
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder will in der Wirtschaft und Energiepolitik eine radikale Wende. Sollten CDU/CSU Regierungsverantwortung übernehmen, so Söder gegenüber dem Handelsblatt, würde Deutschland neue Gaskraftwerke bauen und „eine eigene Gasförderung prüfen, anstatt von teurem Fracking-Gas aus den USA abhängig zu werden“. Ohne Kernkraft werde es nicht gelingen, den industriellen Wohlstand zu halten, so Söder weiter.
Der Energiebedarf werde in Zukunft durch KI, Digitalisierung und E-Mobilität enorm steigen. „Darauf müssen wir uns einstellen und das geht eben nicht nur mit Sonne und Wind.“
Bestehende Meiler zur Erzeugung von Kernenergie sollten reaktiviert werden, so Söder wörtlich. Erstaunliche Worte aus München. Doch reichlich spät, zu spät. Söder weiß, dass eine Diskussion über Kernkraft derzeit eine rein rhetorische Veranstaltung ohne jeglichen Realitätsbezug ist. Der Zug ist erst einmal abgefahren; Trittin, Fischer und deren Spießgesellen haben gründliche Arbeit geleistet und für einen rigorosen Fadenriss gesorgt. Es reicht nicht, ein Kernkraftwerk aufzubauen oder die Vorhandenen wieder funktionsfähig zu machen. Dazu sind hochqualifizierte Fachleute für das Fahren eines Reaktors notwendig, die zu einem großen Teil weg sind.
Es braucht Fachleute, und nicht zuletzt Aufsichtsbehörden, die Verantwortung für die Überwachung tragen, sowie zertifiziertes Wartungspersonal. Es gibt nicht einmal genügend ausgebildete und zugelassene Schweißer, die Rohre und Gefäße in einem Reaktor schweißen können und dürfen. Ein Grund übrigens für die deutliche Verzögerung beim Bau des Kernkraftwerkes Hinkley Point in Großbritannien. Es ist nicht so, wie sich das eine durchschnittliche grüne Fachkraft ausmalt, dass nach Beschluss das Kraftwerk am nächsten Tag läuft.
Kompetenz also ist weg. Und das in einem Land, in dem wesentlich Kernkraft erforscht und deren Nutzung entwickelt wurde – von den Kreisläufe in der Nutzung des Brennstoffes bis hin zum Recycling. Vermutlich würden neue Reaktoren von russischen oder chinesischen Herstellern gekauft und teilweise sogar betrieben werden müssen, sollte in Zukunft unter massivem Energiemangel die Nutzung der Kernkraft beschlossen werden. Söder sind gleichwohl Rufe nach Kernkraft nicht verborgen geblieben.
Immerhin weist er darauf hin, dass auch in Deutschland noch gewaltige Mengen an Gas unter der Oberfläche schlummern, die auf lange Jahre hinaus alle benötigte Energie liefern könnten. Einstweilen stellen sich der Ausbeutung noch zahllose Initiativen entgegen, die im gleichen Atemzug wenig gegen immer mehr Windräder haben.
„Wir können auch mit Partnerländern wie Frankreich und Tschechien kooperieren und uns einen privilegierten Zugang zu Kernenergie sichern“, so Söder. Langfristig sei „der Bau eigener kleiner Reaktoren der nächsten Generation an bestehenden Standorten denkbar“. In jedem Fall müsse Energie wieder deutlich günstiger sein, als sie es heute ist, so Söder heute.
Er hätte Anfang 2023 nur sagen müssen, dass das Kernkraftwerk Isar 2 in Bayern in Betrieb bliebe und wird nicht stillgelegt würde: Dann wären wahre Spezialisten wie Manfred Haferburg und Klaus-Dieter Humpich nicht umsonst vor dem Aus von Isar 2 eigens nach München gefahren, um Söder, Aiwanger & Co ins Gewissen zu reden und zu versuchen, sie noch von der endgültigen Abschaltung abzubringen. Vergebens – wie wir heute wissen. Das Politpersonal ist beratungsresistent.