So lief der Gipfel zur Ukraine in Washington ab: Zähes Ringen trotz demonstrativer Einigkeit

vor etwa 3 Stunden

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Die Bilder des gestrigen Tages haben wieder einmal gezeigt, dass Donald Trump ein Meister der Polit-Show ist. Inhaltlich gab es Differenzen mit den Gästen, insbesondere was eine Waffenruhe betrifft. Ganz am Schluss platzt die Bombe: Putin und Selenskyj werden sich bald treffen.

Er könnte ein historischer Tag werden, dieser 18. August 2025, der für die Zukunft der Ukraine entscheidend sein dürfte. Zunächst trifft der ukrainische Präsident Selenskyj in Washington D.C. ein. An seinen letzten Besuch im Weißen Haus vor einem halben Jahr hat er keine guten Erinnerungen, damals wurde er von Donald Trump und Vizepräsident Vance zurechtgestutzt.

Diesmal läuft alles glatt. Trump nimmt ihn betont herzlich in Empfang, macht auf gut Wetter, legt seinem Gast sogar die Hand auf die Schulter, klopft ihm aufs dunkle Sakko, und sagt: „Schau dir das an, ich liebe es!“. Im Oval Office ist die Stimmung gelöst, man lacht gemeinsam. Trump dankt dem Gast Trump für seinen Besuch und sagt, dass „Fortschritte erzielt werden“, um den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden. Er habe ein „sehr gutes“ Treffen mit Putin gehabt, und es gebe „eine gute Chance, dass etwas dabei herauskommt“, womit er die Treffen mit Selenskyj und den europäischen Verbündeten meint. Nach dem öffentlichen Auftritt ziehen sich die beiden Präsidenten zum Vier-Augen-Gespräch zurück.

Nach und nach fahren die Europäer vor, die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, NATO-Generalsekretär Mark Rutte, Bundeskanzler Merz sowie Frankreichs Präsident Macron, der britische Premierminister Keir Starmer, die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni und der finnische Präsident Alexander Stubb.

Nach dem Gespräch mit Selenskyj, in dem auch Sicherheitsgarantien zur Sprache kommen, ist überraschend aus dem russischen Außenministerium in Moskau zu hören, man lehne die Präsenz von Truppen aus europäischen NATO-Staaten in der Ukraine ab, dies würde eine „Eskalation“ bedeuten. Das mit der Lösung des russisch-ukrainischen Krieges wird nicht einfach, wie Trump schon eingeräumt hat ...

Die Verhandler um US-Präsident Donald Trump kurz nach der Ankunft im Weißen Haus

Erst einmal nimmt er die Europäer in Empfang, mit 20 Minuten Verspätung wird das „Familienfoto“ aufgenommen. Dann geht es in den East Room des Weißen Hauses, wo Donald Trump gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten und seinen europäischen Gästen am großen Tisch sitzt und jeden einzelnen über den grünen Klee lobt. Er lobt NATO-Chef Rutte, Starmer („mein Freund“), Macron („auch ein Freund von mir, ich mag ihn noch mehr als vorher), Meloni („inspirierend“), Merz („eine sehr starke Persönlichkeit, wird in Deutschland sehr respektiert und geachtet“), Studd („tolle Arbeit geleistet“), Ursula („in der ganzen Welt geachtet“).

Falls Putin auf eine Spaltung der NATO-Partner gesetzt haben sollte, erlebt er in diesen Minuten, wie Amerika und Europa Einigkeit demonstrieren. (Putin müsse nun eine Antwort finden, wird Trump am Ende des öffentlichen Teils sagen.)

Nach und nach bittet Trump seine Gäste um ein Statement. Alle danken Trump dafür, Dynamik in die festgefahrene Situation gebracht zu haben, alle sprechen von Sicherheitsgarantien. Und dann lehnt sich Bundeskanzler Friedrich Merz ohne Not weit aus dem Fenster:

„Die nächsten Schritte sind die komplizierten. Jetzt ist der Weg frei für schwierigere Verhandlungen. Wir würden alle gern einen Waffenstillstand sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nächste Treffen noch ohne Waffenruhe stattfindet – aber genau daran sollten wir arbeiten.“ Man müsse den Druck auf Russland erhöhen.

Spielen die Europäer hier good cop, bad cop? Erstere verkörpert durch Rutte und Meloni, letztere durch Merz und Macron? Der Franzose pflichtet Merz bei: „Für ein trilaterales Meeting ist ein Waffenstillstand eine Notwendigkeit.“ Dabei hat Trump bereits gesagt, dass eine Waffenruhe kein Muss ist. Zwar würden dann keine Menschen getötet, doch könnte die Zeit von den Kriegsparteien genutzt werden, um sich strategische Vorteile zu verschaffen. Putin ist gegen eine Waffenruhe, weil er auf Zeit spielt, seine Truppen kommen schon länger an der Front voran.

Trump zieht es vor, gleich auf eine Friedenslösung hinzuarbeiten – was Selenskyj, der möglichst alle Gebietsabtretungen vermeiden will, nicht gefallen kann. Da weiß er Merz und Macron hinter sich. Man spürt den Missklang. Hat Merz wieder einmal kein Gespür für die Situation? Prompt wiederholt der US-Präsident seine Überzeugung, dass sich Konflikte auch ohne Waffenstillstand lösen lassen, bisher habe er sechs Kriege beendet.

Ein Waffenstillstand ist das eine – die Sicherheitsgarantien das andere. Die Amerikaner wollen sich nicht in den Krieg im fernen Europa hineinziehen lassen, „boots on the ground“ dort möglichst vermeiden. Andererseits hat Trump versprochen: „Wir werden der Ukraine sehr guten Schutz und sehr gute Sicherheit bieten.“ Und Selenskyj hat erklärt, dass die USA bereit seien, Sicherheitsgarantien mitzutragen.

Dann wiederum: Trump spricht von den Europäern als „first line of defense“ (erste Verteidigungslinie), was bedeuten würde, dass Europa mit eigenen Soldaten ohne die USA in die erste Linie gegen russische Truppen gehen müsste. Insbesondere für Merz wäre das politisch kaum durchsetzbar, wegen des Unwillens der Deutschen, sich in den Ukraine-Konflikt hineinziehen zulassen, aber auch wegen des Koalitionspartners SPD und sogar wegen Vorbehalten in der eigenen Partei. Briten-Premier Keir Starmer, EU-Chefin Ursula von der Leyen und Selenskyj betonen, Trump habe Sicherheitsgarantien zugesagt. Die Europäer haben offenbar ihre eigene Beteiligung an einer Friedenssicherung an die Beteiligung der USA gekoppelt. Wer am Ende die etwa 1200 Kilometer lange Grenze zu Russland sichern soll, bleibt weiter unklar.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hofft auf Sicherheitsgarantien der Nato – am Tag nach dem Treffen scheinen diese weiterhin fraglich.

Aber auch das Schicksal der über 19.000 verschleppten ukrainischen Kinder scheint jetzt Thema zu sein: Melania Trump hatte in einem Brief an Kriegsherrn Putin an das Schicksal dieser Kinder erinnert, Selenskyj übergab Trump einen Brief seiner Frau an die First Lady.

Dann schließen sich die Türen, die multilateralen Gespräche beginnen. Trump zeigt sich noch zuversichtlich, „dass wir in einer bestimmten Zeitspanne, die nicht mehr allzu fern ist – in ein oder zwei Wochen – wissen werden, ob wir dieses Problem lösen können.“ Falls nicht, würden „diese schrecklichen Kämpfe weitergehen“.

Am späten Abend werden die Verhandlungen plötzlich unterbrochen. Ursprünglich wollte Trump Putin nach den Gesprächen mit den Europäern telefonisch ins Bild setzen, jetzt zieht er sich in einen Nebenraum zurück. Worum es geht, ist zunächst unklar.

Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria berichtet unter Berufung auf Putins Top-Diplomaten Jurij Uschakow, Trump und Putin hätten in ihrem Telefonat ihre Unterstützung für direkte Verhandlungen zwischen den Delegationen Russlands und der Ukraine zum Ausdruck gebracht.

Trump selbst vermeldet auf seiner Plattform Truth Social, er habe ein „sehr gutes Treffen mit angesehenen Gästen“ gehabt – und dass ein direktes Treffen zwischen Putin und Selenskyj an einem noch zu bestimmenden Ort in Vorbereitung sei: „Nach diesem Treffen wird es ein Trilateral-Treffen geben, an dem die beiden Präsidenten und ich teilnehmen werden. Ich möchte noch einmal betonen, dass dies ein sehr guter erster Schritt in einem Krieg ist, der seit fast vier Jahren andauert. Vizepräsident JD Vance, Außenminister Marco Rubio und Sonderbeauftragter Steve Witkoff koordinieren die Gespräche mit Russland und der Ukraine.“

Was genau mit den Europäern besprochen wurde – man erfährt es nicht. In Deutschland ist es schon fast 0.40 Uhr, als Friedrich Merz für sein angekündigtes Statement vor die Presse tritt, um „vier Botschaften“ zu verkünden:

Aber: In der formellen Sitzung wurde das heikle Thema territoriale Konzessionen nicht angesprochen. Spätestens beim Treffen mit Putin wird es jedenfalls auf den Tisch kommen.

Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem Statement in Washington

Die Sicherheitsgarantien scheinen nach wie vor ein Knackpunkt der Verhandlungen zu sein, ebenso die Gebietsabtretungen, um die Selenskyj wohl nicht herumkommt. Der Waffenstillstand, auf den Merz und Macron drängten, scheint vom Tisch zu sein, Merz erwähnt ihn nicht. Als konkretes Ergebnis lässt sich immerhin festhalten, dass die Kriegsparteien in Gestalt von Putin und Selenskyj binnen zwei Wochen endlich miteinander reden werden – und danach mit Trump als Vermittler. Europa, das dreieinhalb Jahre nichts zur Beendigung des Krieges beigetragen hat, bleibt außen vor. Es wird wohl eher zur Friedenssicherung gebraucht und zu finanziellen Hilfen. Was konkret an Europa hängenbleibt, lässt sich noch nicht sagen.

Auffällig: Merz betonte, seine Erwartungen an das Treffen seien „übertroffen worden“, wirkte dabei aber alles andere als gelöst, sogar gestresst.

Wie auch immer: Donald Trump hat eine neue Dynamik in die festgefahrene Lage gebracht. Der heutige Tag im Weißen Haus markiert einen wichtigen Zwischenschritt, um den grausamen Krieg in der Ostukraine zu beenden. Ein Deal scheint nun möglich.

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