
Anfang Oktober hat die Bundesnetzagentur die Meldestelle Respect als sogenannten Trusted Flagger zugelassen: Ihr Auftrag ist es, Hasskommentare im Internet zu melden, damit diese entfernt werden können. Auch wenn das Wort Meldestelle nach Zivilgesellschaft klingt, verbirgt sich dahinter ein kompliziert gewobenes Netz aus staatlichen Stellen, Politik und Geheimdienst. Der Staat kann auf diese Weise Einfluss auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess erlangen und die Regeln des Rechtsstaats austricksen.
NIUS wirft einen Blick auf die Strukturen hinter der neuen Zensur-Behörde, über die folgende Grafik einen ersten Überblick gibt:
Hintergrund für die Zulassung von Respect als Trusted Flagger ist der Digital Services Act (DSA) der EU. Der DSA soll dafür sorgen, dass Social-Media-Plattformen stärker in die Verantwortung genommen werden für die Inhalte, die Nutzer veröffentlichen. Den Trusted Flaggern kommt dabei eine herausgehobene Rolle zu: Nutzer können Beiträge bei den Trusted Flaggern melden. Diese prüfen die Beiträge und geben die Meldungen gegebenenfalls an die Plattformen weiter, die diese Meldungen dann prioritär behandeln müssen – und die gemeldeten Beiträge entfernen können. Respect kann also dafür plädieren, dass Beiträge gelöscht werden, ohne dass zuvor Polizei, Staatsanwälte oder Richter dies prüfen konnten.
Eine entscheidende Rolle spielte hierbei die grün-schwarze Landesregierung unter dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. 2017 gründete sie die Meldestelle Respect. Knapp 160.000 Euro hat Respect seit 2017 aus dem Landesministerium für Soziales, Gesundheit und Integration bekommen. Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 schrieben Grüne und CDU den Kampf gegen Hass offiziell fest: „Hass und Hetze vergiften unsere Gesellschaft von innen. Wir gehen gemeinsam gegen jede Art von Hasskriminalität und Hatespeech vor – entschieden, geschlossen und mit vielfältigen Maßnahmen.“
Der Natur ganz nah: Koalitionsvertrag von Grünen und CDU aus dem Jahr 2021.
Um das Vorhaben des Koalitionsvertrags umzusetzen, berief die Koalition eine Task-Force gegen Hass und Hetze ein. Der CDU-Innenminister von Baden-Württemberg, Thomas Strobl, erklärte dazu: „Die Task-Force wird Schrittmacher, ein ganz wichtiger, ideengebender und gleichzeitig gestaltender Motor für die Arbeit in unserem Kabinettsausschuss sein“. Der Task-Force gehören sowohl das Landeskriminalamt als auch das Landesamt für Verfassungsschutz an. Zudem mehrere Institutionen, die in den Bereichen Bildung und Medien tätig sind: die Landeszentrale für politische Bildung, das Institut für Bildungsanalysen, das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung, das Demokratiezentrum, die Landesanstalt für Kommunikation und das Landesmedienzentrum.
Schwarz und Grün kommen in Baden-Württemberg gut miteinander aus: Strobl und Kretschmann in Stuttgart.
In der Task-Force sind also einerseits Akteure versammelt, die eine wichtige Rolle für die Entwicklung des öffentlichen Diskurses spielen, andererseits die Sicherheitsbehörden. Diese Kombination zeigt, worum es der grün-schwarzen Regierung ging: die Gefahren eines vermeintlich „zu freien“ Diskurses in den Blick zu nehmen und Einschränkungen zu ermöglichen.
Zu diesem Zweck gründete die Task-Force die Initiative Toleranz im Netz. All die Akteure, die in der Task-Force vertreten sind, finden sich auch in der Initiative wieder. Hinzu kommen Organisationen wie HateAid, Weißer Ring – und die Meldestelle Respect.
Das Ziel der Initiative ist, laut eigener Website, „Bedrohungen durch Hass und Hetze zu erkennen und diese aktiv zu bekämpfen“. Weiter heißt es dort: „Um den Stellenwert der Initiative Toleranz im Netz hervorzuheben, wurde ihre Geschäftsstelle direkt bei der Hausspitze des Landeskriminalamtes angesiedelt. Sie steht, nicht zuletzt wegen ihres Zusammenschlusses von starken Projektpartnern aus Polizei sowie Medien-, Gesellschafts- und Bildungsorganisationen des Landes, im politischen und öffentlichen Fokus der künftigen Maßnahmen der Landesregierung im Kampf gegen ‚Hass und Hetze‘. Die Identifikation sowohl aller Projektpartner als auch der Bürgerinnen und Bürger mit der Zielsetzung der Initiative Toleranz im Netz ist für den Erfolg der künftigen Maßnahmen unerlässlich.“
Die Mitglieder der Initiative. Screenshot: Website Initiative Toleranz im Netz.
Diese Worte sind aufschlussreich. Erstens verdeutlicht die Landesregierung hier, dass die Bekämpfung von Hass eben gerade nicht allein durch die Ermittlungsbehörden durchgeführt werden soll, sondern in Zusammenarbeit mit den „starken Projektpartnern“ – Institutionen also, denen der Rechtsstaat keine Befugnis zuspricht, über die Äußerungen der Bürger zu wachen. Zweitens hebt die Landesregierung auf die „Identifikation“ der Bürger mit den Zielen der Initiative ab, die für „künftige Maßnahmen“ unerlässlich sei. Hier deutet sich bereits an, dass die Bevölkerung Regeln für den Diskurs vermittelt bekommen soll, die enger gesteckt sind als die Grenzen des Rechts.
Dass die Initiative nicht nur strafbare Äußerungen verhindern will, zeigt ein Blick in ihre FAQ. Dort heißt es:
„Bekomme ich auch Hilfe, wenn Kommentare/Aktionen nicht strafbar sind?
JA! Auch wenn Hasskommentare nicht strafbar sind, können diese verletzend sein. Die Polizei lässt niemanden hilflos zurück und unterstützt alle Betroffene, oft in enger Zusammenarbeit mit Hilfseinrichtungen. Nahezu alle Ansprechstellen für Betroffene bieten Hilfe unabhängig von der Strafbarkeit der Kommentare an. Bei den Social-Media-Plattformen kann eine Löschung der verletzenden Kommentare auch von Betroffenen selbst beantragt werden.“
Ausdrücklich ruft die Initiative also dazu auf, auch Beiträge in sozialen Netzwerken löschen zu lassen, die offensichtlich nicht strafbar, sondern lediglich „verletzend“ sind – eine Kategorie, die das Strafrecht nicht kennt. Auch eine weitere Passage auf der FAQ-Seite belegt, dass die Initiative ihren Kampf nicht auf strafrechtlich relevante Aussagen beschränkt:
„Was ist der Unterschied zwischen Meinung und Hass?
Eine Meinung spiegelt die persönliche Ansicht, die Überzeugung oder Einstellung wider. Hass wiederum ist ein starkes Gefühl der Ablehnung und der feindseligen Abneigung. Hass muss nicht immer ‚heißblütig‘ sein, sondern kann auch kalt und berechnend eingesetzt werden.“
Hass wird hier eindeutig als Gefühl definiert. Gefühle allerdings sind in Deutschland nicht strafbar. Auch „ein starkes Gefühl der Ablehnung“ ist innerhalb des demokratischen Prozesses nicht nur erlaubt, sondern geradezu erwünscht, speist sich doch unser Wahlsystem aus Zustimmung oder Ablehnung zu bestimmten Parteien.
NIUS-Recherchen hatten bereits am Freitag gezeigt, wie weit die beteiligten staatlichen Institutionen den Begriff „Hass“ fassen. Demnach schließt sich die Landesregierung Bayern, die Respect mit 270.000 Euro mitfinanzierte, einer Definition an, laut der auch „unsachliche und aufbrausende Diskussionsbeiträge“ als Hassrede gelten. Auch wurde empfohlen, Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung zu melden.
Das komplexe Konstrukt aus Task-Force, Initiative und Meldestelle deutet darauf hin, dass die deutsche Regierung die Umsetzung des DSA, der eigentlich die Verfolgung von Straftaten erleichtern soll, dazu nutzt, um die Kontrolle über den Diskurs zu erlangen. Hier noch einmal die grafische Übersicht über das Geflecht hinter Respect:
Die Grünen nehmen innerhalb dieses Geflechts eine zentrale Rolle ein. Nicht nur wurde Respect unter einem grünen Ministerpräsidenten gegründet und mittels der Initiative in ein Netz an Akteuren eingebunden. Auch wird Respect durch das Förderprogramm „Demokratie leben“ der grünen Bundesfamilienministerin Lisa Paus unterstützt. Knapp 800.000 Euro Steuergeld erhielt die Meldestelle seit 2020 von Paus’ Ministerium. Zuständig für die Zulassung von Respect als Trusted Flagger war wiederum der Grünen-Politiker Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, dessen Behörde dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck untersteht.
Enge Vertraute: Müller und Habeck.
Das Geflecht hinter Respect hat einen strategischen Nutzen für die Politik: Es ermöglicht eine Einschränkung der Meinungsfreiheit in einem Land, in dem staatliche Zensur per Verfassung verboten ist. Weil die Ermittlungsbehörden und Gerichte in Deutschland strengen Regeln unterworfen sind und nicht einfach untersagen können, was der Regierung nicht passt, organisiert sich diese durch das Geflecht an Institutionen die Möglichkeit, dennoch Einfluss zu nehmen.
So dient etwa die Bezeichnung „Initiative“ als eine Art Tarnung: Dahinter vermutet man zivilgesellschaftliche Organisationen, nicht einen Zusammenschluss aus Sicherheitsbehörden und staatlich finanzierten beziehungsweise großzügig subventionierten Organisationen. Jene Stelle, die nun als Trusted Flagger darüber entscheidet, welche Beiträge die Plattformen entfernen sollen, untersteht zudem keiner so strengen Kontrolle wie etwa Polizeibehörden, für deren Arbeit ganz klare Regeln gelten. Vielmehr könnte etwa das Landesamt für Verfassungsschutz, der Inlandsgeheimdienst Baden-Württembergs, innerhalb der Initiative Einfluss auf die Arbeit der Meldestelle nehmen – ohne dass dies öffentlich bekannt würde.
Auch Aussagen von Bundesnetzagentur-Chef Müller deuten darauf hin, dass die derzeitige Umsetzung des DSA in Deutschland genau darauf abzielt, rechtsstaatlich Verfahren zu umgehen und an ihre Stelle die Herrschaft eines „gefühlten Rechts“ zu setzen, das sich am politisch Erwünschten orientiert. So erklärte Müller anlässlich der Zulassung von Respect: „Illegale Inhalte, Hass und Fake News können sehr schnell und ohne bürokratische Hürde entfernt werden.“
Gleich zweifach missachtet Müller hier den Rechtsstaat: Erstens kündigt er an, dass neben illegalen Inhalten auch legale Inhalte wie Hass und Fake News, die nicht per se strafbar sind, aus dem Netz entfernt werden sollen. Zweitens lobt er, dass dank der Trusted Flagger die bürokratische Hürde wegfalle: Diese Hürde besteht aber in Deutschland gerade in rechtsstaatlichen Verfahren.
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