
Im Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zum Terroranschlag in Solingen hat ein Zeuge gravierende Missstände in der deutschen Abschiebepraxis offenbart. Besonders der gescheiterte Abschiebeversuch des Attentäters Issa Al Hassan rückte dabei in den Fokus der Befragung.
Der Transportkoordinator der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Bielefeld sprach laut WDR erschreckend offen über strukturelle Probleme bei Rückführungen. Er beschrieb die wiederholten Fehlschläge bei Abschiebungen nicht als Ausnahme, sondern als Normalität: „Es kommt öfter vor, dass Personen nicht angetroffen werden, als dass sie angetroffen werden.“
Al Hassan sollte im Juni 2023 abgeschoben werden. In den frühen Morgenstunden erschien ein Team in seiner Unterkunft in Paderborn – doch der Mann war nicht da. Laut dem Zeugen sei dies ein typisches Szenario. Die Maßnahmen waren vorbereitet, doch es blieb bei diesem einmaligen Versuch.
Der Mitarbeiter äußerte sich zudem skeptisch gegenüber der Wirksamkeit neuer gesetzlicher Regelungen wie dem Rückführungsverbesserungsgesetz 2024. Die erweiterten Befugnisse, etwa zur Durchsuchung sämtlicher Zimmer in Unterkünften, seien zwar gesetzlich vorgesehen, jedoch in der Praxis kaum umsetzbar. Dafür fehle es an Zeit, Personal und rechtlichen Spielräumen. Das gezielte Auffinden untergetauchter Personen gestalte sich dadurch weiterhin schwierig.
Ein Vorschlag des Zeugen: Abschiebungen sollten im Fall eines Fehlschlags zügig neu angesetzt und angekündigt werden. Rechtlich gelte die betroffene Person dann als „flüchtig“, was zusätzliche Maßnahmen wie eine Fahndung oder die Anordnung von Abschiebehaft ermögliche.
Der Untersuchungsausschuss will mit der Aufarbeitung klären, wie es dazu kommen konnte, dass Issa Al Hassan trotz vorliegender Abschiebeverfügung in Deutschland blieb und Monate später in Solingen drei Menschen tötete.