocaust und die Diktatur der Nationalsozialisten als die schrecklichste und grauenhafteste Periode in der Geschichte Deutschlands verdammen. So schwer kann das auch für patriotische Demokraten nicht sein.

Das Argument, das alles hätten Parteivorsitzende, Abgeordnete und Funktionäre längst schon oft genug getan, ist weitgehend unerheblich – und sachlich auch nicht ganz richtig. Zum einen entkommt man moralischer Verdammung und Verteufelung nicht mit lauen Erklärungen, halbherzigen Worten und beleidigten Reaktionen. Das lehrt die Geschichte der Katholischen Kirche und ihrer Missbrauchsfälle; das zeigen die Erfahrungen von Skandalen und Katastrophen von Firmen wie Johnson & Johnson (Tylenol-Skandal 1982), Volkswagen (Dieselgate 2015) oder Starbucks (Rassismus-Vorfall 2018).

Schließlich hat die AfD durchaus auch so etwas wie politische Leichen im Keller: Die Partei sollte selbstkritisch anerkennen, dass höchst fatale Äußerungen und äußerst unappetitliche Tiraden auch von Spitzenleuten der Partei das Misstrauen in der Öffentlichkeit nährten. Unbestreitbar ist auch, dass aus der AfD zuweilen dumpfe Stereotype rechtsextremen Gedankenguts und Anklänge an die widerliche Wortwahl völkisch-nationalistischer Demagogen zu hören waren.

Herr Gauland kann sich noch tausendfach für seinen „Vogelschiss“ entschuldigen, Herr Höcke mag noch so pikiert bestreiten, mit Nazi-Begriffen hantiert oder Hitler verharmlost zu haben – die Reihe der wirklichen und angeblichen Fehltritte und Entgleisungen in dieser Partei ließe sich fast endlos fortsetzen. Tatsache ist, dass es sie in großer Zahl gab und gibt, nicht zuletzt auch, weil unbestreitbar ein völkisch-nationaler Flügel der AfD das Bild einer rechtsextremen Partei immer wieder nährt.

Ein Bundestagsabgeordneter wie Matthias Helferich, der sich einmal als „freundliches Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnet hatte, sollte in der Partei nur Platz haben, wenn er sich glaubwürdig von solch widerlicher Entgleisung distanziert und entschuldigt.

Manche hochemotionalen Reden im Bundestag, der eifernde Duktus und die zuweilen maßlos übertriebene Wortwahl mancher AfD-Abgeordneter, die Neigung auch mal globale Verschwörungstheorien und finstere Machenschaften „der da oben“ zu suggerieren, Zweifel an der deutlichen Überlegenheit der parlamentarischen Demokratie gegenüber jedem anderen politischen System haben letztendlich den Ruf der Partei massiv beschädigt.

Manche, zuweilen heimliche Sympathien für die AfD in konservativen und liberalen Kreisen erklären sich allerdings aus dem Umstand, dass die Medien im Land, insbesondere aber die mächtigen öffentlich-rechtlichen Sender, die AfD seit vielen Jahren mit Dauerbeschuss, Ignoranz, Diffamierung und demonstrativer Abscheu verfolgen. Die AfD erlebt seit vielen Jahren eine permanente Skandalisierung fast aller ihrer Politik, ihrer Programme und Personen.

Zwar machte es die Partei mit manchen Fehlleistungen und ihrer Dauerempörung feindselig gesinnten Journalisten sehr leicht, die AfD immer wieder mit Häme und Diskreditierung zu überschütten. Was nichts daran ändert, dass die Berichterstattung der meisten Medien über die AfD noch immer weitgehend skandalös einseitig, unprofessionell, unsachlich und emotional geprägt ist.

Fakt aber ist auch, dass die AfD ein grundsolides demokratisches Parteiprogramm hat, dass ihre beiden Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla zwar rhetorisch und intellektuell vielleicht keine Superstars sind, auch wenn sie sich angesichts der übrigen politischen Elite in Berlin kaum verstecken müssen, dass diese beiden Parteichefs aber fraglos auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen – wie vermutlich die meisten der Abgeordneten und Funktionäre der AfD.

Die Partei sollte sich die SPD als Vorbild nehmen.1959 wurde die sozialdemokratische Partei aus einer marxistisch inspirierten, sozialistischen Arbeiterpartei, die vom Sozialismus in Deutschland träumte, eine pragmatische, die kapitalistischen Rahmenbedingungen akzeptierende Volkspartei. Die SPD schloss ihren Frieden mit der Sozialen Marktwirtschaft, Landesverteidigung und NATO.

Wenn die AfD wirklich ein Ende der politischen Isolation anstreben möchte, braucht es keineswegs einen Abschied von den programmatischen Grundsätzen und politischen Zielen, auch keine neue politische Führung – die AfD braucht eine glaubwürdige, öffentlichkeitswirksame Wende auf der Basis ihrer eigenen Programmatik. Es geht also kaum um Änderung, sondern um Akzentuierung, nicht um Anpassung, sondern Klarstellung. Die AfD muss es schaffen, all jene Vorwürfe zu entkräften, mit der ihre Gegner sie pausenlos angreifen und oft genug verleumden und diffamieren.

Dazu sieben unerbetene Ratschläge von einem, der nach vielen Jahren politischer Irrwege in diesem Land um die Freiheit, den inneren Frieden und die Grundwerte der deutschen Nachkriegsdemokratie bangt:

1. Lautstarkes Bekenntnis zur repräsentativen Demokratie Statt beleidigt auf die ständigen Vorwürfe, nicht demokratisch zu sein, zu reagieren, sollten sich die Partei und ihre Repräsentanten immer wieder klar und deutlich zu Grundgesetz, Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Minderheitenrechten und Demokratie bekennen. Sie bricht sich keinen Zacken aus der Krone, wenn sie gebetsmühlenhaft betont, dass die Alternative zutiefst demokratisch ist. Insbesondere im Osten Deutschlands, wo laut Umfragen viele an der Demokratie zweifeln, hat die AfD die Chance, glaubwürdig das politische System zu verteidigen – durchaus auch, indem sie zeigt, wie die traditionellen Parteien oder die Justiz heute oft genug das Grundgesetz nicht ernst genug nehmen.

2. Deutliche Verdammung des Nationalsozialismus Warum fällt es der AfD so schwer, viel klarer als bisher die zwölf Jahre der NS-Diktatur als die finsterste Zeit der deutschen Geschichte zu geißeln und sich deutlich von völkischer Rassenlehre und dumpfem Arierkult, von Fremdenhass und Antisemitismus zu distanzieren? Patriotismus, Bekenntnis zum Vaterland, zu christlichen Traditionen und nationaler Kultur sind in keiner Weise automatisch rechtsextreme Werte, sondern haben auch in einem einigen, starken Europa ihren Platz. Fast jeder Pole, Italiener oder Franzose würde das unterschreiben. Auch die AfD sollte zentrale Aspekte der deutschen „Erinnerungskultur“ nicht als „Schuldkult“ diffamieren, sondern durchaus stolz als nachweisliche Fähigkeit der Deutschen ansehen, sich selbstkritisch mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Wer das als eine unüberwindbare Hürde ansieht, gibt nur jenen recht, die in der AfD eine Partei der Neonazis sehen.

3. Bekenntnis zu Einwanderungsland und Remigration Die AfD sieht angesichts demographischer Entwicklungen mit gravierendem Geburtenrückgang, die als weltweites Phänomen auch mit der besten Familienpolitik schwer zu beeinflussen sind, die Notwendigkeit von Einwanderung – allerdings kontrolliert, kulturell kompatibel und an den Interessen Deutschlands ausgerichtet. Eine solche Politik steht nicht im Widerspruch zu Plänen für die Remigration nicht oder schwer integrierbarer Migranten oder illegaler Einwanderer. Ein solches Programm muss aber auch deutlich gemacht werden – was der AfD bisher nicht gelungen ist.

4. Glaubwürdigkeitsoffensive gegenüber Minderheiten In der AfD gibt es sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund und auch zahlreiche Juden. Auch mit ihrer Hilfe braucht es den Versuch, mit jenen ins Gespräch zu kommen, die die AfD verdammen, wie dem Zentralrat der Juden oder Migrantenverbänden. Auch wenn dies vermutlich enorm schwer sein wird und viele dieser Organisationen mit Abwehr und Verweigerung reagieren werden, werden eine kluge Öffentlichkeitsarbeit, offene Briefe und klare Positionspapiere nicht ohne Wirkung bleiben.

5. Westbindung und nationale Positionen stärker betonen Europa-Feindlichkeit, China-Nähe und Putin-Hörigkeit werden der AfD vorgeworfen. Die Partei sollte sich noch deutlicher als bisher zu der Zugehörigkeit zum freiheitlichen Westen und seinen Werten, den christlich-abendländischen Wurzeln unserer Kultur bekennen. Gleichzeitig sollte sie selbstbewusst und offensiv die deutschen Interessen betonen. Seit viel zu langer Zeit verzichten Bundesregierungen insbesondere in der EU-Politik, aber auch in der Entwicklungshilfe oder in internationalen Organisationen eine dezidiert an deutschen Interessen orientierte Politik. Die grundgesetzlich fest geschriebene Verpflichtung der Regierung, dem Wohle des deutschen Volkes zu dienen, ist keineswegs dumpf nationalistisch, sondern eigentlich eine Selbstverständlichkeit in den allermeisten Ländern der Welt.

6. Kulturelle Isolation aufbrechen Die mangelnde Akzeptanz der AfD in den deutschen Eliten ist eine schwere Hypothek. Im Unterschied zu anderen konservativen und rechten Parteien in Europa sind in der AfD Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Theater- und Filmleute sowie Journalisten nicht wahrnehmbar. Die AfD müsste erhebliche Anstrengungen unternehmen, das aufzubrechen – wobei ihr die Einbeziehung von namhaften Intellektuellen, schillernden Politikern und populären Kulturschaffenden aus dem Ausland helfen könnten.

7. Die Nähe zu Christen und ihren Kirchen anstreben Nirgendwo gibt es vermutlich mehr Sympathien für konservative Werte und traditionelle Sichtweisen als in christlichen Kreisen. Dabei haben sich sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche weitgehend mit größter Eindeutigkeit und Härte gegen die AfD positioniert. Das aufzubrechen wird nicht einfach sein. Es hängt sehr stark von der Fähigkeit der AfD ab, sich glaubwürdig als demokratische Partei zu erweisen, die mit NS-Ideologie, Rassismus, Antisemitismus oder gar Verherrlichung von Volk, Militär und dem Recht des Stärkeren nichts zu tun hat.

Aber davon hängt auch alles andere ab. Die AfD wird nach menschlichem Ermessen niemals die Mehrheit im Bundestag erringen können. Politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich steht Deutschland vor chaotischen Zeiten, wenn es nicht gelingt, entweder die AfD koalitionsfähig zu machen oder sie wieder in der Wählergunst zu marginalisieren.

Noch setzen die etablierten Parteien mit größter Entschlossenheit, aber ohne jeden Erfolg auf die zweite Option. Es liegt aber auch an der AfD, ob die Brandmauer fällt und damit eine politische Wende in Deutschland möglich wird. Nur dann gibt es eine Chance auf ein Wiedererstarken dieses immer heftiger gebeutelten Landes, das sich derzeit politisch, ökonomisch und gesellschaftlich auf gefährlich abschüssigem Terrain befindet – in einer Welt revolutionären Wandels.

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