Sieg für christliche Werte, schwere Niederlage für Jens Spahn und Friedrich Merz

vor etwa 7 Stunden

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Heidi Reichinnek trifft einen Punkt. Die Fraktionsvorsitzende der Linken wirft Jens Spahn vor, er habe die Wahl von drei Kandidaten fürs Bundesverfassungsgericht auf den Freitag vor der Sommerpause gelegt. In der Hoffnung, dann kämen die drei vorgeschlagenen Kandidaten möglichst lautlos durch. Egal, wie umstritten sie sind. Es ist ein bekannter Trick. Ein alter und plumper. Doch es scheint immer mehr so, als ob Jens Spahn als Fraktionsvorsitzender der Union nicht mehr draufhat.

Denn dieser plumpe Trick hat nicht funktioniert. Am Montag hatte der Fachausschuss die drei Kandidaten noch durchgewunken. Vier Tage später setzt der Bundestag den Punkt ganz ab – weil es an den notwendigen Mehrheiten fehlt. Dazwischen liegt Chaos, das Jens Spahn als Fraktionsvorsitzender der Union nicht abräumen konnte. Das aber auch der Kanzler befeuert hat, als er sich hinter die umstrittene Kandidatin der SPD, Frauke Brosius-Gersdorf, gestellt hat.

Am Mittwoch hatte Beatrix von Storch (AfD) den Kanzler noch befragt, ob er bereit sei, eine Kandidatin zur Richterin am Verfassungsgericht zu machen, die sich für die Tötung von lebensfähigen Kindern im Mutterleib einsetzt. Friedrich Merz antwortete schulterzuckend mit “Ja”. Er warf damit christliche Werte so weg, wie andere Dreck vom Schuh wischen. Mit dieser arroganten Demonstration der Macht, wollte der Kanzler die Reihen nach innen schließen und das Thema abräumen. Er bewirkte das Gegenteil.

Bis dahin hatten die Kirchenvertreter geschlafen. Fest daran gewöhnt, der Regierung zuzustimmen, um sich weiter an den zahlreichen staatlichen Trögen ernähren zu können. Doch ein christdemokratischer Kanzler, der so entschlossen christliche Werte über Bord warf, den konnten sie nicht unkommentiert stehen lassen. Das führte dazu, dass immer mehr Unions-Abgeordnete erklärten – meist hinter vorgehaltener Hand – dass sie Brosius-Gersdorf nicht mitwählen könnten. Wenige wie der Arzt Stephan Pilsinger (CSU) standen dazu öffentlich.

Spahn und Merz waren nicht in der Lage, die SPD von der Kandidatur einer extrem linken Aktivistin abzubringen. Die Chefs der Union setzten darauf, Abweichler schon auf Linie zu bekommen. Sie sind auf ganzer Linie gescheitert. Das christliche Gewissen setzte sich durch. In der Nacht zum Freitag wurde immer deutlicher, dass die Kandidaten mit einem solchen Gewissen Brosius-Gersdorf nicht mittragen werden. Erst jetzt gingen Spahn und Merz auf die SPD zu, um sie um Absetzung zu bitten. Auch da scheiterten sie.

Für Freitag gegen 10 Uhr stand die Wahl der Richter auf der Tagesordnung. Das Prozedere sollte sich bis in den Nachmittag fortsetzen. Doch dann verkündete die Präsidentin des Bundestags, Julia Klöckner (CDU), eine Unterbrechung der Sitzung. Die SPD habe Bedarf, sich zu einer internen Sitzung zu treffen. Die Unterbrechung dauerte etwa anderthalb Stunden. Die Union wollte nur die Wahl von Brosius-Gersdorf von der Tagesordnung nehmen. Begründet durch mutmaßliche Plagiatsvorwürfe, die in letzter Sekunde auftauchten. Die SPD setzte durch, dass alle Wahlgänge verschoben werden.

Der Schaden für die Regierung ist immens. In seiner Rede zur Geschäftsordnung sprach der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Dirk Wiese, von einer “Hetzjagd”, die gegen Brosius-Gersdorf durchgeführt worden sei. Diesen drastischen Ausdruck müssen auch die innerhalb der Union auf sich beziehen, die eine Abtreibungs-Aktivistin nicht wählen konnten. Wiese sagte auch, es “betrübe” ihn “zutiefst”, dass die Koalitions”partner” nicht in der Lage seien, solch eine Frage zu klären – obwohl mindestens eine Woche Zeit dafür gewesen ist.

Eine schräge Erwiderung hielt der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Steffen Bilger. Er spricht von einer “intensiven öffentlichen Debatte, die jedes Maß verloren haben”. Aber eben dieser maßlosen Debatte müsse jetzt seine Fraktion nachgeben, das gehe halt nicht anders – so einen möchtest du im Schützengraben auch nicht neben Dir haben. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, attestierte Spahn, den Bundestag in eine “unverantwortliche Situation” gebracht zu haben, weil er eine Einigung im Vorfeld nicht hinbekommen hat.

Beschädigt ist auch die SPD. Aber nur bedingt. Sie wollte mit aller Gewalt eine extrem linke Kandidatin durchsetzen. Taktisch unklug, gesellschaftlich unverantwortlich. Aber das ist nun einmal der Weg, den die SPD in den letzten Jahren gewählt hat. Der Bürger beantwortet diesen Weg mit 16,4 Prozent bei Bundestagswahlen. Die Union indes wollte bis zur Sommerpause eine Stimmungswende in der Bevölkerung herbeiführen. Sie hat im Frühjahr durchgesetzt, 850 Milliarden Euro an Staats-Schulden aufnehmen zu können, um sich davon im Sommer gute Laune zu kaufen. Über den dazugehörigen “Investitionsbooster” stimmte der Bundesrat an dem Tag zeitgleich final ab – unter Ausschluss der öffentlichen Aufmerksamkeit, weil Merz auf Spahn gesetzt hat. Und weil es Spahn nicht vermocht hat, das Thema zu deeskalieren. Weil er maßlos arrogant davon ausgegangen ist, die Abweichler schon auf Linie bringen zu können. Das konnte er offensichtlich nicht. Es ist die zweite große Niederlage von Spahn in gerade mal zweieinhalb Monaten – nachdem er zuvor als erster Fraktionsvorsitzender der bundesdeutschen Geschichte nicht durchsetzen konnte, dass sein Kandidat schon im ersten Wahlgang zum Bundeskanzler gewählt wird.

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