
Eigentlich wollte Lanz seinen minderjährigen Gast nur als irgendeinen „Schüler“ präsentieren, der sich als Betroffener zu einer möglichen Wehrpflicht äußert. Doch damit kommt der Moderator nicht durch. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder macht auf investigativ. Er fragt Otto Ellerbrock (17), ob der irgendwie politisch aktiv sei, und siehe da: So kommt heraus, dass der Knabe seit Jahren bei den Jusos ist. Er war sogar schon zweimal der jüngste Delegierte auf einem SPD-Bundesparteitag und trat im gespielten Propaganda-Witz namens „heute show“ auf. Ein in der Wolle gefärbter Jung-Politiker also, nicht irgendein „Schüler“.
Wie Söder hat auch der Zuschauer da schon längst Lunte gerochen. Denn Ellerbrock ist sehr eloquent für einen 17-Jährigen, fast schon ein bisschen zu eloquent. Das SPD-Gewächs lässt sich fast so ungern von irgendwem unterbrechen wie der fernseherfahrene Söder. Er spricht energisch und gelassen, die Parteikaderschmiede lässt ihn mindestens zehn Jahre älter und zwanzig Jahre abgebrühter wirken.
Ellerbrock denkt wie alle Linken: Wer beim Thema Ukraine-Krieg stets Feuer und Flamme für Unterstützung und Waffenlieferungen ist, den verlässt bei der Verteidigung des eigenen Landes durch die eigene Hand schnell die Begeisterung. Ellerbrock selbst würde den Wehrdienst selbstverständlich verweigern, wenn er denn käme. Er setze sich, wie fast 70 Prozent der Jugendlichen, ohnehin schon genug für das Land ein. Im Sportverein etwa. Außerdem: Die Politik schulde der Jugend etwas, spätestens nach Corona: „Damals hieß es, wir müssen der Jugend etwas zurückgeben.“
Ellerbrock hat zuvor mit einer Generalkritik begonnen. Die Sprache der Politiker bereite ihm „Sorgen“, sagt er. Wenn Söder dem gescheiterten Insolvenzminister Habeck etwa „gute Reise“ nach Harvard wünsche oder Habeck zuvor in Richtung Söder von „Wurstgefresse“ spreche. Da möge man sich doch bitte mal mäßigen, im Sinne eines fairen Miteinanders, der Rettung unserer Demokratie, um die Rechtspopulisten nicht zu stärken und… naja, all die üblichen Schlagworte eben.
Söder selbst nimmt’s gelassen und den Nachwuchs-Sozialisten offenbar ohnehin nicht ganz für voll. „Die Jusos sind ja ein Musterbeispiel für den fairen Umgang innerhalb der eigenen Partei“, ätzt er. Wenn Ellerbrock spricht, parliert der CSU-Chef unbeirrt weiter, redet dann einfach mit Lehmann oder Lanz, die beide auch gern mit einsteigen. Der junge Schlaumeier soll wohl eher Staffage sein an diesem Abend, und dafür schlägt er sich recht wacker.
Auch im Gespräch mit Lanz schert sich der Bayer überhaupt nicht darum, was der Moderator fragt. Minutenlang spricht er ohne Punkt und Komma, bisweilen redet Lanz wie gegen eine Wand. Man hat den Eindruck, sogar Söders Mikrofon wäre lauter gestellt, so sehr dominiert er das Gespräch. Dabei spult der CSU-Chef unbeirrt alle seine altbekannten Themen herunter. Kernmotto: Bayern super, alle anderen bäh. Beispiel Länderfinanzausgleich: Der sei „die größte Sauerei und ein Riesenscheiß“, denn „drei, maximal vier Länder zahlen für die anderen, und wir in Bayern zahlen fast alles.“ Beim Thema Erbschaftssteuer weicht er ständig aus, will nicht verurteilen, dass das Vererben wirklich großer Millionen- und Milliarden-Vermögen deutlich weniger, wenn nicht gar keine Steuern kostet als mittlere und kleine Erbschaften. Die will er stattdessen günstiger stellen. Mit dem Thema kennt er sich aus. Seine Ehefrau Karin Baumüller-Söder besitzt zusammen mit ihrem Bruder eine florierende Firma (Baumüller-Gruppe) mit rund 200 Millionen Jahresumsatz, die es ja auch irgendwann an die Söder-Kinder zu vererben gilt.
Die Erbschaftssteuer sei außerdem „die einzige Steuer auf bereits versteuertes Geld“, so Söder. Was er wohl meint: die einzige, abgesehen von Mehrwertsteuer, KfZ-Steuer, Grundsteuer, Schaumweinsteuer und allen anderen Steuern. Denn im Grunde wird jede Steuer, außer der Lohn- und Einkommensteuer, am Ende mit bereits versteuertem Geld bezahlt.
Mit Anna Lehmann gerät Söder gleich mehrmals aneinander, was niemanden wirklich verwundern kann. „Wir führen zum Teil Debatten, die sind einfach unterkomplex“, sagt sie. Und beschreibt damit vor allem die eigenen Redebeiträge recht treffend. So schlägt sie Söder beispielsweise einen bayerischen Brexit vor. Sie glaubt immer noch, dass die Deutschen den Trend zur Elektromobilität verschlafen hätten und China ausschließlich Elektroautos bauen würde. Dann zitiert sie kurz ihren Helden Habeck, wirft genüsslich-gehässig nochmal das Stichwort „Wurstgefresse“ in den Raum, mit dem der Ex-Minister Söder beleidigte. Sie wolle es ja nicht sagen, aber huch, da sei es rausgerutscht. Kicher, kicher. Jaja, wirklich sehr witzig, findet Söder und lässt sie in ihrer Pointen-Ebbe allein zurück.
Mit einiger Verve wirft sich Lehmann für ihre Ikone in die Bresche. „Hören Sie doch mal auf, sich ständig an Robert Habeck abzuarbeiten, der ist doch gar nicht mehr da.“ Bei der Verteidigung des Habeckschen Desasters kommt Lehmann fast ins Stottern: „Habeck als den Verursacher der deutschen Wirtschaftskrise zu stempeln, das ist einfach, jeder weiß, das stimmt so nicht.“
Weil Lehmann permanent die Neid-Welle reitet und böse Kapitalisten zur Kasse bitten will, blafft Söder sie irgendwann an: „Es ist doch nicht so, dass Reiche in Deutschland nicht versteuern. Wie kommen Sie denn auf den Quatsch?“
Auch Lanz bekommt sein Fett weg. Als er wissen will, wohin die Rüstungsgelder gehen, sagt Söder zunächst „in den Norden“ und meint den Schiffbau, muss dann aber zugeben, dass etwa die Taurus-Rakete in Bayern gebaut wird. „Ahhh!“, ruft Lanz zufrieden, und Söder ist sauer. Er knallt verbal zurück: „Was ist des für a Schwachsinns-Spruch – Ahhh…“
Schon während der Sendung muss Söder auf X gehörig einstecken. Laut einer Analyse der Plattform-KI „Grok“ erntet er in fünf von sechs Kommentaren vor allem Spott.
Wer Ahh sagt, muss eben auch X sagen…