
Zunehmend hitzig wird in der Politik über ein AfD-Verbot diskutiert – einige Abgeordnete wollen Nägel mit Köpfen machen und ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht über den Bundestag anstrengen. Federführend vom CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz verfasst, soll ein Antrag im Parlament diesen politisch hochexplosiven Beschluss herbeiführen – ein aktueller Arbeitsentwurf ist nun an die Öffentlichkeit gelangt. Eine Lektüre eines Entwurfs von Ende September offenbart, wie dünn die Argumentation der Autoren teilweise ist.
Zum Einstieg heißt es: „Die AfD wendet sich gegen zentrale Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung: Die Würde des Menschen sowie das Diskriminierungsverbot werden durch die AfD, ihre führenden Funktionäre sowie zahlreiche Mandatsträger und Mitglieder mittlerweile unverhohlen infrage gestellt“.
Die Autoren hangeln sich in der Begründung des Antrages zunächst an der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes entlang: „Eine Partei ist demnach verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.“ Und: „Ausgangspunkt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist die Menschenwürde. Sie in allen ihren Erscheinungsformen zu achten und zu schützen, ist oberste Pflicht jeden staatlichen Handelns.“
Es ist insbesondere dieser Punkt, aus dem die Antrags-Autoren ihr Verbotsbestreben ableiten: Die AfD beziehungsweise ihre Ideen würden gegen die Menschenwürde verstoßen. „Die Würde des Menschen sowie das Diskriminierungsverbot werden durch die AfD, ihre führenden Funktionäre sowie zahlreiche Mandatsträger und Mitglieder mittlerweile unverhohlen in Frage gestellt. Die Rechte von Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen oder solcher mit nicht-heteronormativer Sexualität sowie Angehörigen autochthoner nationaler Minderheiten und Volksgruppen sollen nach dem Willen der AfD zugunsten einer völkisch-nationalen Stärkung eines vermeintlichen Deutschtums beschränkt oder beseitigt werden“, führen die Abgeordneten dazu aus.
Im Antrag ist außerdem die Rede von einer wiederholten „Bagatellisierung der monströsen nationalsozialistischen Verbrechen“, dort schreibt man gar über „klare Bekenntnisse zu diesen durch Funktionäre, Mandatsträger und Mitglieder der AfD“, die man immer wieder verzeichne. „Jüngst wurde der thüringische AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Björn Höcke MdL zweimal für die Nutzung der strafbaren SA-Parole ‚Alles für Deutschland‘ verurteilt. Auch darüber hinaus haben ihre Reden oft sehr bewusste und planmäßige Bezüge zur Sprache der Nationalsozialisten.“
Ebenfalls zitiert wird das Oberverwaltungsgericht Münster: „Es liegen nach der Überzeugung des OVG konkrete und hinreichend verdichtete Anhaltspunkte dafür vor, dass nach dem politischen Konzept der AfD Flüchtlingen und anderen Zuwanderern, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund und deutschen und ausländischen Staatsangehörigen islamischen Glaubens die Anerkennung als gleichberechtigte Mitglieder der rechtlich verfassten Gemeinschaft versagt werden soll. Die Verknüpfung des von der AfD verwendeten ‚ethnisch-kulturellen Volksbegriffs‘ mit einer politischen Zielsetzung, mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen infrage gestellt wird, sei mit der Menschenwürde nicht vereinbar.“
Darüber hinaus beruft man sich auch auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Thüringen, der festhält, dass unter anderem „die Darstellung des Islam als Gesamtbedrohung und die Aufforderung, der vermeintlich um sich greifenden ‚Veränderung des Staatsvolkes‘ entgegenzuwirken, auf eine Grundeinstellung hinweisen, die mit wesentlichen Verfassungsgrundsätzen der Menschenwürde, Religionsfreiheit, Gleichbehandlung und dem Demokratieprinzip nicht mehr vereinbar sei.“
Diese Gerichtsurteile sind das vielleicht substanziellste, was die Autoren im Antrag konkret anführen. Generell scheint der Antragstext aktuell aber auch sehr darauf zu bauen, dass die bloße Behauptung von Dingen oder die Wiederholung von öffentlichen Erzählungen ausreichend sein wird. Bemerkenswerterweise wird auch auf die Correctiv-Story verwiesen: Man spricht von „investigativen journalistischen Recherchen“, die etwa belegt hätten, dass „bei einer Konferenz in Potsdam“ illegale „Pläne zur millionenfachen ,Remigration‘ auch von deutschen Staatsbürgern entwickelt“ worden wären.
Weiterhin behauptet der Antrag, dass die AfD auch einer „Vielzahl von Extremisten und Verfassungsfeinden (…) Zugang zum Deutschen Bundestag“ gewähren würde: „Die AfD beschäftigt nach BR-Recherchen mehr als 100 Mitarbeitende, die individuell dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind. Mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordneten beschäftigen Personen, die in Organisationen aktiv sind, die von den Verfassungsschutzbehörden als rechtsextrem eingestuft werden.“ Recherchen von Apollo News zu dieser Frage deckten auf, dass die hier zitierte „BR-Recherche“ in Wahrheit auf einem windigen Zirkelschluss basiert: Auf Anfrage unserer Redaktion im März verwies der BR auf einen internen Podcast, in dem explizit erklärt wird, dass auch Mitglieder der AfD-Teilverbände „berücksichtigt“ wären.
Soll heißen: Von den „über 100 rechtsextremen AfD-Mitarbeitern“ ist ein Großteil allein deshalb rechtsextrem, weil sie Mitglieder der AfD oder ihrer Jugendorganisation sind. Die Autoren des Verbotsantrages drehen diesen Zirkelschluss einfach eine Runde weiter und argumentieren: Die AfD ist rechtsextrem, weil sie rechtsextreme Mitarbeiter hat – die vor allem rechtsextrem sind, weil sie in der AfD sind. Reichlich dünn für ein Verbotsverfahren. Am Ende des Antrages bleibt vor allem die Erkenntnis: Wenn dies das Fundament sein soll, dann ist das Verbotsvorhaben in relevanten Teilen auf Sand gebaut.
Das Parteienverbot ist ein scharfes Schwert – wer es ziehen will, muss zum Schutze der Demokratie ganz sauber damit hantieren. Dieser Verantwortung wird man mit teils unseriös konstruierten Argumenten, die in der Sache schon die Grenze zur Desinformation überschreiten, nicht gerecht. Und so wird man sicherlich auch kein Verfahren gewinnen – dafür sind die Hürden für ein Parteienverbot zurecht zu hoch angesetzt. Der „Kollateralschaden“ eines solchen, scheiternden Vorhabens wäre aber immens. Insbesondere für die demokratische Gesellschaft.